Tichys Einblick
Der Bürger als Souverän will es wissen

14 Fragen an Bundesinnenministerin Nancy Faeser

Die Bürger wissen nicht, was sich in der für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen, phasenweise als „geheim“ eingestuften Sitzung des Innenausschusses abgespielt hat. Aber ein paar Fragen bewegen den Souverän dann doch. Wann werden diese Fragen endlich gestellt und beantwortet?

IMAGO
Es hat ganze elf Monate gedauert, bis Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im Bundestag erklären musste beziehungsweise hätte erklären können, warum sie dem damaligen Chef des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, unmittelbar im Anschluss an eine Sendung von ZDF-Denunziantenkrawallo Jan Böhmermann vom 7. Oktober 2022 das Vertrauen entzog und ihn auf eine andere Stelle strafversetzte. Der Skandal war seither rund zehn Monate an der CDU/CSU-Opposition und an den Alt-Medien vorbeigegangen.

Dann sah es vorübergehend nach einer 6-Akte-Polit-Operette aus. Eine erste Sitzung des Innenausschusses schwänzte Faeser, weil sie angeblich in Wiesbaden einen Arzt aufsuchen musste, während sie zugleich ein Interview gab. Eine zweite Sitzung des Innenausschusses schwänzte sie, weil sie – so ihre eigenen Worte – über die mediale Berichterstattung verärgert gewesen sei. Eine Befragung im Plenum des Bundestages, die für Ende September angesetzt war, wollte sie auf Dezember verschieben. Also erst einmal drei Null-Akte. Dann dreieinhalb (ir)reale Akte an einem einzigen Tag, dem 20. September: Faeser im Innenausschuss, erst in regulärer, dann in geheimer Sitzung, dann Faeser bei der Befragung im Parlament, schließlich Faeser als Gegenstand einer Rücktrittsforderung der AfD-Fraktion.

Wir wissen nicht, was in der für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen, phasenweise als „geheim“ eingestuften Sitzung des Innenausschusses abgelaufen ist. Welch Unding übrigens, welch eine Entmündigung des Souveräns, dem man solches vorenthält und den man mit Geraune abspeist! Den Auftritt im Plenum konnte man auf phoenix verfolgen, die Abstimmung zur Rücktrittsforderung entnahmen wir dem Bundestagsprotokoll.

Unser Eindruck: Viel Leerlauf, statt rhetorischer Wirkungstreffer nur Wattebällchen. Im Zentrum eine gouvernantenhafte, nichtssagende, pseudoironische, selbstgefällige, selbstgerechte Innenministerin ohne einen Anflug von Selbstkritik oder gar Unrechtsbewusstsein.

Wie gesagt, wir wissen nicht, was sich im zumal geheimen Teil der Sitzung des Innenausschusses abgespielt hat. Deshalb können wir nicht beurteilen, wenn Faeser einem AfD-MdB entgegnete: „Sie müssen wohl in einer anderen Sitzung gewesen sein.“ Aber ein paar Fragen bewegen uns als Bürger eines freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates, in dem die Bürger der Souverän sind.

1. Der Überfall Russlands auf die Ukraine datiert vom 24. Februar 2022. Dass Russland danach und auch zuvor Cyberattacken gegen westliche Länder und zumal Deutschland unternahm, war bekannt. Wann und warum gewann Innenministerin Faeser erstmals den Eindruck, dass bei Herrn Schönbohm „Zweifel an dessen fachlicher Eignung“ bestünden? Wie kommt die Ministerin dazu zu sagen, die Gründe für das Schönbohm entzogene Vertrauen, reichten weiter zurück?

2. Wie verträgt sich das mit der Aussage des Vorsitzenden des Innenausschusses, Lars Castellucci (SPD), für die Versetzung sei nach der ZDF-Böhmermann-Sendung der „öffentliche Eindruck“ ausschlaggebend gewesen?

3. Wie ist folgende zeitliche Koinzidenz zu erklären: Am 7. Oktober 2022 ZDF-Böhmermann-Sendung; am 18. Oktober 2022 Verbot der weiteren Führung des BSI-Amtes durch Schönbohm.

4. Die beamtete Staatssekretärin im Bundesinnenministerium Juliane Seifert hat am 6. April und am 23. Mai 2022 mit Jan Böhmermann (ZDF) telefoniert. Es seien „kurze Telefon-/Video-Gespräche“ gewesen. Was war Gegenstand der Gespräche? Ging es um Arne Schönbohm? Stimmt es, dass es angeblich um das Projekt „Hass im Netz“ ging, obwohl die Staatssekretärin damit nichts mehr zu tun hatte? Gibt es zu den Telefonaten Aufzeichnungen und Notizen? Warum werden diese nicht offengelegt?

5. In welcher Eigenschaft führte Juliane Seifert diese Telefonate: als zuständige für KM (Krisenmanagement und Bevölkerungsschutz), für H (Heimat, Zusammenhalt und Demokratie) oder für SP (Sport)? Führte Juliane Seifert diese Telefonate aus eigenem Antrieb oder im Auftrag der Bundesministerin? Hatte Juliane Seifert – falls ja: wann – als Staatssekretärin Zugang zu relevanten Informationen in der Sache Schönbohm?

6. Am 10. Juni 2022 übermittelte Referatschefin CI 1 Ministerialrätin Katja Papenkort ihrem CI-Abteilungsleiter Ministerialdirektor Andreas Könen per Mail belastendes Material gegen Schönbohm. Wörtlich: „Dabei handelt es sich um Ihnen bekannte Vorgänge aus den letzten drei Jahren, bei denen es mit der BSI-Leitung Schwierigkeiten gab. Lassen Sie sich davon nicht das Wochenende verderben.“ Dazu ein Smiley. Wie kann es sein, dass das BMI beteuerte, solch eine Liste von „bekannten Vorgängen“ habe es nie gegeben?

7. Am 16. Oktober übermittelte Ministerialdirektor Andreas Könen an Staatssekretär Markus Richter eine Sammlung vermeintlicher Disziplinarverstöße Schönbohms: „Lieber Markus …, hier ist nun die erbetene Auflistung von problematischen Vorgängen in der Leitung des BSI durch Herrn Schönbohm.“ Ministerialdirektor Andreas Könen war unmittelbarer Vorgesetzter von Arne Schönbohm. Könen hatte 2016 selbst Ambitionen, BSI-Chef zu werden. Inwiefern kann eine Befangenheit Könens ausgeschlossen werden?

8. Ein interner Vermerk vom 2. März 2023 lässt annehmen, dass die Ministerin ihre Mitarbeiter angewiesen hatte, nochmals den Verfassungsschutz einzuschalten. Laut einem Vermerk von Abteilungsleiter Zentralabteilung Z Ministerialdirektor Martin von Simson, zugeordnet Staatssekretär Markus Richter, hatte Faeser eine wiederholte Abfrage beim Verfassungsschutz und das „Zusammentragen von Geheimunterlagen“ angeordnet. Im Innenausschuss schob die Ministerin diesen Vermerk als eine „schnell-geschriebene E-Mail“ beiseite und behauptete, dass dieser Satz in dem Vermerk falsch sei. Warum konnte Verfassungsschutzpräsident Haldenwang dennoch die Aussage der Ministerin bestätigen?

9. In einem internen, 15-seitigen „Langvermerk“ des BMI wird festgehalten, die Vorermittlungen hätten zwar ältere Dienstvergehen zutage gefördert. Aber aus Gründen der Verhältnismäßigkeit sei zweifelhaft, ob sich diese als Grundlage für (…) die Amtsabberufung eigneten. Zugleich heißt es in der Disziplinarakte Schönbohm, Blatt 000196: „Das Ziel der Abberufung des Herrn Schönbohm als Präsident des BSI wurde erreicht.“ Um welche älteren Dienstvergehen handelt es sich? Ab wann war das Ziel der Abberufung von Arne Schönbohm von wem ausgegeben worden?

10. Warum wurde Schönbohms BSI-Nachfolgerin Claudia Platter zunächst im befristeten, außertariflichen Angestelltenverhältnis eingestellt? Warum kann die Nachfolgerin nach neuer Regelung nun wie eine politische Beamte ab Besoldungsstufe B9 auch ohne Angabe von Gründen entlassen werden? Traut Ministerin Faeser der gesamten BSI-Behörde nicht?

11. Warum wurde trotz des Antrags von Arne Schönbohm kein reguläres Disziplinarverfahren durchgeführt?

12. War in der Sache Schönbohm der Ministerialdirektor Bastian Fleig, Leiter des Ministerbüros von Faeser, eingebunden? Gibt es über ihn und über eine Frau namens Sylvia Macco eine Verbindung zum Redaktionsteam des ZDF-Teams „Magazin Royale“? Frau Macco arbeitete als Rapperin Cora („Schlüsselkind“) bei mehreren Songs mit dem damaligen Musikproduzenten Bastian Fleig zusammen.

13. Im „Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz – BeamtStG)“ steht unter „§ 45 Fürsorge“: „Der Dienstherr hat im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamtinnen und Beamten und ihrer Familien, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen. Er schützt die Beamtinnen und Beamten bei ihrer amtlichen Tätigkeit und in ihrer Stellung.“ Frage: Inwieweit ist Bundesinnenministerin Faeser dieser Fürsorgepflicht nachgekommen?

14. Im Strafgesetzbuch (StGB) steht unter „§ 344 Verfolgung Unschuldiger“: „(1) Wer als Amtsträger, der zur Mitwirkung an einem Strafverfahren, abgesehen von dem Verfahren zur Anordnung einer nicht freiheitsentziehenden Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), berufen ist, absichtlich oder wissentlich einen Unschuldigen oder jemanden, der sonst nach dem Gesetz nicht strafrechtlich verfolgt werden darf, strafrechtlich verfolgt oder auf eine solche Verfolgung hinwirkt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Satz 1 gilt sinngemäß für einen Amtsträger, der zur Mitwirkung an einem Verfahren zur Anordnung einer behördlichen Verwahrung berufen ist. (2) Wer als Amtsträger, der zur Mitwirkung an einem Verfahren zur Anordnung einer nicht freiheitsentziehenden Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) berufen ist, absichtlich oder wissentlich jemanden, der nach dem Gesetz nicht strafrechtlich verfolgt werden darf, strafrechtlich verfolgt oder auf eine solche Verfolgung hinwirkt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft … Der Versuch ist strafbar.“ Frage: Inwieweit ist Bundesinnenministerin Faeser dem Verbot der Verfolgung Unschuldiger nachgekommen?

Und schließlich eine Frage an die CDU/CSU-Fraktion, die zahlenmäßig alleine in der Lage wäre, einen Untersuchungsausschuss installieren zu lassen: Warum hat die Fraktion eine solchen Untersuchungsausschuss immer noch nicht gestellt? Hat man etwa Angst davor, die AfD könnte einen solchen Unions-Antrag unterstützen? Dann hätte sich die CDU/CSU endgültig hinter der eigenen „Brandmauer“ eingekerkert.


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