Tichys Einblick
Nach Uniper kommt Sefe

Die Ampelregierung zwingt sich selbst zu weiteren Verstaatlichungen

Mit der Verstaatlichung des Energiekonzerns Uniper und demnächst wohl der früheren Gazprom-Tochter Sefe bahnt sich eine neue Energie-Staatswirtschaft unter Aufsicht der von den Grünen beherrschten Bundesnetzagentur an. Doch Energie wird dadurch nicht billiger werden.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck im Bundestag, 22.09.2022

IMAGO / Christian Spicker

Die Bundesregierung plant, die Securing Energy for Europe GmbH (Sefe), die bereits unter Treuhandschaft des Bundes steht, zu verstaatlichen. Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums erklärte, dass innerhalb der Bundesregierung Gespräche über die Zukunft von Sefe liefen, äußerte sich jedoch nicht Details, diese könne sie aktuell nicht nennen. Die Überlegung steht im Zusammenhang mit der Stützung des Gasversorgers VNG, der in Leipzig sitzt und viele Stadtwerke besonders in Ostdeutschland versorgt. Weil Sefe den Liefervertrag mit VNG nicht mehr erfüllen kann, sah sich VNG gezwungen, zu sehr hohen Preisen Gas an den Spotmärkten zu kaufen. Dadurch macht VNG täglich Verluste im niedrigen zweistelligen Millionenbereich. VNG hat inzwischen Staatshilfen beantragt. Mit der Verstaatlichung von Sefe soll vor allem VNG gestützt werden.

Zu Sefe muss man wissen: Auf Anordnung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz vom 17. Juni 2022 wurde die deutsche Gazprom-Tochter Gazprom Germania GmbH unter die Treuhand der Bundesnetzagentur gestellt und in Securing Energy for Europe (Sefe) umbenannt. Die Treuhänderschaft wurde bis zum 15. Dezember 2022 verfügt.

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Vor einer knappen Woche hat die Bundesregierung Rosneft Deutschland ebenfalls unter die Treuhänderschaft der Bundesnetzagentur gestellt, ebenfalls terminiert für ein halbes Jahr. Am Mittwoch gab die Bundesregierung die Verstaatlichung des größten deutschen Gasimporteurs Uniper bekannt. Sollte die Securing Energy for Europe (Sefe) demnächst nach knapp vier Monaten Treuhänderschaft verstaatlicht werden, kann dieses Szenario auch für Rosneft eintreffen.

Auf diese Weise wird ein mächtiges zentrales staatliches Leitungs- und Lenkungsinstrument für die Wirtschaft geschaffen, das in der Tat durch die Verfügung über die Energie weitreichende Eingriffe in den Markt vornehmen kann; im Grund kann man dann von einem freien Markt und einer freien Marktwirtschaft nicht mehr sprechen, zumindest nicht für die Energieversorgung. Die Regierung hat durch eine ideologiegeleitete Politik schwere Verwerfungen am Markt hervorgerufen. Ordnungspolitik findet nicht mehr statt, was nicht einmal mehr den Widerstand der FDP hevorruft, die sich vollkommen von ihrem wirtschaftsliberalen Erbe verabschiedet hat. Statt Ordnungspolitik betreibt die Ampel Transformationspolitik, man könnte auch sagen Neu-Ordnungspolitik.

Um zu verstehen, was vor sich geht, muss man zurückblicken, denn die Ironie des Schicksals besteht darin, dass die Bundesregierung gleichzeitig Treiber und Getriebener der Entwicklung ist:

  1. Die Energiewende nach den Vorstellungen der Grünen, durchgepeitscht von einer grünen Kanzlerin mit schwarzem Parteibuch, trieb Deutschland in die Abhängigkeit vom russischen Erdgas. Die Abhängigkeit war schlicht der Preis für den Ausbau der Erneuerbaren Energien.
  2. Die wirklichkeitsblinde „Freiheitsenergien“-Politik der Ampel hat die energiepolitische Abhängigkeit von Russland noch verstärkt.
  3. Die verantwortungslose Pandemie-Politik der Großen Koalition hat die deutsche Wirtschaft schwer getroffen. Eine nicht weniger leichtsinnige Migrationspolitik schleifte die innere Sicherheit und sprengt die Sozialsysteme.
  4. Insgesamt lebt Deutschland seit den Merkel-Jahren von der Substanz, sodass es zum langsamen, aber spürbaren Zusammenbruch der Infrastruktur kommt.

Hat der schöne Schein noch über die Verwerfungen hinweggetäuscht, so blieb nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine und durch die folgende Sanktionspolitik nichts vom schönen Schein übrig. Um im Bild zu sprechen: Die Farbe, die noch alles zusammenhielt, platzt ab.

In dieser Situation hat die Ampel, allen voran die grünen Minister, keine an den Interessen Deutschlands orientierte Politik gemacht, schon gar keine, die von der Realität ausgeht. Was die Ampel vollführt, ist ein heilloser Slalom zwischen wirtschaftlichen Notwendigkeiten und ideologischen Dogmen. Anstatt eine bedächtige Sanktionspolitik mitzutragen und währenddessen schrittweise Deutschlands Energieversorgung zu sichern, riefen Annalena Baerbock und Robert Habeck, dass sie so schnell wie möglich kein russisches Erdgas und Erdöl mehr abnehmen wollen, so schnell wie möglich von russischen Lieferungen unabhängig sein wollen, wobei sie die vollkommen unverständliche Illusion hegten, dass sie allein den Termin für das Ende der Lieferungen bestimmen könnten und Putin geduldig abwarten würde, bis Deutschland nicht mehr von seinen Lieferungen abhängig ist. Obwohl es Robert Habeck nicht gelingt, das russische Erdgas durch LNG zu ersetzen, hält er auf der anderen Seite am sinnwidrigen, irrationalen Ausstieg aus der Kernenergie fest, nimmt die letzten drei Kernkraftwerke vom Netz und versucht, die Grünen und die Öffentlichkeit mit der wirklichkeitsfernen Vorstellung zu täuschen, zwei AKWs in Reserve zu halten.

Sendung 22.09.2022
Tichys Einblick Talk: „Null Energie – und dann alle pleite oder arbeitslos?“
Die Kohleverstromung erschwert er zugleich, weil er den Betreibern Fristen für den vorübergehenden Weiterbetrieb anbietet, die für sie unrentabel sind, ganz davon abgesehen, dass er die Beschäftigten, die sich andere Arbeitsstellen gesucht haben, für einen mehr als kurzfristigen Betrieb kaum zurückholen kann. Da bleibt am Ende nur die innige Hoffnung auf einen milden Winter und die Verstaatlichung der Energieimporteure, denen der Spagat zwischen extrem hochpreisigen Noteinkäufen von Gas – und bald übrigens auch von Erdöl – und der Weitergabe der Kosten, die Privat- und Unternehmensinsolvenzen en masse provozieren würde, nicht gelingen wird. Am Ende bleiben also alle auf der Strecke.

Mit anderen Worten: Das Bundeswirtschaftsministerium steht vor dem selbst verschuldeten Dilemma, entweder die Insolvenz der Gas- und Ölimporteure, der Energieversorger oder die Insolvenz der Privathaushalte und der Unternehmen oder die Insolvenz von beiden geschehen zu lassen. Wenn man schon kein Glück hat, kommt meistens noch Pech hinzu.

Uniper wurde unter Treuhand gestellt, weil das Unternehmen Verluste im dreistelligen Millionenbereich pro Tag nicht stemmen und auch nicht mehr auf Habecks famose Gasumlage warten kann. In dieser Situation schloss die Bundesrepublik vollkommen dilettantisch eines der schlechtesten Geschäfte ihrer Geschichte zum erheblichen Nachteil ihrer Bürger ab. In Helsinki beim staatlichen Mutterkonzern, aber auch in der finnischen Regierung dürften die Sektkorken geknallt haben, als Deutschland verkündete, Uniper zu kaufen. Die Finnen werden einen Konzern los, dessen Geschäftsmodell am Boden liegt. Den Finnen wird ein Unternehmen abgenommen, das nur noch tiefrote Zahlen produziert, und dafür bekommen sie sogar noch knapp 600 Millionen Euro.

Insgesamt kostet die Uniper-Rettung den deutschen Steuerzahler 30 Milliarden Euro, erstmal, künftige Verluste noch nicht eingerechnet. Für die Manager von Uniper ist die Verstaatlichung von Uniper also ein Göttergeschenk, denn sie tragen nun wie Politiker keinerlei Verantwortung für die Verluste, die sozialisiert werden, und verdienen weiter prächtig. Für sie ist der Managersozialismus ausgebrochen.

Doch mit der Verstaatlichung von Uniper ist es nicht getan, denn auch der Energieversorger VNG, der in Leipzig sitzt, befindet sich in Schieflage und hat Staatshilfen beantragt. VNG beliefert nun sehr viele Stadtwerke. Vor allem gehört VNG mehrheitlich der EnBW Energie Baden-Württemberg, diese wiederum mehrheitlich dem Land Baden-Württemberg und lokalen Gebietskörperschaften. Baden-Württemberg wird von den Grünen regiert. Im Ländle fiel schon einmal ein Ministerpräsident durch eine „Energiewende“, verständlich das Winfried Kretschmann das abwenden möchte, zumal die EnBW so brav grün agiert.

Zur Erinnerung: Nachdem in Baden-Württemberg die Grünen unter Kretschmann an die Macht kamen, wurde der alte EnBW-Chef Hans-Peter Villis durch den alerten Frank Mastiaux ersetzt, der EnBW in die verhängnisvolle Energiewendezukunft führte. EnBW baute extrem die Windenergiesparte aus, engagierte sich in der Photovoltaik und in der E-Mobilität. Dass Mastiaux das Lied der Grünen singt, wird aus seinen jüngsten Aussagen im Handelsblatt deutlich: „Wir müssen definitiv Energie sparen, wo immer es geht. Und da geht noch viel mehr – ohne dass das jeweils einen Verlust an Lebensqualität bedeuten würde.“ Jeder, Verbraucher und Unternehmen, müsse einen Beitrag leisten, meinte Mastiaux, Verbraucher und Unternehmen, aber eben nicht Unternehmer.

„Niemand ist so beliebt wie er hier“
Die groteske Habeck-Lobhudelei einer Tagesthemen-Moderatorin
Die Kritik an Habecks Aufruf, die Bürger sollten kürzer duschen, hält der EnBW-Chef für „deplatziert“. Er will sogar noch mehr Appelle aus der Politik hören: „Mit einer richtigen Kampagne, die die Bürger zum Energiesparen animiert, können und müssen wir noch mehr herausholen“, sagte Mastiaux. Die Gefahr, dass ansonsten Unternehmen ihre Produktion einstellen müssen und Lieferketten reißen, hält er laut Handelsblatt für real. Im Ländle sagt man gern den Satz: „Mit vollen Hosen ist gut stinken.“

So entsteht mit Verstaatlichungen einerseits und regierungsnahen Energieversorgern andererseits vor unseren Augen eine neue Staatswirtschaft der Grünen als gewaltiger Energiekonzern unter Leitung und Aufsicht der von den Grünen beherrschten Bundesnetzagentur. Doch so ganz wohl scheint den Grünen bei dem Tempo der Transformation nicht zu sein. Denn nichts von dem, was sie anpacken, funktioniert, und immer weniger von dem, was vorher funktionierte, funktioniert weiter.

Doch durch Verstaatlichung wird weder das Gas noch das Öl billiger, das die neuen Staatsfirmen einkaufen. Vermutlich wird es sogar teurer, als es ohne Verstaatlichung würde. Um einen alten DDR-Witz zu zitieren: Wenn die Staatswirtschaftler in die Wüste kommen, wird vermutlich der Sand knapp. Die Verstaatlichung ermuntert sogar zur Spekulation, weil jeder weiß, hinter den einkaufenden Unternehmen stehen Politiker, die politisch denken, die nicht nach wirtschaftlichen Effizienzkategorien, sondern nach den Kategorien des Machterhalts agieren.

Die Verstaatlichung wird wie immer als alternativlos dargestellt. Doch die Alternative ist da, so glanzlos wie wirksam, klar und logisch. Sie besteht in der Kombination aus:

  • Verlängerung der Laufzeiten für Kernkraftwerke und für Kohlekraftwerke,
  • noch existierende Kernkraftwerke wieder ans Netz bringen und neue bauen,
  • kluge Sanktionspolitik gegen Russland, die nach den eigenen Interessen fragt und danach, wen die Sanktionen treffen, Russland oder uns. Gazprom hat trotz Exportrückgang seine Einnahmen um 34 Prozent gesteigert,
  • Bereitschaft zu längerfristigen Lieferverträgen von LNG. Hier gilt: um so langfristiger, um so billiger, um so kurzfristiger um so teurer,
  • die Energiewende zur Energiewende, Abkehr vom Irrweg der „Freiheitsenergien“,
  • statt Verstaatlichung Deckelung der Energiepreise,
  • Senkung der Mehrwertsteuer,
  • Streichung der CO2-Steuer.

Die Grünen spüren den unangenehmen Druck der Veränderung, sonst würden sie nicht seit Tagen Robert Habeck in immer neuen Huldigungen in den sozialen Medien über den grünen Klee loben, sonst würden sie nicht so vorbildlich den Lobhudelbefehl übererfüllen, sonst würde Robert Habeck bei einer Rede nicht die Opposition dafür ankeifen, dass sie nicht in die hohen Töne grünen Personenkults einstimmen. Im Bundestag erschien der sonst so sonnig wirkende Bundeswirtschaftsminister wie ein Kinderzimmertyrann, der seinen Willen nicht bekommt, obwohl die Welt sich doch nach seinem Willen richten müsste, wirkte er, wie einer, dem die Felle wegschwimmen.

Guten Rat von den Fachleuten aus dem Bundeswirtschaftsminister dürfte der Minister nicht mehr erwarten dürfen, nachdem er Einschätzungen, die nicht seinen Wünschen und seiner Ideologie entsprechen mit dem Ruf nach dem Verfassungsschutz begegnet ist. Diese Lehre dürften sich die Beamten seines Ministeriums gemerkt haben. Die Regierung hat sich auf die schiefe Bahn der Verstaatlichung begeben, sie wird damit nicht mehr aufhören können – und die Deutschen werden einen sehr hohen Preis dafür zahlen.

Robert Habeck ruft immer lauter nach neuen „Entlastungen“, doch die beste Entlastung wäre, gar nicht erst zu belasten – beispielsweise durch Gasumlage, CO2-Steuer. Und die allerbeste Entlastung wäre die von ihm und seiner Politik.

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