Tichys Einblick
Führungswechsel in der EZB

Arrivederci, Dottore Draghi

Was soll Mario Draghi bloß tun, wo er nun nicht mehr EZB-Präsident ist? Ein ganz persönlicher Abschiedsbrief mit einigen guten Vorschlägen.

Bernd Kammerer - Pool / Getty Images

Lieber Herr Draghi, geschätzter Präsident,
hoch verehrter gröGepolaZ (größter Geldpolitiker aller Zeiten), Mario, altes Haus,

Nun ist es also soweit. Nach acht Jahren heißt es Abschied nehmen vom grauen Frankfurt. Arrivederci Germania, buon giorno Toscana oder so ähnlich. Die persönlichen Memorabilia, ihre preußische Pickelhaube zum Beispiel, werden sicher ihren Weg nach Süden finden. Schließlich braucht auch eine italienische Vogelscheuche in den Weinbergen des Chianti eine anständige Kopfbedeckung.
Während Sie also die paar Habseligkeiten eines unterbezahlten Zentralbankpräsidenten unter dem nebligen Kleid, dass die Zinnen des Geßlerturms im Frankfurter Osten an diesem deutschen Oktobertag umwabert, zusammenklauben und sich denken „porca miseria, bin ich froh, diese ewig nörgelnden Deutschen in drei Tagen los zu sein und ganz besonders dieses ewig penetrant freundlich grinsende Babyface Weidmann“ ist es natürlich Zeit, sich auf die monetäre Geschichtsschreibung vorzubereiten.

Das bringt mich zur ersten Frage: Haben Sie sich schon einen Biographen ausgesucht, der die Tragweite Ihrer Entscheidungen angemessen zu würdigen weiß? Ich will mich ja nicht vordrängeln, das ist so ganz und gar nicht meine Art, aber ich erlaube mir doch hier den dezenten Hinweis, dass ich dafür nicht ganz unqualifiziert bin. Ich bin ja gewissermaßen noch in Fahrt, äh, in Übung meine ich natürlich.

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Wir könnten schon mal bei einer guten Flasche Montalcino (Sie bezahlen!) über den Titel diskutieren und damit wir dabei effizient und produktiv sind und das anschließende Edelessen beim Sizilianer (Sie bezahlen!) nicht zu kurz kommt, habe ich schon mal ein paar Vorschläge vorbereitet. Mein persönlicher Favorit ist „Mein Kampf, äh, … gegen die Deflation“ oder so ähnlich. Wenn Ihnen das politisch zu belastet klingt, könnten wir es auch mit mehr persönlicher Interaktion anklingen lassen, besonders was uns deutsche Gastgeber des wohl berühmtesten italienischen Gastarbeiters, den wir je in Frankfurt hatten, angeht. Wie wäre es also zum Beispiel mit „Undankbare Krauts – meine Erinnerungen an die zinsgeilen Tedesci“? Oder: „Wie ich bella Angela und dirty Wolfgang die Arbeit abnahm – italienische Kaligraphie der schwarzen Null“? Oder wir machen das mit der passenden historischen Konnotation: „Veni, vidi, typis“, „ich kam, sah, ich druckte.“

Auf keinen Fall dürfen wir mit dem Titel zu technokratisch klingen und wir müssen den feinen Goldman-Humor herausarbeiten, den Sie nicht nur bei ihrer Geldpolitik haben wirken lassen, sondern der auch Ihren von Volksnähe geprägten Sprachduktus durchdringt. Sie denken jetzt sicher: „Der Krall, dieses ignorante Hayek-verseuchte österreichische… whatever … will mich wohl ein letztes Mal vera…, äh, …äppeln“. Weit gefehlt, mein Fü…, äh mein Präsident. Nichts läge mir ferner. Es ist doch eine unbestreitbare Tatsache, dass Sie nicht nur Geldgeschichte geschrieben haben mit Innovationen, die es in 5.000 Jahren Menschheitsgeschichte noch nicht gegeben hat. Sie haben auch den Literaturnobelpreis verdient. Zum Beispiel ist da ihr unsterblicher poetisch-lyrischer Satz vom „whatever it takes“ (in Frankreich übersetzt sich das übrigens mit „L’état c’est moi“), der, um es im Duktus der Literaturkritik zu formulieren, die ganze innere Zerrissenheit dieses Kontinents in magisch-transzendentaler Weise in seine von Jupiter vorgegebene Form gegossen hat. Von den römischen Legionen am Rhein über die Sachsenkampagne Karls des Großen und die Feldzüge Napoleons bis zu den Stahlgewittern von Verdun, das ganze Elend, konzentriert, kondensiert und in eine Druckflasche ewiger literarischer Haltbarkeit abgefüllt… äh, was wollte ich jetzt noch mal sagen? Ach so, ja, Ihr literarisches Gigantentum, mein Präsident.

Da kann doch selbst Schwarzenegger mit seinem „Hasta la vista Baby“ komplett abstinken dagegen, oder? Ganz zu schweigen von Wolfgang Schäubles „isch over“. Fangen Sie aber jetzt bitte nicht an „I will be back“ vor sich hinzumurmeln, ok? Sonst geht sich irgendein Bundesbanker gepflegt besaufen. Mindestens.

Sie sehen, wir werden uns schon handelseinig, jedenfalls was Ihre Biografie angeht. Die wird der Crash, äh, der Knaller meine ich. Crash Boom Bank sozusagen! Haha, der war gut, oder?

Was mich zu meiner zweiten Frage führt: Haben Sie schon drüber nachgedacht, was Sie als nächstes so unternehmen wollen? Also, ich meine jetzt nicht die nächsten zwei bis drei Tage, wo sie ihr bisheriges geldpolitisches Schaffen sacken lassen und schnell mal über die Rettung von Größerem reflektieren werden. Ich meinte jetzt mehr so den Job nach dem Job, die Profession, die Aufgabe, die nochmal so richtig funzt. Eine Biographie müssen sie ja, nun da wir uns handelseinig sind, nicht mehr schreiben. Schon so gut wie erledigt, mein Präsident. Auch in der Sache hat ihr mit Abstand treuester teutonischer Stalker guten Rat für Sie.

Zunächst müssen wir die Rahmenbedingungen definieren. Es muss was ganz Großes sein, etwas, das all die anderen Anwärter, die Beinchen-Heber, Berliner Sackgesichter und Sykophanten auf ewig auf die ihnen zustehenden niederen Ränge verweist. Es darf nichts Geringeres sein als die historische Wiederauferstehung des „Roma locuta, causa finita“ („Rom hat gesprochen, der Fall ist erledigt“). Ein anderer italienischer Gastarbeiter, der es aber nur bis München geschafft hat, nicht bis ins glorreiche Frankfurt, hätte dazu gesagt: „Was glauben Weidmann? Ich habe noch lange nicht fertig!“

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Was kann das sein? Garantiert nicht so etwas langweiliges, wie italienischer Präsident. Das wäre ein Abstieg für Sie. Der hat eh nichts zu sagen. Dann schon eher Präsident des Sammlervereins Piemontesischer Stinkmorcheln. Papst ist, glaube ich, auch nicht so ihr Ding. Diese ewige weiße Toga, die abgewetzten da Vincis in der Hauskapelle, dann noch nicht mal mehr mit einer anständigen Tiara auf dem heiligen Haupt und vor allem: diese elenden Audienzen! Davon haben Sie sicher genug, seit Pussy Riot Ihnen auf der Nase bzw. auf dem Tisch in der Pressekonferenz unmoralische Angebote unterbreitet hat. Dazu kommt: Wir müssten den Posten erst frei machen. Nein, nein, vertrauen Sie mir: Das wollen Sie nicht.

Nein, ich habe da einen wesentlich stilvolleren Vorschlag zu machen: Gehen Sie auf jeden Fall nach Hollywood! Robert de Niro und Al Pacino können dann komplett einpacken, jedenfalls was die Rolle des Paten angeht. Zugegeben, an Ihrer Fistelstimme müssen wir noch ein wenig arbeiten, die muss sonorer, tiefer, väterlicher werden. Sie wissen schon: Der Padrone! Aber was erzähle ich Ihnen da? Ich weiß, wir verstehen uns da schon. Und für die Stimme habe ich, wenn das für Sie wegen des Brexits keine allzu schlimme Zumutung ist, auch schon eine Lösung: Jeden Morgen erst mal eine halbe Flasche guten Scotch ohne Eis und ohne Wasser, aber dafür mit einer Havanna Kingsize. Den Whisky klauen wir bei unserem nächsten London-Trip dem Boris, der soll auf Fernet Menta umsteigen, da kann er dann auch gleich seine Frisur mit glätten und nachdunkeln, auch wenn er es komplett vergessen kann, dass diese Borste jemals so aalglatt wird wie eine schöne sizilianische Patentolle.

Und? Was sagen Sie? Bellissimo, oder?

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Wir verfilmen dann als erstes, wie die Troika das schöne Griechenland gerettet hat unter dem Titel „Oligarchen pflastern seinen Weg“. Sie fangen bitte schon mal an zu üben: „Ich habe dem Tsipras ein Angebot gemacht, das er nicht ablehnen konnte!“ Schön tief, sonor, sehr gut machen Sie das! Und dass ihre vollen italienischen Lippen umspielende feine diabolische Lächeln, das uns Zuschauern das Blut in den Adern gefrieren lässt, beherrschen Sie ja schon ganz famos. Da muss ich Ihnen nichts mehr erklären. Die Fortsetzung machen wir dann mit dem Tarantino zusammen. Auf dass die Inflation wie Ketchup bis an die Decke spritzt!

Und jetzt kommt das Beste an dem Job: Sie werden in echten US-Dollars bezahlt! Hollywood eben, nicht hessische Filmförderanstalt! Wer braucht schon diese lausigen Eurolappen, in denen auch nach acht Jahren immer noch der arrogante Geruch der DM hängt, wo doch dank Ihrer Unermüdlichkeit eigentlich schon lange Euro-Lira draufsteht? Abgeranzt, oder?

Schön, dass wir uns handelseinig sind. War schon lange nicht mehr der Fall. Und wissen Sie, das finde ich überhaupt das Beste an Ihnen: Im Gegensatz zu uns Deutschen sind sie überhaupt nicht nachtragend. Wir sehen uns dann in Tinseltown, lieber, äh, mein Präsident.

Herzlichst, Ihr Markus Krall

PS: Wer ist eigentlich diese komische hakennasige IWF-Tante, die neuerdings vor der EZB rumhüpft wie seinerzeit Hape Kerkeling als Königin Beatrix und behauptet, sie wäre Ihre Nachfolgerin? Sie müssen da mal für Ordnung sorgen, sonst denken die Leute noch was Falsches und das wäre nicht gut für ihre Hollywood-Karriere. Ich sage nur: Weinstiiin. Für den Bücherabsatz Ihrer Biografie ist es auch nicht förderlich und glauben Sie mir: Davon verstehe ich was.

PPS: Die magersüchtige Medici-Nase aus Washington habe ich von der grünen Minna abholen lassen. Ich muss ja schließlich die Karriere meines wichtigsten Hollywood-Assets vor Schaden bewahren. Mann, die war ganz schön tobsüchtig. Hat die ganze Zeit was von 20% Negativzinsen und Bargeldabschaffung gebrüllt und meinte, dass wir alle das noch bereuen würden mit der Zwangsjacke und lauter so ein verrücktes Zeugs. Irre, was?