Tichys Einblick
Auswege nicht in Sicht

Das Misstrauen wächst auf allen Seiten

Die alltäglich gewordene Farbenlehre und warum wir den Krisenherden der Welt gedanklich immer näher kommen – wo sind die deutschen Ingenieure des „Social Engineering“?

Nach Berlin ist nichts mehr, wie es war. Das Misstrauen wächst auf beiden Seiten. Wer heute in einem deutschen Discount-Markt einträchtig zwischen Deutschen und klar als Südländern erkennbaren Menschen einkauft, spürt die emotionsgeladene Atmosphäre. Spüren Sie es auch, oder ist das nur Einbildung? Von Willkommenskultur keine Spur mehr. Die sonst vorherrschende, dem zentraleuropäischen Wesen entsprechende reservierte Freundlichkeit Fremden gegenüber ist einer lauernden Wachsamkeit gewichen.

Wann löst mein Gegenüber den Sprengstoffgürtel aus, wird er unvermittelt in einen langgezogenen Schrei Gotteslobes ausbrechen oder mir in der nächsten Gasse an die Wäsche gehen? Führende Politiker der Groko würden sich – darauf angesprochen – weigern, besorgten Gesichts von Ängsten zu sprechen, die ernst genommen werden müssen. Das aus einem gewissen Unbehagen nun zu einem tiefen Misstrauen mutierte Gefühl ist für deutsche Politiker ein Schreckensszenario, denn es spielt denjenigen, die einfache Lösungen versprechen, direkt in die Hände. Es wird die ohnehin bereits grossflächig angelaufene freiwillige Abgrenzung bei Bildung, Kaufen, Freizeit und Wohnen weiter anheizen.

Würde Angela Merkel heute ihre unbekümmerte Aufforderung, einfach mal einen Geflüchteten kennenzulernen, wiederholen? Die Brisanz solch einer Aussage wäre wohl selbst ihr zu groß. Diese Entwicklung hinterlässt auch ihre Spuren an den Nicht-Einheimischen: Diejenigen, die es ohne ärztlich attestierte seelische Leiden bis hierher geschafft haben, unterschätzen das zusätzliche gesundheitliche Risiko, das sie durch die Wahl einer ungewohnten neuen Umgebung eingehen. So ausgelöste Angststörungen können wiederum zu erhöhter Aggressivität führen, über die derzeit verstärkt berichtet wird.

Migranten fühlen selbstverständlich den Generalverdacht, der wie ein Damokles-Schwert nun über allen Kontakten mit dem Neuland schwebt. Wer bisher schon gezweifelt hat, ob er jemals wirklich hier ankommen kann, wird entmutigt, wer den Dschihad schon im Herzen trägt, ermutigt. Die Sprachlosigkeit wird nicht abnehmen, sondern zu, auch weil man sich im Umgang auf immer knappere Kommunikation beschränken wird.

Fahrlässige Kategorisierung
Einheits-Tätermerkmal: psychisch gestört
Es hat keinen Sinn, mit dem Moslem tiefsinnige Gespräche zu führen, wenn man sowieso glaubt zu wissen, wie er gestrickt ist. Gift für jeden Erwerb der deutschen Sprache. Kluge Strategien, wie diesem Dilemma begegnet werden kann, bleiben alle Vertreter von Politik und Migrantenorganisationen schuldig. Der Deutsche Michel ist scheinbar endgültig dazu übergegangen, seine eigene präventive Distanz zu wahren, die in einigen Ländern in Sicherheitskreisen bereits zum Standard gehörende Einstufung von Gefährdern nach Herkunft und Aussehen (engl. racial profiling). Das Wort „Rasse“ wird in Deutschland ungern gebraucht, offiziell eingesetzt wird der Anglizismus „Ethnisches Profiling“ oder das längere „Fahndung nach rassischen Merkmalen“. (Wann wird es sich rumsprechen, dass es Menschen-„Rassen“ gar nicht gibt?) Die Methode wurde von Frau Peter im Zusammenhang mit der deeskalierenden Einkesselung von Personen mit südländischem Aussehen durch die Polizei in der Neujahrsnacht grade wieder ins Gerede gebracht. Die Einordnung nach der augenscheinlichen „Rasse“ ist hierzulande eine genauso gefährliche Wortwahl wie die Verwendung von Volk in anderem Zusammenhang als Volksfest oder Volkswagen. Sagen Sie in Deutschland einer Dame einmal, sie hätte „Rasse“- was in den 60ern problemlos als Kompliment durchgegangen wäre, würde ihnen wohl eher eine Backpfeife einbringen.

Selbstredend ist die – auch verschärfend „institutionelle Form des Rassismus“ genannte – Einordnung nach Hautfarbe oder Herkunft durch Vollzugsorgane unfair und diskriminierend. Im Zeitalter menschlicher Zeitbomben und mörderischer Anschläge könnte man das aber, wie es die Behörden z.B. im Nahen Osten tun, mit dem Argument entkräften, dass die kleine Unannehmlichkeit, genauer befragt, untersucht oder etwas länger angehalten zu werden, durch den zu erwartenden Gewinn an Sicherheit aufgewogen wird.

Im Deutschen Alltag scheint sich diese Erkenntnis nun durchgesetzt zu haben, was natürlich niemand öffentlich zugeben würde. Das Zusammenleben mit „Südländern“ wird ab sofort noch eine Stufe sprachloser und insgesamt schwieriger. Für die allseits immer wieder gerne beschworene Integration bedeutet das den Umstieg zur Forderung: Assimilation oder Auswanderung. Nichts wird diese Entwicklung in den Herzen und Köpfen nun mehr aufhalten.

hart aber fair desillusioniert
hart aber fair auf Messers Schneide
Ali, Fatmah und Darshan laufen durch eine deutsche Großstadt. Sähen Sie aus wie Albert, Micha und Herbert, wäre das kein Problem. Man kann sich das Unbehagen des Einzelnen leicht ausmalen, wenn man möchte. Udo Jürgens wäre, wenn es nach seinem bemerkenswerten Bekenntnis in dem Lied „Griechischer Wein“ ginge, vor lauter Frust in die nächste Kneipe gegangen und hätte selbigen in Rotwein ertränkt. „Denn ich werde immer nur ein Fremder sein“  … “und allein“. Zumindest den zweiten Teil des Refrains haben die hiesigen „Südländer“ durch große Familien, Nachzug und den Rückzug in immer mehr ethnisch homogene Stadtteile für sich bewältigt. Die von Jürgens empfohlene Integration durch gemeinsame Besäufnisse oder Einnahme von Gebratenem Typ Spanferkel, was in Bayern erheblich zur Integration beigetragen haben soll, erübrigt sich für viele Zugewanderte aus dem islamischen Raum wegen der einzuhaltenden Diät.

Die Masse machts. Dieser Maxime folgten auch die großen Gruppen von „Südländern“, die sich zum zweiten Male in die Nähe des dritthöchsten Kirchengebäudes der Welt in Köln am Rhein gezogen fühlten. Sie suchen Schutz in der Geborgenheit der Gruppe und verbreiten doch Angst. Sie wollen verstanden und respektiert werden, erreichen aber genau das Gegenteil durch ihr Auftreten. Wo soll das nur hinführen, fragt sich der besorgte Bürger?

Wie ein roter Faden ziehen sich Auseinandersetzungen zwischen Minderheiten, verschiedenen Ethnien, Nachbarn, Religionen und Sippen durch die Geschichte, auch durch die deutsche. Vor kaum 90 Jahren tobte der entfesselte Rassenwahn der Nazis durch Europa. Welcher Anlass hat die meisten Waffengänge ausgelöst – Streben nach Unterjochung fremder Völker, Landnahme oder Raub von Sabinerinnen? Am Anfang eines Bürgerkrieges steht fast immer die Misshandlung von und Auseinandersetzungen mit Minderheiten, zwischen religiösen Gruppen oder Reich und Arm. Selbstbewaffnung ist dann Schritt, der die Lunte an das Pulverfass legt.

Erinnert sei an den 30-jährigen Krieg, an die Jahrhunderte alten Fehden zwischen Polen und Deutschen in Schlesien, dem religiösen Irrsinn der Bürgerkriege in Nordirland, dem Nahen Osten oder die eigentlich nach europäischen Maßstäben durch eine Kleinigkeit ausgelöste Blutfehde zwischen Schiiten und Sunniten. All diese Nachbarschafts- und Bruderkriege betrafen immer Menschen, die eigentlich für sich gesehen friedliche, geruhsame Zeitgenossen waren und sind. Das half alles nichts: Es kann keiner in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. So wie die Bewohner der Kyreneika sich nach jahrezehntelanger Ruhe gegen die „Bösen“ aus Tripolis, die aus der Ost-Ukraine gegen die aus dem Westen, die Chinesische Minderheit gegen die Staatsgewalt in Myanmar, die Armen Hindus gegen die Reichen Sikhs wandten, läuft es fast immer ab.

Übernahme statt Integration
Das Impulspapier zur Desintegration – Özoguz lässt die Maske fallen
Zunächst jahrelanges Gekeife und Gezänk hinter vorgehaltener Hand, DIE haben wieder das und das gemacht, sind alles Unruhestifter und Bösewichter, mit denen man nicht reden kann, die nur eine Sprache verstehen … dann das „Großreinemachen“. Man kann es DENEN endlich mal zeigen. Wie weit ist Deutschland davon weg? Wer soll das reparieren oder kitten? Und weil die friedliche Mehrheit in unserem Land merkt, dass da ein riesiges Potential an Zwist aufgebaut wird, ruft die eine Seite immer wieder und immer lauter nach Ordnung und Sauberkeit, nach den guten alten 80ern, und die andere nach Hektolitern finanziellem und sozialtherapeuthischem Balsam, der über die schwärende Wunde in der Gesellschaft gekippt werden soll. Wer wird zwischen diesen beiden Polen vermitteln ? Wer ist die Leitfigur, die unversöhnlichen Standpunkte innerhalb Europas wieder zu versöhnen versteht? Es ist weit und breit niemand zu erkennen, der dieses Format hätte.

In Belfast und im Westjordanland wurden Mauern gebaut, um die Einen davon abzuhalten, den Anderen ständig an die Gurgel zu gehen. Wann ist es hierzulande soweit? Wann wird die erste Prozession von Schiiten, natürlich völlig friedlich, am Kerbela-Tag in Ausübung des freien Versammlungsrechts durch ein „christliches“ oder „sunnitisches“, wann werden Kurden durch ein türkisches Wohnviertel mit genauso friedlichen Absichten ziehen, wie sie in festliches orangefarbenes Ornat drapierte Männer in der Provinz Ulster bis heute vorgeben, wenn Sie ein katholisches Viertel gemessenen Schrittes durchqueren?

Es ist an der Zeit, dass sich führende Denker in diesem Land mit der Problematik ehrlich auseinandersetzen und Lösungswege aufzeigen, egal wie anstrengend und schmerzlich dieser Denkprozess und seine Konsequenzen sein könnten.

Emil Kohleofen ist freier Publizist.