Tichys Einblick
Corona-Update 29.03.2021

Ausgangssperren gegen Mutanten? Das würde den Lockdown für immer bedeuten

Die Politik dreht Logik-Pirouetten. Es geht nicht mehr darum, ob Maßnahmen sinnvoll sind, sondern darum, Zeichen zu setzen. Und der entscheidendste Faktor in der Corona-Politik bleibt nach wie vor unbeachtet.

Man spricht schon wieder über Ausgangssperren. Letzte Woche entschuldigte sich Merkel noch und wurde dafür mit Anerkennung überhäuft – aber wenn man es sich so recht überlegt, weiß man gar nicht, wofür sie sich eigentlich entschuldigt hat. Es ist eine neue Mode in der Politik, Ursula von der Leyen machte es vor: Man entschuldigt sich, ohne einen Fehler einzugestehen. Also eigentlich: Ich habe alles richtig gemacht, aber es tut mir leid, dass ihr das nicht versteht.

Von ihrer Strategie ist Angela Merkel nicht abgerückt: Steigen die Inzidenzen, müssen mehr Maßnahmen her. Die Frage: „Warum eigentlich?“ existiert nicht mehr. Das ist nicht mal mehr eine Frage von mangelnder Verhältnismäßigkeit. Einer konsistenten inneren Logik folgt diese Politik nicht mehr. Sie folgt nur noch den Mechanismen der Öffentlichkeit: Etwas ist ganz schlimm, also müssen wir ganz harte Maßnahmen ergreifen. Politik ist zum großen Zeichensetzen geworden. Es geht gar nicht darum, ob man sich in Restaurants oder Geschäften tatsächlich anstecken kann, es geht um maximale öffentliche Sichtbarkeit der Einschränkungen. Das Ergebnis ist maximaler Schaden bei minimalem Nutzen.

TE-Interview mit Winfried Stöcker:
Corona-Impfstoff bald im Internet zu bestellen
Das Hauptargument für einen dritten Lockdown direkt nach dem zweiten, sind die „Mutanten“. Mal ganz abgesehen, dass Worte wie „Supermutanten“ eher Gegenstand apokalyptischer Zombiefilme sein sollten und nicht Teil des politischen Sprachgebrauchs: Die Geschichte von den impfresistenten Virus-Varianten ist ein Schuss ins eigene Knie. Denn wenn es tatsächlich eine impfresistente Variante gäbe, müsste das das Ende des Lockdowns bedeuten. Warum?

Ganz einfach: Lockdown heißt, wir frieren alles ein und warten auf die Impfung. Wenn wir aber heute schon wissen (wie ja behauptet wird), dass wir Varianten haben, gegen die die Impfung nicht mehr wirkt, die sich ausbreiten, bevor wir ausreichend Menschen überhaupt gegen das herkömmliche Virus geimpft haben – wo ist dann noch der Sinn der Impfung? BionTech-Chef Uğur Şahin erläuterte gegenüber der Bild-Zeitung was dann passieren würde: Es brauche etwa 6 Wochen, um den Impfstoff anzupassen. Vorher muss allerdings eine vier- bis fünfmonatige sogenannten „Blueprint“-Studie durchgeführt werden, die den Unternehmen dann erlaubt, den veränderten Impfstoff ohne weitere klinische Studie auf den Markt zu bringen. Dann beginnt die Produktion. Ab Auftreten einer solchen Mutante dauert es also wohl ein Jahr, bis ausreichend Impfdosen da sind. Und dann geht das Spiel von vorne los. Genau diese angeblichen „Supermutanten“ führen die bundeseigene Corona-Strategie endgültig ad absurdum. Denn „Lockdown bis zum Impfschutz“ würde nichts anderes bedeuten als Lockdown für immer. Eine innere Logik existiert nicht mehr.

Davon abgesehen sind die Horrormeldungen zur „Supermutante“ natürlich fraglich. Nachgewiesen wurden impfresistente Varianten noch nicht.

Die wichtigste Frage überhaupt stand nie im Mittelpunkt 

Auch bisherige Meldungen zur aktuell umgehenden „Britischen Mutante“ bilden sich nicht so recht in der Realität ab. Während die gemeldeten Infektionszahlen zwar stark nach oben gehen, sinkt die Zahl der Corona-Toten in der zehnten Woche in Folge, auch der Anteil der hospitalisierten Fälle ist auf einem Tief. Dafür, dass nach RKI-Daten über 70 Prozent der Neuinfektionen auf die angeblich um bis zu 60 Prozent tödlichere B117-Mutante zurückgehen, ist das schon etwas merkwürdig.

Die Fallsterblichkeit sinkt seit Beginn der „Dritten Welle“ kontinuierlich, genau wie während der Winterwelle im Vereinigten Königreich, die maßgeblich durch die britische Variante verursacht worden sein soll.

Diese abnehmende Fallsterblichkeit, resultiert auch daraus, dass Alte und sehr Alte mittlerweile weitaus seltener überhaupt infiziert wurden als in der letzten Welle über Weihnachten in Deutschland. Niedrige Todeszahlen sind damit programmiert.

Während die allgemeinen, brachialen Kontaktbeschränkungen nicht wirken (die Infektionen steigen schließlich), sind spezifische Maßnahmen bei den Hochrisikogruppen im Ergebnis, offensichtlich ominöse „Gamechanger“. Seit Monaten weist TE an dieser Stelle darauf hin, dass die entscheidenste Maßnahme zur Verhinderung von Corona-Toten die Sicherung der Altersheime durch Schnelltests ist. Die Politik ließ sich für eine entsprechende Strategie, die den Namen auch verdient, allerdings bis Dezember (!) letzten Jahres Zeit – zerstörte durch den Lockdown derweil wirtschaftliche Existenzen und ließ die Alten dennoch sterben. Erst im Frühjahr 2021 kommen in den Beschlussdokumenten der Corona-Gipfel erste Absätze vor, die dieses Thema ernst nehmen. Das ist das eigentliche Regierungsversagen dieser Pandemie.

Jetzt gibt es endlich diese Konzepte, allgemeine Teststrategien laufen an und zumindest die Hochbetagten sind zum großen Teil geimpft. Selbst wenn man alle Kollateralschäden also ausblendet und die Verhinderung von Corona-Toten als einziges gesellschaftliche Ziel festlegt, wäre der Lockdown nicht mehr sinnvoll. Der Schutz der Alten ist die entscheidende Frage – und da kann durch den Lockdown wenig bis gar nichts erreicht werden. Wenn man alle Aspekte zusammen nimmt, liegt auf der Hand was zutun ist: Öffnen, Risikogruppen schützen, lernen mit dem Virus zu leben.

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