Wenn man ganz weit gehen will, kann man den Sturm auf das Kapitol als Rebellion oder Revolte bezeichnen, das stimmte zumindest aus der subjektiven Sicht der Randalierer. Man kann maximal sagen, dass Trump indirekte Schuld daran trage, weil er die Masse zuvor per Rede angestachelt hätte. Aber das ganze zu einem „Putsch“, einem „Staatsstreich“ zu erklären, wobei es keinerlei Indizien dafür gibt, dass Trump davon wusste, es unterstützt hat, ist eine dramatisierende Unterstellung, die die Demokratie nur weiter beschädigt.
Dem „Putsch“ soll ein Amtsenthebungsverfahren folgen, der ZDF-Chefredakteur faselt sogar von Anklage wegen Hochverrats. Der Mann weiß nicht, was ein Putsch ist. Die Spitze der Übertreibung: Nancy Pelosi sprach mit dem Generalstabschefs des US-Militärs, wie man Donald Trump die Atomkoffer wegnehmen könne, um so zu verhindern, dass der einen Atomkrieg anfängt. Das ist objektiv betrachtet eine Aufforderung zur Befehlsverweigerung, Aufforderung, dass das Militär sich gegen den bis heute demokratisch legitimierten Präsidenten der USA stellen solle, in letzter Konsequenz: Aufforderung zum Militärputsch. Und laut New York Times haben genau das mehrere Beamte des Verteidigungsministeriums so empfunden.
Jetzt hat Twitter Trumps Account für immer gesperrt. Das zentrale Sprachrohr des Präsidenten, wichtigste Möglichkeit an die Öffentlichkeit zu treten mit fast 90 Millionen Followern. Man kann es nicht einfach damit abtun, dass das ein privates Unternehmen ist, das tun kann, was es will. Twitter muss auch andere Meinung zulassen, darf kein Meinungsmonopl aufbauen; es ist eine Plattform und keine Zeitschrift. Aus diesem Grund genießt es allerlei rechtliche Privilegien gegenüber herkömmlichen Medien. Und es fällt auf, dass Ajatollah Khamenei weiter twittern darf. So bleibt auf dessen Account bis heute zu lesen, dass Israel ein „Tumor“ sei, der „entfernt und ausgerottet“ werden müsse. Auch Erdogan twittert munter weiter, genau wie allerhand afrikanische Diktatoren. Erdogan übrigens mobilisierte am Abend des sogenannten Militärputsches gegen ihn via Twitter seine Anhänger. Das war der Auftakt zu seinem Gegenputsch und einer Säuberungswelle. Aber Twitter hält bei echten Despoten die Füße still, man will ja die Märkte nicht verlieren.
Nun war Trump ein Präsident, der mit Twitter einen neuen Zugang zu den Wählern gefunden und Entscheidungen weltpolitischer Tragweite darüber kommuniziert hat. Da der gesamte Verlauf gelöscht wurde, ist auch eine historische Aufarbeitung nicht mehr möglich. Trump soll wie ein kurzzeitiger Betriebsunfall aus dem kollektiven Gedächtnis gelöscht werden. Dieser Versuch sagt viel aus über Twitter und die geistige Verfassung der neuen Regierung des alten Establishments der USA. Es erinnert an die UdSSR, die den Helden der Roten Armee aus jenem Foto hat herausretuschieren lassen, das ihn an die Rednertribüne Lenins gelehnt zeigt und seine Nähe zu Lenin demonstriert. Geschichte, die nicht ins Konzept passt, wird gelöscht. So einfach soll das gehen.
Politiker der Democrats feiern diese Entscheidung, ein Senator sagt gar „Vielen Dank @twitter für diese Maßnahme. Wir müssen als Land zusammenkommen, um zu heilen und einen gemeinsamen Weg vorwärts zu finden.“ Bidens großes Gerede von der „Heilung“ besteht also erstmal darin, seinen politischen Gegner zum Schweigen zu bringen. Einen gemeinsamen Weg finden? Ganz einfach: Man bringt alle zum Schweigen, die einen anderen Weg wollen. So siegt solche Demokratie ganz bestimmt.
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