Tichys Einblick
The Irony Man

Kurt klagt: alle mal für, mal gegen Schulz

Beck beschimpft ausgerechnet die Presse, weil sie den SPD-Traumkandidaten abkanzelt, statt Schulz zum Kanzler zu schreiben. Eher ein Danaer-Geschenk: Timeo Genossos et dona ferentes. Ich fürchte die Genossen, selbst wenn sie Geschenke bringen.

Endlich sagt´s mal einer geradeheraus: Die Presse ist schuld! Seit Wochen hacken die verdammten Pressebengels auf Martin Schulz herum. Die SPD – und ihr Kandidat – „sei unkonkret, unklar, liefere keine Inhalte“, und „dann sagen das die Leute auf der Straße irgendwann nach“. Nur weil „an Martin Schulz kein gutes Haar gelassen wird“ rasen die Genossen mit Vollgas Richtung 20% minus X. Sagt Kurt Beck.

Kurt Beck? Warte mal. War das nicht der Spezialdemokrat, der, wahrscheinlich gewaschen, aber mit Bart, Hartz IV-Empfängern riet, sich zu waschen und zu rasieren, damit sie einen Job finden? Der Martin Schulz mit Haaren aber ohne Brille aus Rheinland-Pfalz? Der mit dem Nürburgring eine halbe Milliarde Steuergelder versenkte? Der mit dem unverwechselbaren Stallgeruch („Können Sie mal das Maul halten, wenn ich ein Interview gebe?“)?

Für Einwanderungsregeln wie Kanada
Kurt Beck: Meist ruhig, gelegentlich lutherisch grob
Ja, weiß denn der Genosse Kurt nicht, dass seiner Partei ein Großteil der deutschen Presse gehört? Tageszeitungen, Anzeigenblätter, Beteiligungen allerorten – eigentlich ist die SPD zu allererst ein Medienkonzern (ca. 130 Millionen Jahresumsatz) mit angeschlossenem Politikbetrieb. Hinzu kommt, dass bei den nicht der Partei direkt gehörenden Medien ein großer Teil der Redakteure ebenso ein sozialdemokratisches Brett vorm Kopf trägt. In der Branche hat Rot-Grün seit langem eine überdeutliche Zwei-Drittel-Mehrheit. Gut, wir haben unserer Schulz-Haltung die Treue gehalten, wir sind aber wohl auch nicht gemeint. Also, was treibt den Mann? Vielleicht ist ihm aufgefallen, dass Donald Trump seinen Wahlsieg letztendlich der Anti-Trump-Bewegung in den Mainstream-Medien verdankt. Das generiert permanent höchste Aufmerksamkeit nach dem Motto „Any Promotion is good Promotion“, wenn man damit umzugehen weiß. Und wenn das Produkt dem Kunden (Wähler) schmeckt.

Als das Trump-Bashing in den USA Fahrt aufnahm, haben wir uns mehrere Trump-Veranstaltungen auf youtube angesehen, um uns ein eigenes Bild zu machen. Trump schaffte es, die Medien, deren Glaubwürdigkeit auch in den USA dramatisch gesunken war, zu seinen nützlichen Wahlkampf-Idioten zu machen. Er drehte jede Situation zu einer persönlichen Vendetta, so dass Inhalte so unbedeutend waren wie im hiesigen SPD-Wahlkampf. Stattdessen gab es Polit-Entertainment.

„Sankt Martin“ und seine Freunde
Der Spiegel seit 12 Wochen auf Schulz-Trip
Der Fairness halber haben wir auch einen Blick auf Schulz-Auftritte bei youtube geworfen. „Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Gäste, liebe Freundinnen und Freunde…“ Lieber Himmel! Nein, Martin Schulz kann nicht Populist. Wie man dieses Schulrektorengeschwätz länger als vier Minuten aushalten kann, bleibt auf ewig ein Rätsel. Und was machten die Journalisten daraus? Sie feierten Rhetor 100%-Schulz als Wiedergeburt Ciceros! Nein, Genosse Kurt, es gab nie „eine unfaire Darstellung des Spitzenkandidaten und verzerrende Berichte über unsere Programmatik“. Eher gab es einen seltsamen Spitzenkandidaten und eine noch seltsamere Programmatik. Eben Schulz und Gerechtigkeit.

Warum aber dann diese unsinnigen Vorwürfe an die Genossen bei Funk, Fernsehen und Presse? Die er auch noch belegt mit: „Ich notiere mir seit 25 Jahren jeden Tag auf einem Zettel die Headlines und Kernaussagen der Zeitungen. Und diese Zettel zeigen eindeutig die mediale Anti-Schulz-Tendenz.“ Mal abgesehen davon, dass wir uns ein wenig Sorgen um den Genossen Kurt und seine Zettelwirtschaft machen – wenn er jeden Tag nur fünf Headlines notiert, liegen jetzt schon 45.625 Notizen herum (Schaltjahre nicht berücksichtigt).

Was hätten die Medien denn schreiben sollen? Nach Schleswig-Holstein: „Hervorragender zweiter Platz für SPD. Partei bereitet Triumph bei nächsten Wahlen vor“? Nach NRW-Debakel: „Dank Schulz – SPD gewinnt die Herzen der meisten Wähler“?

Eher ist das Gegenteil Beck´scher Wahrnehmung wahr. Die Mainstreammedien haben eine absolute Luftpumpe fahrlässig zum Messias hochgeschrieben und nun fliegen ihnen die Umfrageergebnisse um die Ohren.

Warum also reitet Kurt Beck diese unsinnige Attacke? Will er dem alten „Parteifreund“ absichtlich schaden? Wie kann man eine weitere Möglichkeit höflich umschreiben? Fahrlässigkeit? Beck war jahrelang SPD-Vorsitzender und noch länger SPD-Ministerpräsident. Völlig verrückt kann er doch nicht sein. Apropos: Man hat schon lange nichts mehr von Rudolf Scharping gehört.