Tichys Einblick
Rechtsextremismus in der Bundeswehr

Bericht der Wehrbeauftagten: Kein Generalverdacht, aber letztlich doch

Trotz zusätzlicher Verdachtsfälle mit rechtsextremistischen Tendenzen bei Soldaten soll es keinen Generalverdacht geben. So behauptet es die neue Wehrbeauftragte. Die vorgeschlagenen Maßnahmen zeigen ein ganz anderes Bild.

Eva Högl

imago images / Christian Spicker

In Anbetracht ihrer politischen Schwerpunkte war zu befürchten, dass die neue Wehrbeauftragte Eva Högl, die nach der turbulenten Ausbootung des allseits anerkannten Vorgängers Hans-Peter Bartels auf Betreiben der SPD-Linken auf den Thron gesetzt wurde, mit einer „Herrschaft des Verdachts“ gegen alles, was sich als rechts einstufen lässt, an die Sache heran geht. TE berichtete.

Nun gilt es anhand des ersten Jahresberichtes zu prüfen, was daraus geworden ist. Die 60 Mitarbeiter der Dienststelle der Wehrbeauftragten hatten im vergangenen Jahr 2753 Eingaben zu bearbeiten. Seit 1959 gibt es den Wehrbeauftragten, mithin ist dies der 62. Jahresbericht, der dem Bundestag und der Öffentlichkeit vorgelegt wurde. Mit 150 Seiten hat er um ein Viertel zugelegt, mindestens quantitativ stößt er also zu neuen Ufern vor.

Pandemie und Bundeswehr

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Dafür gibt es zunächst mit der Covid-19-Pandemie einen nachvollziehbaren Grund. Die Seuche belastete und beschäftigte wie die ganze Gesellschaft auch die Bundeswehr: verkürzte Ausbildung, abgesagte Lehrgänge, ausgefallene Übungen, mehrfache Quarantäne vor und in Einsätzen, Heimarbeit, Videokonferenzen, Hygienekonzepte, Masken, Abstand und Amtshilfe waren die Stichworte. Die Pandemie fand demzufolge Eingang in den Jahresbericht, dafür sorgten allein schon rund 500 darauf bezogene Eingaben. Mit Stand 8. Februar 2021 wird angegeben, dass „neben der nahezu vollständigen Einbindung des medizinischen Personals des Sanitätsdienstes rund 11.900 Soldaten im Einsatz gegen das Virus gebunden“ waren. Darüber hinaus wurden 25.000 Militärs in Bereitschaft gehalten und über 3.400 Amtshilfeersuchen erledigt. Högl schlägt dafür eine Einsatzmedaille vor, mittels derer das herausragende Engagement eine verdiente Anerkennung erfahren sollte. Blech an der Brust als Lohn für den Dienst an der Gesellschaft könnte man das spöttisch nennen.

Dass die Bundeswehr dabei auch merkwürdige Pirouetten schlägt, wird am Beispiel des Mundschutzes für Panzerbesatzungen deutlich. Nachdem man feststellte, dass dadurch Objektive und Linsen beschlugen und die Masken durch Staub und Schweiß rasch unzumutbar wurden, setzte man die Tragepflicht aus. Erstaunlicherweise ohne jahrelange Studien und Untersuchung alternativer Schutzmöglichkeiten (Achtung Sarkasmus). Wie werden sich auch Soldaten in zivilen Hotels vorgekommen sein, die bei Quarantäneaufenthalten vor Auslandseinsätzen außerhalb der Hotelzimmer die ABC-Schutzmasken tragen mussten. Eine irre Vorstellung.

Eva Högl sitzt seit 2009 für die Berliner SPD im Bundestag. Mit der Bundeswehr hatte sie bisher nur am Rande zu tun und zwar als Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium zur Überwachung der Geheimdienste. Auch als SPD-Obfrau im NSU-Untersuchungsausschuss bekam sie in Teilen Einblick in Extremismusfälle der Armee. Für die Süddeutsche Zeitung reichte das aus, sie zur „profilierten Rechts- und Innenpolitikerin“ zu erklären. Immerhin ist sie als neue Wehrbeauftragte für die Wehrpflicht eingetreten. Nun nutzte Högl ihren ersten Jahresbericht gar zu einer deutlichen Kritik an ihrer Partei, die die zum Schutz der Truppe vorgesehene Bewaffnung von Drohnen (aus wahltaktischen Gründen) verhindert. Dabei könnte Deutschland ihrer Ansicht nach mit einem Mandat für bewaffnete Drohnen unter Beachtung des Völkerrechts und ethischer Grundlagen Standards für andere setzen. Recht hat sie – an dieser Stelle

Wiederholung bekannter Baustellen

Ansonsten geht Högl in ihrem ersten Jahresbericht nach bekanntem Bartels-Schema vor. Sie lässt sich aus über die Innere Führung, die finanzielle Ausstattung der Bundeswehr, über personelle, materielle und infrastrukturelle Defizite, die Digitalisierung und einiges mehr.

Die zur Situation der Bundeswehr wiederholten Klagen müssen an dieser Stelle nicht en Detail ausgeführt werden, es hat sich im vergangenen Jahr wenig getan. Große Beschaffungen haken nach wie vor, ein neues Sturmgewehr und ein Ersatz für den Schwerlasthubschrauber CH-53 lassen auf sich warten. Nicht viel besser sieht es bei persönlichen Ausrüstungsgegenständen wie Kälteschutzanzügen, Gehörschutz, Helmen und sogar Rucksäcken aus. Die sechsjährigen Versuche unter Ursula von der Leyen für Hunderte Berater-Millionen die Beschaffungsorganisation auf Vordermann zu bringen, haben offensichtlich wenig bewegt. So einen Großtanker Bundeswehr auf Vordermann zu bringen, ist zweifellos eine Herkulesaufgabe. Wer aber wie die vormalige Ministerin zielsicher die Armee gegen sich aufbringt, musste scheitern. Ihrer weiteren Karriere hat es immerhin nicht geschadet. 

„Fehlende oder nicht einsatzfähige Fahrzeuge, Hubschrauber und Schiffe, fehlendes Werkzeug, enorme Verzögerungen bei der Instandsetzung – das ist leider Alltag in der Truppe und ein häufiger Grund für die berechtigte Unzufriedenheit von Soldaten. Wir brauchen mehr Flexibilität, mehr Verantwortungsbewusstsein und klare Entscheidungsstrukturen.“ So wiederholt die Wehrbeauftragte Bartels frühere Klagen, ohne neue Akzente zu setzen. Die eine oder andere interessante Information ist dann doch dabei. Als späte Folgewirkung der Friedensdividende ist bei den Strahlflugzeugführern der Luftwaffe über die Hälfte der Dienstposten nicht besetzt (114 von 220). Hoch qualifizierte Flugzeugführer, die mangels klarer Flieger nicht fliegen konnten, haben reihenweise gekündigt und bei zivilen Fluggesellschaften angeheuert. Dieses Defizit zu beseitigen, ist teuer und langwierig. Vielleicht sollte nun bei der Lufthansa angeklopft und Piloten die Wiedereinstellung angeboten werden (Anmerkung des Verfassers). 

Högl weist zu Recht auf das steigende Durchschnittsalter der Soldaten hin. Im Vergleich zum Jahr 2012 – kurz nach Aussetzung der Wehrpflicht – sei es um immerhin drei auf 33,4 Jahre gestiegen. Folge der vermehrten Übernahme von auch Lebensälteren zum Berufssoldaten, der Verlängerung der Dienstzeiten sowie dem –pandemiebedingten – Rückgang der Neueinstellungen um bald 20 Prozent. Sollte diese Entwicklung anhalten, wird sich der politisch vorgegebene Zielumfang von 203.000 Soldaten im Jahre 2025 nicht erreichen lassen. Der demografiebedingte Rückgang der Jahrgangsstärken setzt den planerischen Wunschvorstellungen sowieso enge Grenzen. Ende 2020 waren oberhalb der Laufbahnen der Mannschaften über 20.000 militärische Dienstposten unbesetzt. An dieser Stelle wünscht sich der kundige Beobachter den kritischen Hinweis, dass die Bundeswehr in ihren unzähligen Ämtern, Stäben und Behörden genügend Speck auf den Rippen hat. Dort könnten Dienstposten zugunsten der Truppe eingespart werden, die Rufe nach zusätzlichem Personal sind daher billig. Aber woher soll eine Frau Högl das auch beurteilen können? Im Gegenteil: Sie fordert zusätzliches Personal für den Kampf gegen rechts – ein Kernbestandteil ihres ersten Berichtes.

Rechtsextremistische Tendenzen

Die Wehrbeauftragte widmet sich ausführlich dem ihrem linken Herzen nahe liegenden Feld: der Frage nach rechtsextremistischen Tendenzen in der Armee. Das Meldeaufkommen zu „extremistischen Verdachtsfällen“ habe mit 229 Meldungen gegenüber dem Vorjahr (197) nochmals zugenommen. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) meldete für das Jahr 2020 im Bereich Rechtsextremismus 477 neue Verdachtsfälle und in den Phänomenenbereichen Reichsbürger/Selbstverwalter und Islamismus 31 bzw. 48 neue Verdachtsfälle. In das Horn „Rechtsextremismus in der Bundeswehr“ wird derzeit mit Vorliebe mit dem Stichwort Kommando Spezialkräfte (KSK) gestoßen. Dort lag einiges im Argen, mehr als Einzelfälle waren aber nicht zu verzeichnen. Im vorliegenden Bericht wird betont, dass die Existenz einer „Schattenarmee“ nicht festgestellt werden konnte. Es ginge lediglich um „Beziehungsgeflechte“, „Kennverhältnisse“ und „Netzwerke“ zwischen einzelnen „Verdachtspersonen unterschiedlicher Qualität“. Auch der hinlänglich bekannte Fall „Oberleutnant A.“ musste mal wieder herhalten. Dass in der Vergangenheit aus Verdachtsfällen oftmals keine bestätigten Fälle geworden sind, wird wohlweislich verschwiegen. 

Idee richtig, Begründung eine Frechheit
Wehrbeauftragte Högl möchte die Wehrpflicht wieder einführen
Der MAD erfülle jedenfalls so Högl bei der Extremismusabwehr eine wichtige Funktion und sollte personell weiter gestärkt werden. Dass rechte wie linke oder auch islamistische Extremisten in der Armee nichts verloren haben, ist für jeden Demokraten unstreitig. Wohin soll dies aber führen? Der militärische Nachrichtendienst war im Jahr 2019 bereits auf 1255 Dienstposten angewachsen. Dass zu dessen Kernaufgaben auch andere Bereiche wie Spionage-, Sabotage- und Terrorabwehr gehören, soll dabei nicht unerwähnt bleiben. Für den Kampf gegen rechts sollen aber zusätzliche Hundertschaften zu einem Zielumfang von 1800 Dienstposten führen.

Damit kommt künftig rein rechnerisch ein MAD-Mitarbeiter auf weniger als 100 Soldaten. Ist das der Weg hin zum Politoffizier in jeder Kompanie? Derartige Verhältnisse stehen einer Demokratie nicht gut an, Gesinnungsschnüffelei hat bei uns nichts verloren. Dafür gibt es keinen besseren Kronzeugen als unser Grundgesetz. Nach Art. 3 Abs. 3 darf niemand wegen … seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Nicht zuletzt berührt das auch die Verpflichtung zur Kameradschaft gemäß § 12 Soldatengesetz. Dass damit nicht Straftaten verschwiegen werden dürfen, liegt unzweifelhaft auf der Hand. Aber wie soll ein vertrauensvolles Miteinander entstehen, wenn das Denunzieren unerwünschter Einstellungen zum vorbildhaftem Verhalten erklärt wird? 

Mit welchen Einzelmaßnahmen soll der beschworenen rechten Gefahr vorgebeugt werden? Im KSK seien erfolgversprechende Konsequenzen im Bereich Erziehung und politische Bildung gezogen worden. Ganz oben auf der Agenda stehe die politische Bildung, sie wird mal wieder als Patentrezept verkauft. “Bessere und intensivere Individual- und Teamcoachings und ein verpflichtender Basislehrgang KSK im Zentrum Innere Führung sind bereits angelaufen“ so Högl. Auch von einer Studie ist die Rede, die das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr durchführt. Na denn, ABM-Maßnahmen für Politologen und Sozialwissenschaftler also sind die Lösung.

So werden Bundeswehrsoldaten immer noch mehr zu Objekten der Einhegung nach pazifistischen Kriterien. Nachdem seit einigen Jahren alle Bewerber vor Einstellung gründlich durchleuchtet werden, kann die zusätzliche massive Aufblähung des MAD nur auf die aktiven Soldaten zielen, denen anscheinend systematisch misstraut wird. Was ist dies anderes als ein Generalverdacht? Jede Schmiererei und jedes Lied auf dem Index wird zur fragwürdigen Gesinnung und zum Verdachtsfall hochstilisiert. Das hat die Bundeswehr, das haben unsere Soldaten nicht verdient. Sie sind bis auf wenige Ausnahmen eine stabile Stütze unseres demokratischen Staatswesens. Der Historiker Sönke Neitzel kommt in seiner vergleichenden Untersuchung von Kaiserlicher Armee, Reichswehr, Wehrmacht, Nationaler Volksarmee und Bundeswehr zu einem ganz anderen Urteil: Extremismusfälle wie Franco A. müssten aufgeklärt werden, „… aber zu einem Generalverdacht gegenüber der gesamten Institution bestand kein Anlass.“



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