Tichys Einblick
Stephans Spitzen: 

Worüber die Kanzlerkandidaten schweigen

Zwischen den drei Kanzlerkandidaten steht nicht nur ein weißer Elefant, sondern drei bis vier, an denen sie alle angestrengt vorbeischauen. Am krassesten tun sie es, wo es um die Unsicherheit im öffentlichen Raum, vor allem für Frauen, geht.

Kristina Flour

Wenn ich nicht für TE hätte schreiben müssen, hätte ich mir das „Triell“ nicht angesehen. Es ist selten interessant, was Politiker sagen. Interessanter ist oft, worüber sie schweigen. Was das betrifft, standen so drei bis vier dicke weiße Elefanten im Raum und reckten ihre Rüssel.

Der eine heißt: „Klimasensibilität“. Frau Baerbock, voll in ihrem Element – „das Klima gerät außer Kontrolle“ –, mahnte bei den beiden Herren mehr Tempo an bei der „Rettung“ desselben. Statt sechs Jahre für die Genehmigung von Windspargel sollen künftig sechs Monate reichen – also ohne Rücksicht auf das Recht der Bürger auf Einspruch. Protest der beiden Herren, die eigentlich wissen müssten, dass man auch mit dem Zupflastern des Landes mit Windmühlen und Solarpaneelen keinen Industriestandort betreiben kann? Ausgeblieben. Armin Laschet, immerhin, setzte auf die Innovationskraft der Industrie. Leider vergaß er zu erwähnen, dass Deutschland sich aus der Innovation in Sachen Atomkraft schon vor Jahren verabschiedet hat. Inhärent sichere, müllvermeidende und in Bezug auf CO2 maximal klimasensible Atomkraftwerke werden mittlerweile woanders gebaut – hoffentlich in einer gewissen Nähe zu Deutschland, damit sie im Fall der Dunkelflaute aushelfen können. 

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Der andere Elefant heißt: „Menschenleben retten“. Während die Herren immerhin erkannt haben, dass man die Bundeswehr besser ausstatten müsse, wofür auch immer, spielt Baerbock die Herzkarte: Die große Raushole aus Afghanistan sei ihr entscheidender Punkt. Wen genau will man herausholen? Egal. Hauptsache, retten. „Politik ist für das Leben der Menschen da.“ Auch für das Leben der schon länger hier Lebenden, vulgo: der Deutschen?

Rettung also auch vor Corona. Immerhin möchte sie „wegen unserer Vergangenheit“ keine Impfpflicht, aber irgendwie vielleicht doch. Nur Laschet glaubt, dass man „3 G“ im öffentlichen Verkehr nicht durchsetzen könne. Ob man es soll? Auch das sparen alle Teilnehmer aus. Auffallend, schon seit längerer Zeit: Wo es um den Souverän geht, das Volk, die Staatsbürger, wird mittlerweile nur noch von „den Menschen“ geschwätzt. Das ist so gar kein „Respekt für dich“ (Scholz). Das Duzen ebenso wenig.

Das Menschenbild von Baerbock ist, nebenbei, ein wenig eindimensional: Nur Mütter, alleinerziehend, kommen bei ihr vor, nicht aber Väter oder gar Familien.

Der dritte Elefant sieht dann schon ziemlich finster aus. Fangfrage der beiden Moderatoren: Wo fühlen sich Frauen am unsichersten? Tunnel? Parks? Laschet ist von der Frage überfordert. Schulz spricht von „Femiziden“ im Zusammenleben. Baerbock weiß ganz klar: „Am unsichersten sind Frauen in den eigenen vier Wänden“, die meisten Tötungen geschähen durch den Ehemann, den Freund oder den Ex. Wie kommt‘s also, dass sich 72,5 Prozent der befragten Frauen in öffentlichen Räumen unsicher fühlen?

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Wahlkampf, aber ehrlich!
Baerbocks Behauptung erinnert haarscharf an die Beteuerung von Feministinnen nach der massenhaften Belästigung von Frauen durch Zugewanderte in der Kölner Silvesternacht 2015, man dürfe keinem Generalverdacht gegen „südländisch Aussehende“ Raum geben: Beim Oktoberfest gehe es weit schlimmer zu – durch, na klar, „Biodeutsche“. Merke: Männerhass ist nur erlaubt, wenn es um weiße Deutsche geht, alles andere wäre ein unzulässiger Generalverdacht. Aus Afghanistan oder anderen islamisch geprägten Ländern importierte Frauenverachtung gibt es demnach nicht – auch wenn die Statistik dagegen spricht: bei Sexualstraftaten gab es nach 2015 eine Verdopplung der Fälle mit Flüchtlingsbeteiligung, viele davon im öffentlichen Raum.  

Auch deshalb bin ich ganz einer Meinung mit Alice Schwarzer: Wir sollten afghanischen Frauen Asyl geben, jedenfalls denen, die an das Versprechen auf Freiheit und Gleichberechtigung geglaubt haben und danach leben wollen.

Das vierte Rüsseltier versteckt sich ein wenig hinter den anderen, es nennt sich „Meinungsfreiheit“. „Jeder kann denken und lachen, wie er will, als Privatmensch“, sagt Baerbock, lachend. Also nur zu Hause? Nicht in der Öffentlichkeit, wo man Dinge nicht sagen und Worte nicht benutzen soll, die „verletzen könnten“? Ach, Annalena. Viel zu viele halten sich bereits daran und trauen sich nicht mehr, den Mund aufzumachen. Die vom „Bündnis 90“, jene DDR-Gegner, deren Namen sich die Grünen noch immer anhängen, erinnern sich dabei allerdings an ein totalitäres Regime: an die DDR. 

Eine von sich selbst überzeugte Kandidatin mit Wahrnehmungsstörungen und zwei Männer, die zu feige sind, solchen Illusionen entgegenzutreten. Was für eine Qual, die Wahl.

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