Tichys Einblick
25 Jahre Europäische Zentralbank

Herzlichen Glückwunsch, EZB – Herzliches Beileid, Bürger Europas

Die EZB ist nicht der geldpolitische Antrieb einer Marktwirtschaft, sondern die Manifestation einer planwirtschaftlichen Idee. Die Weltenlenker und Weltverbesserer können die langfristigen Folgen ihres Tuns nicht voraussehen, noch viel weniger planen. Deshalb scheitern sie wie alle ihre Papiergeldahnen vor ihnen, nur etwas schneller.

IMAGO / Jan Huebner

In einer Ausgabe der Satire-Zeitschrift „Simplicissimus“ von Anfang des 20. Jahrhunderts habe ich mal das Bonmot gelesen: „Die meisten Verlobungen enden ja glücklich! Einige führen aber doch zur Ehe!“

Daran musste ich denken, als ich hörte, dass die polygame monetäre Bettgenossenschaft, die sich EZB nennt und deren Gründungsschwüre ewiger Treue von einer inbrünstigen Liebestollheit getragen wurden, dass selbst das heilige Eheversprechen und die Ansage „bis dass der Tod euch scheide“ daneben so unverbindlich klingen wie ein „gehen wir zu dir oder zu mir?“ ihr Lotterleben jetzt als Silberhochzeit feiern darf.

25 Jahre haben wir die EZB jetzt also schon. Ich würde jetzt gerne sagen: Was, solange schon? Es kam mir irgendwie kürzer vor. Aber das wäre gelogen, denn die Herrschaft des italienisch-französischen Fiatgeldes zieht sich in meiner persönlichen Wahrnehmung eher hin wie ein langgezogener Kaugummi.

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Aus der Geschichte wissen wir, dass halbwegs gut konstruierte Papiergeldwährungen im Durchschnitt 50 bis 100 Jahre lang halten. Es gibt tatsächlich in der Geschichte der Menschheit keine einzige Papierwährung, die länger gehalten hätte. Dann sind sie am Ende, sie brechen zusammen unter der Last der falschen Anreize, der Hybris ihrer Zentralbankräte, der Inflation und der Hyperinflation. Währungen, die länger gehalten haben, bestanden in der menschlichen Geschichte immer aus Edelmetall, vorzugsweise Gold. Die haltbarste Währung aller Zeiten war der römische Solidus, erstmals herausgegeben von Kaiser Konstantin dem Großen, einer Goldmünze von 4,5 Gramm Gewicht. Er war immerhin 1400 Jahre in Verwendung, die letzte dokumentierte Transaktion stammt aus dem Jahr 1792.

Müssen wir uns also noch 25 bis 75 Jahre mit dem Euro herumschlagen? Das glaube ich nicht, denn die Betonung bei diese Lebensdauer lag auf „halbwegs gut konstruiert“. Das kann man beim Euro beim besten Willen nicht behaupten. Der Euro ist ein Fehlkonstrukt, weil er keinen optimalen Währungsraum abdeckt, weil die Mobilität der Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit in ihm nicht hinreichend gegeben ist, weil die wirtschaftspolitischen Traditionen und Ideen seiner Mitglieder meilenweit auseinanderliegen, weil sein Regelwerk nur gut gemeint, aber nicht durchsetzbar ist, weil er die falschen Anreize setzt und weil diejenigen, die ihn verwalten sollen, nicht unabhängig sind, sondern zum großen Teil abgehalfterte ehemalige Finanzpolitiker der Teilnehmerländer mit einer Neigung zu Verschwendungssucht und Korruption.

Das Hauptventil seiner Ungleichgewichte ist noch nicht einmal ein Ventil, sondern eine Art Sparbüchse für Naivlinge mit dem schönen Namen „Target 2“. Dort lässt ganz Europa bei Deutschland anschreiben, zinsfrei natürlich, was es an Leistungsbilanzdefiziten gegenüber dem Zahlmeister des Kontinents so ansammelt. Ein Ausgleich ist nicht vorgesehen und mittlerweile stellen die weit über eine Billion „Target-2-Salden“ den mit Abstand größten Bilanzposten der Bundesbank dar. 1.170 Milliarden Euro waren es im März. Damit könnte man zum aktuellen Preis von 60.000 Euro pro Kilo knapp 20.000 Tonnen Gold erwerben, knapp 10 Prozent des globalen Bestandes. Man fragt sich, warum die Bundesbank nicht wenigstens einen Teil dieses Geldes so investiert und sich auf diese Weise gegen den sicheren großen Knall absichert.

Die EZB hat das Vertrauen verspielt
Professor Marcel Fratzscher vom DIW, einer staatsfinanzierten Versammlung von keynianischen Ökonomen und Vertretern der „Modern Monetary Theory (MMT)“, der sich immer vordrängelt, wenn sich mal wieder Gelegenheit bietet, mit den eigenen Prognosen innerhalb kürzester Zeit daneben zu liegen, hat uns zum Wiegenfest der EZB erklärt, dass die EZB eine im Schnitt geringere Inflation produziert hätte als die Bundesbank. Und zieht man die Statistiken dieser Falschmünzer unkritisch heran, so stimmt das für den Konsumentenpreisindex sogar. Das Dumme ist nur: Diese Statistiken haben wir selbst gefälscht. Wir basteln nämlich in schöner Regelmäßigkeit am Warenkorb herum, damit die Zahlen besser aussehen als die Realität.

Würde die EZB den gleichen Warenkorb nutzen wie die Bundesbank bis in die 90er Jahre, dann sähe das leider ganz anders aus. Die Inflation fand viele Jahre in Bereichen statt, die man systematisch ausgeblendet hat, bei den Immobilien, Aktien und anderen Sachwerten, die zwar keine Konsumgüter sind, aber nicht weniger Einfluss auf das Wohlergehen der Menschen haben. Deshalb kann sich heute die Mehrheit der Leute kein eigenes Haus mehr leisten. Und am Ende fand die Inflation ihren Weg in die Güterpreise und jetzt steht die EZB vor der schmerzhaften Wahl, entweder die Inflation zu bekämpfen oder die neue Bankenkrise zu bewältigen.

Sie wird sich ganz sicher für die Bankenrettung entscheiden und dafür vor der Inflation kapitulieren, jede Wette! Denn „EuRO“ steht in Wahrheit nicht für Europa, sondern für Europäische Rettungs-Organisation. Daneben kümmert sich die EZB um alles, was gerade politisch en vogue ist und schwingt sich so zur nicht gewählten Schattenregierung des Kontinents auf: ums Klima, ums Gendern, um die Energiewende, um die Kriegsfinanzierung und um die Seuche Politik … äh, die Seuchenpolitik.

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Wir wissen daher, was die EZB nicht ist, nämlich eine Institution mit dem Ziel und dem Willen uns stabiles Geld zur Verfügung zu stellen. Aber was ist sie dann? Sie ist ein Instrument der Umverteilung. Diese findet in gewaltigem Maße statt, aber nicht eindimensional. Geld fließt von Nord nach Süd. Die Mechanik dafür liefern Target-2 und die regelmäßigen Rettungsaktionen von Ländern des mediterranen Gürtels. Geld fließt auch von unten nach oben, und zwar nach ganz oben, an die bestverdienenden 0,01 Prozent der Finanzoligarchie. Das haben wir vom Dollarraum gelernt, wie das geht: Rettungsmilliarden fließen immer zuerst an die Finanzindustrie, werden dort zum Spekulieren eingesetzt und wenn es schiefgeht, wird wieder gerettet.

Eine Spekulation, die immer aufgeht, weil bei Fehlinvestitionen gerettet wird – das ist wie Lottospielen und vorher die Zahlenkombination kennen. Natürlich darf das nicht jeder, wo denken Sie hin? Das darf nur, wer nah an der Zentralbank sitzt, in ihrem Netzwerk der großen Player, der Investmentbanken, Hedge Fonds und Vermögensverwalter. Da sind Sie, werter Leser, nicht im Club zugelassen? Pech gehabt! Denn Sie zahlen das Ganze auf subtile Art. Sie zahlen es durch Inflation, durch den Cantillon-Effekt bei Vermögenswerten (Wer das Geld zuerst bekommt, erhält mehr, der nächste muss schon höhere Preise zahlen durch die künstlich gesteigerte Nachfrage), durch die damit sich selbst verstärkende Vermögenskonzentration.

Wir können statieren: Die EZB ist nicht der geldpolitische Antrieb einer Marktwirtschaft, sie ist vielmehr die Manifestation einer planwirtschaftlichen Idee, etwas, das Roland Baader als „Geldsozialismus“ bezeichnet hat. Aber die planwirtschaftlichen Weltenlenker und Weltverbesserer können in ihrer Hybris die langfristigen Folgen ihres Tuns nicht voraussehen, noch viel weniger planen. Deshalb scheitern sie wie alle ihre Papiergeldahnen vor ihnen, nur etwas schneller.

Wenn nicht alles täuscht, werden wir weitere runde Jubiläen der EZB nicht mehr begehen. Daher werde ich nicht die EZB beglückwünschen, sondern lieber dem Bürger, dem Opfer ihrer falschen Politik, mein Beileid wünschen.