Tichys Einblick
Ideologie- und Lobby-Projekt nimmt seinen Weg

Nun denkt wenigstens der Bundesrat an die Kinder

Am 20. Oktober 2023 hat sich der Bundesrat mit dem Entwurf des Selbstbestimmungsgesetzes in Bezug auf den Geschlechtseintrag befasst. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die vorgelegten Pläne die verfassungsrechtlich gebotene Stellung der betroffenen Kinder als Subjekte mit eigenen Rechten ausblenden.

IMAGO
Die Bundesregierung hat am 23. August 2023 den Entwurf eines „Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag“ (SBGG) auf den Weg gebracht. Federführend waren Familienministerin Lisa Paus (Grüne) und Justizminister Marco Buschmann (FDP). Es scheint daraus ein hochideologisiertes Gesetz zu werden, das für Mini-Minderheiten gilt, das wortgewaltige, medial präsente Lobbyorganisationen zufriedenstellt und das im Detail mehr Probleme aufwirft als löst.

Bezeichnenderweise gab es zum vorletzten Entwurf des SBGG von außen 54 überwiegend zustimmende Stellungnahmen von Verbänden, darunter fast zwanzig aus dem Spektrum von LSBTIQ (Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche und queere Menschen). Und auch kirchliche Einrichtungen wie der Bund Deutscher Katholischer Jugend (BDKJ), das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), die Diakonie Deutschland und die Evangelische Arbeitsgemeinschaft Familie ließen es sich nicht nehmen, das SBGG zu begrüßen oder gar als nicht weitreichend genug zu kritisieren.

73 Seiten umfasst der Entwurf nun. Es sind zwar nur insgesamt 15 Paragraphen. Letztere machen im Entwurf allerdings nur sechseinhalb Seiten aus. Hinzukommt die Darstellung der Auswirkungen auf andere Gesetze, als da sind: Passgesetz, Bundesmeldegesetz, Personenstandsgesetz, Personenstandsverordnung, Rechtspflegegesetz, Bundeszentralregistergesetz, Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Gerichts- und Notarkostengesetz, Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz, Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Hinzukommen ferner weitschweifige Erklärungen. Inkrafttreten soll das SBGG am 1. November 2024.

Was mit dem SBGG kommt

Für Minderjährige bis 14 Jahre sollen nur die Sorgeberechtigten die Änderungserklärung gegenüber dem Standesamt abgeben können. Minderjährige ab 14 Jahren sollen die notwendige Erklärung selbst abgeben können; die Erklärung bedarf der Zustimmung der Sorgerechtsberechtigten. Stimmen die Sorgerechtsberechtigten nicht zu, kann diese Zustimmung – wie in anderen familienrechtlichen Fällen – vom Familiengericht ersetzt werden; dies allerdings nur dann, wenn die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen dem Kindeswohl nicht widerspricht.

Nach einer erfolgten Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen soll für eine erneute Änderung eine Sperrfrist von einem Jahr gelten. Auf Grundlage des Gesetzes kann ein Bußgeld verhängt werden, wenn jemand die Änderung des Geschlechtseintrags von transgeschlechtlichen, nichtbinären oder intergeschlechtlichen Personen gegen deren Willen offenbart und dadurch die betroffene Person absichtlich schädigt (sog. Offenbarungsverbot). Eine Bußgelddrohung von 10.000 Euro ist angesichts der Tatbestandsvoraussetzung der absichtlichen Schädigung der betroffenen Person angemessen (Zusammenfassung hier).

Das „Saunaproblem“, das heißt: die Frage, ob Transfrauen, also vormalige oder biologisch immer noch Männer, in die Frauensauna gehen dürfen, wird auf die Ebene vor Ort verlagert. Der Saunabetreiber soll das entscheiden dürfen. Noch.

Auch die Bedenken des Bundeskriminalamtes (BKA), dass straffällige Personen mit dem SBGG einfach ihren Namen ändern könnten, um einer Strafverfolgung zu entgehen, wurden vom Tisch gewischt. Denn voraussichtlich sollen zuständige Standesämter die Daten bei den Anträgen an die Meldebehörden, also auch die Strafverfolgungsbehörden, weitergeben. Diese schauen dann, ob gegen die Person bereits ein Verfahren oder eine Fahndung läuft. Ist das nicht der Fall, sollen die Daten direkt wieder gelöscht und nicht gespeichert werden. Falls es doch der Fall ist, wissen die Sicherheitsbehörden, dass die Person einen neuen Namen angenommen hat, und können das registrieren. Wir sind schon mal gespannt, wie die Datenschutzbeauftragten das sehen.

Wenigstens der Bundesrat denkt an die Kinder

Interessanterweise geht der Regierungsentwurf der „Ampel“ davon aus, dass das SBGG keiner Zustimmung des Bundesrates bedarf. Wiewohl ja in der Umsetzung des SBGG Kommunal- und Landesbehörden sehr impliziert sind. Jedenfalls wird der SBGG-Entwurf eingeleitet mit dem Satz: „Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen.“ Und nicht mit dem Satz: „Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen.“

Am 20. Oktober 2023 nun hat sich der Bundesrat dennoch mit dem SBGG-Entwurf befasst. Sechs Seiten weist der Bundesrat mit 8 Monita aus. Vor allem das Monitum Nr. 8 hat es in sich. Denn der Bundesrat ist der Auffassung, dass die vorgelegten Pläne die verfassungsrechtlich gebotene Stellung der betroffenen Kinder als Subjekte mit eigenen Rechten gemäß Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes ausblenden.

Der Bundesrat kritisiert: Zu den Kindern unter 14 Jahren soll es dem Gesetzentwurf zufolge ohne jede Beratung, Prüfung und Erforschung des Kindeswohls und -willens von außen allein der elterlichen Entscheidung überlassen sein, den Geschlechtseintrag und den Vornamen des Kindes zu ändern. Der Alleinentscheidung der Eltern steht weder ein Prüfungsrecht des Standesamts als
Korrektiv gegenüber noch sind anderweitige Regelungen enthalten, die den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts schon kleinster Kinder und ihre Subjektstellung verfahrensrechtlich berücksichtigen, die laut Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts aber schon von Verfassungs wegen hinreichende Berücksichtigung erfahren müssen. Dies stehe in eklatantem Widerspruch etwa zur kindzentrierten Ausgestaltung familiengerichtlicher Verfahren, in denen Kinder persönlich angehört werden, Richter sich einen persönlichen Eindruck von ihnen – selbst im Kleinstkindalter – verschaffen müssen, wie im Übrigen die Bestellung eines Verfahrensbeistands zu ihrer Interessenwahrnehmung möglich ist.

Ein wenig Vorgeschichte und Hintergrund

Einen Vorstoß, der schon in Richtung „Selbstbestimmungsgesetz“ wies, hatten die damaligen Oppositionsfraktionen der „Grünen“ und der FDP bereits in der letzten Legislaturperiode von 2018 bis 2021 gemacht. Im „Ampel“-Koalitionsvertrag vom Dezember 2021 wurde die Sache auf Seite 95 unter „Queeres Leben“ mit Zielrichtung eines neuen Gesetzes konkretisiert.

Der regelrechte Hype um „Trans*“ war indes vorher schon regierungsamtlich begleitet worden von einer Info-Kampagne. Nämlich schon seit „Merkel“-Zeiten. Auf dem Portal des Familienministeriums hatte es damals zum Beispiel – adressiert an Heranwachsende – zu Pubertätsblockern geheißen: „Bist du noch sehr jung? Und bist du noch nicht in der Pubertät? Dann kannst du Pubertäts-Blocker nehmen. (…) Diese Medikamente sorgen dafür, dass du nicht in die Pubertät kommst.“ Seit 2022 heißt es nun etwas vorsichtiger: „Bist du noch sehr jung? Und bist du noch nicht in der Pubertät? So kannst du deinen Arzt/deine Ärztin fragen, ob dir Pubertätsblocker vielleicht helfen könnten.“ Interessant gleichwohl: Die CDU-Präsidin Julia Klöckner hatte sich im Jahr 2022 über den Text des BMFSFJ echauffiert, aber wohl nicht zur Kenntnis genommen, dass der bisherige Text aus der Merkel-Zeit stammt. Familienministerin war in der Großen Koalition von 2018 bis zu ihrem Rücktritt im Mai 2021 Franziska Giffey (SPD).

Heute lesen wir im „Regenbogenportal“ aber auch: „Für ältere Kinder besteht die Möglichkeit der Gabe von sogenannten Pubertätsblockern. Sie verhindern das Einsetzen der von transgeschlechtlichen Kindern oft mit großer Abwehr und Not empfundenen Symptome der Pubertät (Menstruation, Brustwachstum bzw. Spermaproduktion, Stimmbruch, Behaarung). Die Wirkung der Pubertätsblocker ist umkehrbar.“ Letzteres wiederum bestreiten viele Ärzte massiv.

Auf dem „Regenbogenportal“ findet man jedenfalls eine Flut an 91 „Infoartikeln“, 418 „Angeboten“, 565 „Materialien“, ein „Verzeichnis für queerfreundliche und sensibilisierte Ärzt*innen & Therapeut*innen“. Das Ganze auch in arabischer und türkischer Sprache. Betrieben wird dieses Portal von der Internetredaktion des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Ministerin ist die „Grüne“ Lisa Paus, ihr Vize ist der Parlamentarische Staatssekretär Sven Lehmann (ebenfalls „Grüne“); seit 5. Januar 2022 ist Lehmann zugleich der „Queer-Beauftragte der Bundesregierung“. „Welches Geschlecht ein Mensch hat, kann kein Arzt von außen attestieren“, hatte er im Februar 2022 gegenüber 3sat behauptet. Denn über die sexuelle Identität könne nur die betreffende Person selbst Auskunft geben.

Es stellt sich jedenfalls die Frage, ob der Hype um „Trans*“ nicht auch verantwortlich ist für die sprunghafte Zunahme des Krankheitsbildes der „Genderdysphorie oder Genderinkongruenz“. Damit ist der Zustand gemeint, bei dem eine Person sich „dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht“ (früher: „biologischen Geschlechts“) nicht mehr zugehörig fühlt, sich damit nicht identifizieren kann.

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