Tichys Einblick
Wo ist Olaf Scholz?

Koalition in der Krise: Die Ampel hat ausgewummst

Die Ampel schiebt Probleme auf die lange Bank und Kanzler Olaf Scholz ist abgetaucht. Das ist aber immer noch besser als das, was die Koalition macht, wenn sie regiert. So hat sie bald ausgewummst – aber nicht nur sie.

IMAGO / Metodi Popow

Die Amerikanische Revolution begann mit dem Slogan „no taxation without representation“. Also keine Besteuerung ohne Mitsprache. Die Menschen in den Kolonien waren es leid, höhere Steuern bezahlen zu müssen, ohne darüber mitentscheiden zu können. Spätestens seit der erfolgreichen Amerikanischen Revolution gilt der Haushalt als die Königsdisziplin des Parlaments. Die Ampel hat noch keinen Entwurf für den Haushalt vorliegen. Weil sich die drei Partner grundsätzlich nicht einig sind, hat Finanzminister Christian Lindner (FDP) diesen wichtigen Schritt aufgeschoben. Eigentlich ist die Ampel damit bereits zu Ende erzählt.

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Aber nur eigentlich. Denn es ist noch viel schlimmer. Deutschland befindet sich in einer Stagflation: Die Preise steigen wuchtig, die Wirtschaft ist zwei Mal in Folge geschrumpft. Obwohl die Bevölkerung durch Einwanderung zunimmt. Und obwohl unsere Wirtschaft eigentlich wachsen statt stagnieren müsste, um die wachsende Zahl nicht mehr arbeitsfähiger Menschen mitfinanzieren zu können. Das Wechselspiel zwischen diesen Faktoren ist kompliziert, lässt sich aber trotzdem in drei Wörtern ausdrücken: Wir werden ärmer.

Was tut die Zukunftskoalition währenddessen? Also, außer den Haushalt zu verschieben. Sie verschiebt auch andere Aufgaben, wie ihr Jens Spahn (CDU) in einer bemerkenswerten Rede im Bundestag vorgehalten hat: Nationale Sicherheitsstrategie? Kurzfristig von der Tagesordnung des Parlaments genommen. China-Strategie? Auf unbestimmte Zeit verschoben. Grundsicherung? Die Koalition diskutiert noch. Schnellere Planung im Straßen- und Schienenbau? Die Ampel lässt sich Zeit. Die Zukunftskoalition ist die Koalition des Stillstands – nur gut darin, sich Zeit zu kaufen.

Nun ist es unfair, die Ampel allein anhand dessen zu bewerten, was sie auf die lange Bank schiebt. Was sie anpackt, wird auch schnell zu Murks: So hat sie nach dem Kriegsbeginn in der Ukraine die „Zeitenwende“ ausgerufen. Ein großes Wort. In Berlin ist es in aller Munde. Kein Abgeordneter kann mehr aufs Klo gehen, ohne anschließend von der Zeitenwende beim vierlagigen Klopapier zu schwärmen. Was ist aus den 100 Milliarden Euro Schulden geworden, die euphemistisch „Sondervermögen“ genannt werden? Im März war davon noch nichts abgerufen. Kollege kommt gleich. Wobei es nicht ganz stimmt. Wegen der Inflation ist die Zinslast auf das Vermögen von 8 auf 13 Milliarden Euro gestiegen. Du kannst Schulden zwar Vermögen nennen – Zinsen zahlen musst du aber trotzdem drauf.

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Bliebe noch das Reformgenie der SPD, Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Der soll die Pflegeversicherung reformieren und die Krankenversicherung – und hat dafür zwei Vorschläge: Zum einen schröpft er die Rücklagen, soweit das irgendwie geht. Zum anderen erhöht er die Beiträge. Aber keine Angst. Die Beitragszahler bekommen auch was für ihr Geld: nämlich weniger und deutlich teurere Arzneimittel sowie weniger Krankenhausplätze. Denn seine Reformen kosten den arbeitenden Bürger nicht nur mehr, sie bringen ihm zeitgleich auch weniger Leistungen.

Arbeiten wird damit unattraktiver. Schon im vergangenen Jahr haben Institute herausgefunden, dass Arbeitnehmer in manchen Lohnbereichen weniger Geld zur Verfügung haben als Empfänger von „Bürgergeld“, das die Ampel deutlich erhöht hat. Diese Botschaft war fatal. In ihrer Konsequenz bedeutet sie, dass es sich für die Menschen, die das Land am Laufen halten, finanziell lohnen würde, morgens im Bett zu bleiben. Dann stellten die Institute aber fest, dass sie sich verrechnet hatten. Was für ein Glück. Was für ein Zufall. Mit Lauterbachs steigenden Beiträgen zur Krankenkasse und zur Pflegeversicherung bleibt Arbeitnehmern nochmal weniger vom Lohn. Die Institute werden also nochmal feststellen müssen, dass sie sich um einen weiteren Betrag verrechnet haben.

Bliebe noch die Rolle eines Nebendarstellers im Berliner Politbetrieb. Oder wie es Jens Spahn formuliert: „Wo ist eigentlich der Kanzler?“ Für alle, die es zwischenzeitlich vergessen haben – er heißt Olaf Scholz, ist von der SPD, hat beste Kontakte zu Hamburger Banken und PR-Agenturen, nutzt aber trotzdem nur Sprachbilder, für die sich Letztere schämen würden. Etwa die alte Stadionhymne: „You’ll never walk alone.“ Du bist nie alleine.

Mit diesem Slogan hat Scholz die auf Schulden basierten „Entlastungspakete“ werbetechnisch begleitet, mit denen der Kanzler die negativen Folgen seiner Politik, vor allem aber seiner Nicht-Politik zukleistern wollte. Das war jetzt ein wenig unsachlich. Fachleute nennen es Wumms oder noch wissenschaftlicher: Doppelwumms. Doch hat es sich ausgewummst. Der Rechnungshof hat Scholz schon im vergangenen Jahr gewarnt, dass der Bund nicht alle politischen Defizite mit Geld ausgleichen könne. Denn Wumms, Doppelwumms, Klimaprogramm und Sondervermögen auf der einen Seite – sowie Inflation, Erhöhung des Leitzinses und Haushaltsdefizit trotz Rekordsteuerzahlungen der Bürger auf der anderen Seite vermitteln Scholz eine deutliche Botschaft: Es hat sich ausgewummst.

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Fehlt noch das hellste Licht der Ampel: Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und sein Verbot von Öl- und Gasheizungen. Während das Bruttoinlandsprodukt zurückgeht und die Deutschen also im Schnitt weniger Geld haben, zwingt der Kinderbuchautor den Menschen eine Investition auf, die sie auf einen Schlag fast so teuer kommt wie die Lebensinvestition Hausbau. In Zeiten steigender Zinsen sorgt dieser Schritt obendrein für fallende Immobilienpreise. Wenigstens kann man sagen, dass die Ampel hier ein Thema anpackt – wenn sie nicht auch das verschoben hätte.

Womit die Ampel nun wirklich zu Ende erzählt ist: Am besten ist die Regierung von Olaf Scholz, wenn sie nichts tut oder sich Zeit kauft. Damit mag eine Frau aus der Uckermark 16 Jahre lang durchgekommen sein. Aber das zehrt an der Substanz eines Landes. Nach den besagten 16 Jahren ist diese Substanz so stark aufgebraucht, dass sich das Land vielleicht eine Merkel geleistet hat, aber keinen Scholz mehr leisten kann. Das nächste Schuldenpaket, das dann mit der Gießkanne ausgegeben wird, wird den deutschen Absturz nur beschleunigen. Oder um es so auszudrücken, dass es Olaf Scholz nicht vergisst: nix mit Trippelwumms. Es bräuchte nun eine Politik, die wieder das stärkt, was den Wohlstand stärkt. Ob eine Koalition das schafft, die aus zwei linken Parteien besteht und aus dem, was auch immer die FDP ist, ist ziemlich sicher auszuschließen.

Die Bürgerrechte schränken SPD, Grüne und FDP obendrein ein. Innenminister Nancy Faeser (SPD) und Justizminister Marco Buschmann („FDP“) arbeiten an der anlasslosen Chatkontrolle. Twitter und Facebook sollen dann im Auftrag des Staates private Nachrichten mitlesen. Ganz gleich, ob es sich um die Nachrichten eines notorischen Verbrechers handelt oder um die Nachrichten von jemandem, der Zeit seines Lebens rechtstreu war, Steuern gezahlt und das Land getragen hat. Mit Sprüchen wie „no taxation without representation“ sollte der Bürger unter Beobachtung dann vorsichtig sein. Denn geht es um das Recht auf Privatsphäre, behält Scholz recht: „You’ll never walk alone.“

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