Tichys Einblick
7-Punkte-Plan: Ein Pilatus-Moment der Ampel

Berlin wälzt Verantwortung für Corona-Maßnahmen auf die Länder ab

Der Bund will sein Gesicht wahren, indem er die Länder mit den Folterinstrumenten ausstattet. Die FDP begeht in der Corona-Politik denselben Vertrauensbruch wie damals in der Euro-Politik.

IMAGO/Polical Moments, photothek/Collage: TE

In Berlin hat man gelernt. Nicht in den überlebenswichtigen Bereichen wie Außenpolitik, Sicherheitspolitik und Innenpolitik – sondern beim persönlichen Image. Die Regierung Scholz stellt sich im Gegensatz zur Regierung Merkel nicht in die erste Reihe der Bewegung.

Rückblick: Die Kanzlerin hatte mit ihren Ministerpräsidentenkonferenzen de facto ein neues Verfassungsgremium in der Corona-Krise geschaffen, mit dem sie die Ministerpräsidenten auf Linie brachte und ihre persönlichen Vorstellungen akzentuiert durchsetzen konnte. Das Kanzleramt war ein federführender Faktor. Es war Merkel, die eine „Osterpause“ andachte und wieder revidierte, und es war die Kanzlerin, die hinter Ideen wie der „Bundesnotbremse“ stand.

Lauterbach setzt sich durch
7-Punkte-Plan: Die Ampel gibt den Ländern die „Werkzeuge“ für den Corona-Winter in die Hand
Ein oberstes Ziel war die Vermeidung eines vermeintlichen „Flickenteppichs“. Als Argument galt, dass man den Bundesbürger bei verschiedenen Regeln in den Ländern nicht irritieren wolle. Aber auch das war nie Realität: Die Diskussion über die intrinsisch schwer verständlichen Regeln und Sonderregeln – in Bayern schärfer, in NRW lockerer – war auch damals aktuell. Ganz ohne Flickenteppich. Eher hatte man den Eindruck, man wollte einen Flickenteppich vermeiden, weil einige wenige Bundesländer dann nicht das harte Programm mitgespielt hätten.

Die Regierung Scholz spielt das Gegenprogramm. Der 7-Punkte-Plan ist kein Ergebnis einer Ministerpräsidentenrunde plus Kanzleramt, sondern ein Geschöpf von Gesundheits- und Justizministerium. Der Bund gibt nur zwei Punkte vor, die überall gelten sollen – Fernverkehr und Pflegeheime –, für den Rest sind die Länder nach eigenem Ermessen verantwortlich. Man überlässt dem Henker die Folterinstrumente, soll er damit tun, was er will.

"Es war nicht alles schlecht"
Die FDP ist in der Ampel inhaltlich erledigt
Die Bundesregierung imitiert damit einen Pilatus-Moment. Sie wäscht ihre Hände in Unschuld. Für die Verspottung und Kreuzigung sind andere verantwortlich. Der Pilatus der Gegenwart heißt Marco Buschmann (FDP). Was kann denn Berlin bzw. die FDP dafür, wenn Wüst, Kretschmann und Co. von den Maximalsanktionen gegen die Bevölkerung Gebrauch machen? Es war schließlich nur eine „Option“.

Während FDP-Politiker und -Mitglieder versuchen, sich als Verhüter schlimmerer Maßnahmen darzustellen und diese als vergleichsweise zahm herunterzuspielen, bleibt die Frage: im Vergleich zu was? Im Vergleich zu den nicht existenten Maßnahmen in anderen Ländern wie Polen oder Dänemark? Oder im Vergleich zur Aufhebung fast aller Maßnahmen in Frankreich?

Justizminister Buschmann hatte im November angekündigt, ein Ende aller Maßnahmen sei im März zu erwarten. Der Vertrauensbruch in der Corona-Politik unter der Ampel erinnert frappierend an den Vertrauensbruch in der Euro-Politik unter Schwarz-Gelb. Die Konsequenz damals: der Rauswurf der FDP aus dem Bundestag.

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