Tichys Einblick
Söder macht Ernst

Bayern stoppt Gendersprache – Bundesweit keine Einheitlichkeit in Sicht

An Bayerns Schulen, Hochschulen und Behörden darf nicht mehr gegendert werden. Die bereits geltende Verpflichtung für staatliche Behörden, die amtliche Regelung der deutschen Rechtschreibung anzuwenden, wurde nun laut Söders Staatskanzlei „klarstellend ergänzt“. Auch bundesweit geht der Trend weg von der Gendersprache – wenn auch uneinheitlich und teilweise verworren.

IMAGO
Bereits wenige Wochen nach der Landtagswahl vom 8. Oktober 2023 hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Schritte gegen die Gendersprache angekündigt. Nun hat Söders CSU/FW-Kabinett Ernst gemacht: Für Bayerns Schulen, Hochschulen und Behörden gilt ab sofort ein Verbot der Gendersprache. Die bayerische Staatsregierung änderte dafür am Dienstag, 19. März, die Allgemeine Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern (AGO). Die AGO verpflichtete die staatlichen Behörden und damit auch die Schulen zwar bereits jetzt, die amtliche Regelung der deutschen Rechtschreibung anzuwenden. Diese Regelung ist nun aber „klarstellend ergänzt“ worden, so heißt es aus Söders Staatskanzlei.

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Schreibweisen wie Gender-Gap, Genderstern, Doppelpunkt oder Mediopunkt (Bürger_innen, Bürger*innen, Bürger:innen, Bürger·innen) sind nun ausdrücklich unzulässig. „Das gilt unabhängig von etwaigen künftigen Entscheidungen des Rates für deutsche Rechtschreibung zu der Frage der Verwendung von Sonderzeichen“, hieß es aus der Staatskanzlei weiter. Das Verbot betreffe vor allem offizielle Schreiben, Internetseiten von Behörden und Schulen, Elternbriefe, Schulbücher, Internetseiten und Jahresberichte. Für Prüfungsarbeiten gilt: Gender-*, Gender_Gap und Co. sind zwar nur „als nicht korrekt“ anzustreichen, aber nicht als Fehler zu werten. Zudem sollen die Vorgaben für die Lernmittel angepasst werden. Die Kommunen müssen sich allerdings de jure nicht an die neuen Vorgaben halten, räumte Herrmann ein. Er gehe aber von einer Signalwirkung aus, wenn der Freistaat hier derart vorangehe.

Halten sich Lehrkräfte nicht an die Vorgaben, drohten ihnen dienstrechtliche Konsequenzen, so Herrmann. Welche Konsequenzen drohen, erklärte er nicht. Auf Nachfrage sagte Herrmann, das Verbot sei nun als Standard festgeschrieben. Ob es in fünf oder zehn Jahren eine andere Regelung brauche, werde man sehen. Man könne auch ohne Sonderzeichen geschlechtergerecht schreiben.

„Für uns ist die klare Botschaft: Sprache muss klar und verständlich sein“, sagte Herrmann. Es gehe mit dem Verbot aber auch darum, die „Diskursräume in einer liberalen Gesellschaft offenzuhalten“.  Eine ideologisch geprägte Sprache wie etwa beim Gendern habe dagegen eine exkludierende Wirkung. In bestimmten gesellschaftlichen Milieus gebe es zudem viele missionarische Nutzer bei der Verwendung der Sprache, was nicht mit einer offenen Gesellschaft vereinbar sei.

Die Arbeiterwohlfahrt Bayern bewertete den bayerischen Beschluss als Widerspruch zu dem von Söder angekündigten „Aktionsplan Queer“: „Wir finden, jede*r soll sich selbst für oder gegen Gendern entscheiden können“, teilte die AWO mit. Eine „vielfaltssensible Sprache“ sei aber wichtig, damit sich alle Menschen angesprochen fühlten, und bekannt sei, dass Sprache Denkmuster präge und Stereotype aufbrechen könne. Auch der „Generalsekretär“ der seit eh und je linksgestrickten „Bundesschülerkonferenz“ meldete sich zu Wort: Das bayerische Genderverbot sei eine Bevormundung und ein Eingriff in Freiheiten.

Verworrene Lage in vielen anderen deutschen Ländern

Und wie ist die Lage in den deutschen Ländern insgesamt? Gibt es Einheitlichkeit im Sinne Bayerns? Nein, diese gibt es nicht, auch wenn der Trend weg von der Gendersprache geht. Hier eine Übersicht:

  • In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein ist die Gendersprache in den Schulen verboten.
  • Für Hessen hat die frisch gewählte CDU/SPD-Koalition in ihrem Koalitionsvertrag vom 18. Dezember 2023 zweimal festgeklopft: „Wir werden festschreiben, dass in Schulen auf das Gendern mit Sonderzeichen verzichtet wird und eine Orientierung am Rat für deutsche Rechtschreibung erfolgt“ (Seite 12). Und: „Wir werden festschreiben, dass in der öffentlichen Verwaltung sowie weiteren staatlichen und öffentlich-rechtlichen Institutionen (wie Schulen, Universitäten, Rundfunk) auf das Gendern mit Sonderzeichen verzichtet wird und eine Orientierung am Rat für deutsche Rechtschreibung erfolgt. Auf die Verwendung der sog. Gendersprache werden wir daher zukünftig landesweit verzichten“(S. 55).
  • Der Landtag von Rheinland-Pfalz hat in seiner Sitzung vom 19. Januar 2022 ein „Verbot der Gendersprache in Schule und Landesverwaltung“ (so ein AfD-Antrag) mit den Stimmen der dort regierenden „Ampel“ sowie der Freien Wähler und der CDU abgelehnt. Die Sprecherin der CDU meinte interessanterweise, dieser AfD-Antrag sei populistisch. Siehe Seiten 118 bis 130 im Protokoll der Sitzung.
  • Niedersachsens „grüne“ Kultusministerin Julia Willie Hamburg favorisiert die Gendersprache.
  • Undurchsichtig ist die Lage in NRW. Aus dem dortigen Schulministerium heißt es dazu, dass der Rat für deutsche Rechtschreibung dazu noch keine endgültige Entscheidung getroffen habe. Das heiße, dass die Lehrer angehalten seien, die Kontroverse mit ihren Schülern im Unterricht zu diskutieren.
  • Vage ist die Aussage des Berliner „Regierenden Bürgermeisters“ Kai Wegner (CDU). Er spricht sich zwar gegen das Gendern aus, demonstriert aber regelmäßig Seit an Seit mit genderaffinen „Queers“ und Co. Außerdem legt Koalitionspartner SPD Wert auf eine „inklusive Sprache“.
  • Vage bleibt Bremen: Im dortig rot-rot-grünen Koalitionsvertrag vom Juni 2023 heißt es: „Die ‚Handreichung gendersensible Sprache in der Bremer Verwaltung‘ wird weiterhin handlungsleitend sein.“ Was das für die Schulen bedeutet, wird nicht gesagt. Ein Hinweis könnte sein, dass in diesem Koalitionsvertrag 376 Gender-Sternchen vorkommen.
  • In Hamburg gibt es eine Volksinitiative zum „Verbot der Gendersprache in Verwaltung und Schule“. Die Senatsverwaltung arbeitet mit allen Tricks dagegen.
  • Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und das Saarland erlauben das Gendern mit Sonderzeichen in Schulen ausdrücklich.
  • Verworren ist die Lage in Baden-Württemberg: Die „grüne“ Kultusminister Theresa Schopper favorisiert seit 2021 eine Freigabe der Gendersprache für die Schulen; letztere sollten selbst entscheiden. Wörtlich: „…wenn Lehrkräfte gemeinsam mit ihren Schülerinnen und Schülern auch eine Schreibweise bezüglich der Sonderformen beim Gendern vereinbaren“. Schoppers „grüner“ Landeschef Winfried Kretschmann hält nichts von der Gendersprache, weil diese „in die Irre führe“ und „unnötige Kontroversen“ auslöse. Ein Volksbegehren gegen die Gendersprache in der Schule wurde vom Stuttgarter Innenministerium zur Jahreswende 2023/24 aus „formalen Gründen“ für unzulässig erklärt. Ressortchef ist dort Thomas Strobl (CDU). Der allerdings strebt nun ein Genderverbot für die Landesbehörden an. Strobl wörtlich: Man werde in einer Verwaltungsvorschrift festhalten, dass Sonderzeichen wie Binnen-I und Gendersternchen in der Verwaltungssprache künftig nicht mehr zulässig seien. Das würde dann etwa gelten für Schriftverkehr von Ministerien oder Regierungspräsidien. Schulen und Hochschulen sollen davon zunächst (?) nicht betroffen sein. In der Rechtssprache, also in Gesetzestexten, Verwaltungsvorschriften und Verordnungen, sei das Gendern im Ländle bereits nicht erlaubt, sagte Strobl.
Eine selbsternannte „woke“ Avantgarde gegen das Sprachvolk

Und der „Rat für deutsche Rechtschreibung“? Er eiert! Er hat die Verwendung von Sonderzeichen im Wortinneren zuletzt mit Beschluss vom 15. Dezember 2023 nicht empfohlen und darauf hingewiesen, dass es sich um Eingriffe in Wortbildung, Grammatik und Orthographie handelt, die die Verständlichkeit von Texten beeinträchtigen können. Der Rat selbst kann aber keine rechtsverbindlichen Anordnungen treffen. Seine Empfehlungen bilden aber die Grundlage von Beschlüssen der Kultusministerkonferenz, auf der die Bildungspolitik zwischen den Ländern koordiniert wird.

Warten wir ab, welchen erneut windelweichen Beschluss die KMK irgendwann fassen wird. Seit Jahren herrscht dort Einmütigkeit – zum Beispiel wenn es um Abituransprüche geht – nach dem Motto: Wir haben uns wie folgt geeinigt – Jeder macht, was er will. Als nicht unmaßgebliche Entscheidungshilfe für die KMK fügen wir an: Das Volk (der „populus“) will die Genderei mit Anteilen von 65 bis 80 Prozent nicht.

Oder anders ausgedrückt: Die Genderei ist ein Transformations- und Luxusprojekt einer „woken“, abgehobenen, selbsternannten Avantgarde.

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