Tichys Einblick
CDU und CSU, das ist wie ….

CDU und CSU: Wenn eine Stiefschwester der anderen in die Suppe spuckt

Wie schnell man weg ist vom Fenster, belegte die vormalige italienische CDU-Schwesterpartei Democrazia Cristiana, als sie sich zwischen 1990 und 1994 atomisierte und von der Bildfläche verschwand. Die Europawahl im Mai 2019 könnte der Anfang dieser Atomisierung sein.

Morris MacMatzen/AFP/Getty Images

Nein, wir wollen bei der Betrachtung des Verhältnisses der „Schwestern“ CDU/CSU keine Parallelen herstellen zum Grimm’schen Märchen von Aschenputtel (modernisiert als Cinderella), die von Stiefmutter und Stiefschwestern gepisackt wird und am Ende ihren neidzerfressenen Stiefschwestern doch den Prinzen wegschnappt. Allein schon die Frage, wer in der Beziehungskiste CDU/CSU die Stiefmutter ist, wäre zu anspruchslos.

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Aber ein Parallele gibt es doch: Die Schwestern CDU und CSU „lieben“ sich mittlerweile wie verfeindete Stiefschwestern. Hier ein erster aktueller Beweis: Just am Tag der bayerischen Landtagswahl spuckt ein hochrangiger CDU-Grande der CSU in die Suppe. Mit Volker Bouffier tut dies immerhin einer der Stellvertreter der CDU-Vorsitzenden Merkel. Bouffier in der Welt am Sonntag vom 14. Oktober 2018: Die CSU sei „leider in den letzten Monaten für das Ansehen der Union insgesamt nicht besonders hilfreich“ gewesen. „Die CSU hat die Union in der letzten Zeit viel Vertrauen gekostet … Man kann nicht über Monate den Eindruck erwecken, dass vieles durcheinander geht und die Regierung nicht handlungsfähig ist, und dann erwarten, dass die Leute der Union vertrauen.“ Zur Debatte über die Zurückweisung von „Flüchtlingen” an den Grenzen, für die sich vor allem Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) stark gemacht hatte, sagte Bouffier: „Wer die Backen aufbläst und den Leuten erzählt, jetzt alles zu lösen, und am Ende gelingt die Zurückweisung von nur einer Handvoll Migranten im Monat, der macht sich unglaubwürdig.“

Das ist starker Tobak, den der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Bouffier hier von sich gab. Wäre er CSU-Mitglied, müsste er wegen parteischädigenden Verhaltens vor ein Parteischiedsgericht gestellt werden. Hat er etwa im Auftrag von Merkel gesprochen? Oder hat er für die Hessenwahl am 28. Oktober jetzt schon die Hosen voll und konstruiert sich mal prophylaktisch Schuldige? Grund dafür hätte er, denn es droht der hessischen CDU ein Absturz von den 38,3 Prozent des Jahres 2013 auf demnächst etwa 30 Prozent. Das würde nicht zur Fortsetzung einer Koalition mit den Grünen reichen.

Auch Muttis norddeutscher Prinz Daniel Günther (CDU) heult im Chor gegen die CSU mit. Er, Schleswig-Holsteins Ministerpräsident, fordert nach der bayerischen Landtagswahl „drastische Veränderungen im Verhalten der Christsozialen“ und empfiehlt der Schwesterpartei personelle Konsequenzen.

Daniel Günther, das ist übrigens derjenige, der sich – ehe er wieder zurückruderte – Mitte August 2018 für Koalitionen der CDU mit der Links-Partei ausgesprochen hatte. Daniel Günther ist auch derjenige, der es mit dem neuen „grünen“ Vorsitzenden Robert Habeck sehr gut kann. Mit „großem Bedauern“ hatte er dessen Ausscheiden aus der Kieler Landesregierung und dessen Wechsel an die Spitze der Grünen entgegengenommen. Habeck allerdings tickt wie folgt: In einem im April 2018 auf dem „Informr“-Debattenkanal veröffentlichten Interview sollte Habeck seiner Assoziation zum Begriff „Volksverräter“ freien Lauf lassen. Das tat er dann so: „Ist ein Nazibegriff. Es gibt kein Volk, und es gibt deswegen auch keinen Verrat am Volk. Sondern das ist ein böser Satz, um Menschen auszugrenzen und zu stigmatisieren.“ Oder kürzlich hatte er getwittert: „Sonntag wählt #Bayern. Endlich gibt es wieder Demokratie in Bayern. Eine Alleinherrschaft wird beendet. Demokratie atmet wieder auf.“ Welch arrogant monopolistischer Anspruch, Demokratie zu definieren und Millionen bayerischer Wähler zu diskreditieren, die über Jahrzehnte hinweg CSU gewählt hatten! Zurück aber Habecks Prinzenfreund Daniel: Sage mir, welche Freunde du hast, und sich sage dir, wie du tickst.

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Den Vogel abgeschossen freilich hat einer der wenigen verbliebenen 31 Abgeordneten der CDU im Abgeordnetenhaus Berlins (also einer von 160 insgesamt). Maik Penn heißt der junge Mann. Auf Facebook schreibt er: „Bouffier liegt vollkommen richtig – die CSU hat den Bogen überspannt. Noch deutlicher kann es ja nicht werden, wenn man die Wählerwanderung ausgerechnet zu den Grünen betrachtet. 100 % wird Seehofer seinen Hut nehmen müssen.“ Aha, noch ein CDU-Stratege, der weiß, wie man Wahlen gewinnt. Seine Berliner CDU hat freilich in Berlin bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus 2016 gerade eben 17,6 Prozent erreicht – ziemlich gleichauf mit der Links-Partei (15,6), den Grünen (15,2) und der AfD (14.2 Prozent).

Alles in allem: Eine CDU, die solche Strategen hat, muss sich nicht wundern, wenn sie mehr und mehr – weit von 37,2 CSU-Prozenten entfernt – zur marginalen Größe wird. Wie schnell man dann weg ist vom Fenster, hat die vormalige italienische CDU-Schwesterpartei Democrazia Cristiana (DC) belegt, als sie sich zwischen 1990 und 1994 atomisierte und von der Bildfläche verschwand. Die Europawahl im Mai 2019 könnte der Anfang dieser Atomisierung sein. Denn als einzige EU-kritische Partei wird die AfD dann gefährlich an die CDU heranrücken.


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