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Das Ende des Anstands bei der SPD

Das Ende des Anstands bei der SPD. Doch die Nazikeule zu schwingen, wird die einstmals stolze Arbeiterpartei nicht retten.

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Mit zornbebender Stimme sagte der Abgeordnete im Deutschen Bundestag: «Herr Gauland, die Menge von Vogelschiss ist ein Misthaufen, und auf den gehören Sie in der deutschen Geschichte.» Damit nahm der gescheiterte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz Bezug auf die unglückliche Behauptung des AfD-Fraktionsführers Alexander Gauland, dass das Dritte Reich nur ein Vogelschiss im Verlauf der langen deutschen Geschichte sei.

Dunkle Stunde des Parlaments
Im Bundestag entgleist der voll besetzte Schulz-Zug
Dieses Zitat von Gauland hat es verdient, niedergemacht zu werden. Aber was sagte der in seiner Rede, zu der sich Schulz mit dieser Zwischenfrage äusserte? Gauland hatte sich erlaubt, darauf hinzuweisen, dass das «wirklich schlimme Ereignis in Chemnitz die Bluttat zweier Asylbewerber war», und nicht das «widerliche» Zeigen von Hitlergrüssen, was im Übrigen in Deutschland «auch strafbar ist». Den Asylanten alle Schuld zuzuschieben, also einer Minderheit, so der zornbebende SPD-Parlamentarier, sei «ein tradiertes Mittel des Faschismus».

Mit dem Zeigefinger fuchtelnd fuhr Schulz fort: «Die Migranten sind an allem schuld. Eine ähnliche Diktion hat es in diesem Hause schon einmal gegeben! Und ich finde, es ist Zeit, dass die Demokraten in diesem Lande sich gegen diese Art der rhetorischen Aufrüstung, die am Ende zu einer Enthemmung führt, deren Resultat Gewalttaten auf den Strassen ist, es ist Zeit, dass die Demokratie sich gegen diese Leute wehrt.»

Man muss ihn vollständig zitieren, um das ganze Ausmass der perfiden Demagogie kenntlich zu machen. Wer sich die Mühe macht, die offensichtlich bewusst staatstragende Rede von Gauland zu lesen, stellt fest, dass der keineswegs den Migranten die Schuld an allem zugeschoben hatte. Gauland hatte lediglich darauf hingewiesen, dass die unkontrollierte Masseneinwanderung zu Besorgnis und Ängsten in der Bevölkerung geführt habe, die sich von den Regierenden in ihren Anliegen nicht ernst genommen fühlt. Während Schulz die Ursache von Gewalttaten in der «rhetorischen Aufrüstung» der AfD sieht. Das steht in der Tradition des Solidaritätskonzerts in Chemnitz, wo die Tötung eines Deutschen durch mutmasslich zwei Asylbewerber in ein «Gedenken der Opfer rechter Hetze» umgedeutet wurde.

In seiner Rede zitierte Gauland auch mit grossem Vergnügen aus der Weltwoche die ehemalige Grüne Antje Hermenau. Die sass 25 Jahre für die Grünen im Bundestag und im sächsischen Landtag und sagt heute: «Dann kam die Finanzkrise, und plötzlich hatte es haufenweise Geld für die Griechen, die sich in die EU hineinbetrogen hatten. Und heute die Flüchtlinge: Die bekommen Geld, ohne zu arbeiten. Das empfinden die Leute als ungerecht. Zu Recht!»

TE 06/2018
Boris Palmer: „Die Nazikeule zieht nicht mehr“
Also selbst Politiker, denen man mit dem schlechtesten Willen nicht vorwerfen kann, angebräunt zu sein, benennen Probleme, die die Menschen in Deutschland umtreiben. Und dazu gehört sicherlich nicht, ab wann das Wort «Hetzjagd» verwendet werden darf und wann nicht und ob einer entlassen gehört, wenn er die Verwendung bezweifelt. Und alle diese deutschen Bürger, die in Umzügen mitmarschierten, in denen einige unverbesserliche Hohlköpfe den Hitlergruss zeigten und dummes Zeugs grölten, sehen sich nun als Nazis beschimpft. Genau wie Gauland im Deutschen Bundestag.

Nach Schulz legte noch ein weiterer SPD-Abgeordneter nach, zur AfD-Fraktion gewandt: «Schauen Sie in den Spiegel, dann wissen Sie, was diese Republik in den Zwanzigern und Dreissigern ins Elend geführt hat.» Also Gauland als der neue Führer, die AfD als die Nachfolgeorganisation der NSDAP. Dass die Masseneinwanderung in Deutschland auch braunen Schlamm aufgewühlt hat, ist genauso unbestreitbar wie die Tatsache, dass die AfD sich nicht genügend dezidiert von diesem Sumpf distanziert. Aber ihr Erfolg als Protestpartei liegt in erster Linie darin begründet, dass sie solche Sorgen der Bevölkerung artikuliert und nicht denunziert oder unter den Generalverdacht des Faschismus stellt.

Dass sich ausgerechnet die SPD im schrillen Ton vergreift, ist kein Zufall. Nicht nur die ehemalige Grüne Hermenau sieht das Versagen der Regierungsparteien: «Aus Berlin kommen bekloppte Durchhalteparolen» wie vor dem Ende der DDR. Die SPD greift zu besonders schrillen Tönen, weil sie noch mehr als die CDU befürchten muss, als Volkspartei abgedankt zu haben.

So ist die AfD laut neusten Meinungsumfragen in Deutschland in der Wählergunst bereits vor der SPD, in der ehemaligen DDR ist sie sogar die stärkste Partei.

Die Nazikeule zu schwingen und im Bundestag jegliche Hemmungen fallen zu lassen, wie ein Hahn auf dem Mist zu krähen, das wird die einstmals stolze Arbeiterpartei nicht retten.


Dieser Beitrag ist zuerst bei der Basler Zeitung erschienen