Tichys Einblick
Stephans Spitzen:

Ich verzeihe nichts

Solange die RKI-Files geschwärzt bleiben, ist weiterhin Misstrauen angesagt. Der Schaden, den der Angriff auf die Grundrechte angerichtet hat, ist immer noch unübersehbar. Die Hexenjagd auf Ungeimpfte bleibt unvergessen, das Vertrauen in den Rechtsstaat erschüttert.

IMAGO / Eibner
Man sollte keine Krise ungenutzt verstreichen lassen, hat Churchill einst empfohlen. Angst erzeugt Gefolgschaft. Und dafür war die Corona-Politik (nicht nur) der deutschen Bundesregierung perfekt geeignet. Eine Blaupause auch für künftige Attacken auf die Grundrechte der Bürger.

Die jetzt vieldiskutierten „RKI-Files“ zeigen trotz Schwärzungen einschlägiger Informationen, dass die Panik-Pandemie nicht wissenschaftlichen Erkenntnissen des RKI folgte, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit politischen Vorgaben.

„Die Verschärfung der Risikobewertung von ‚mäßig‘ auf ‚hoch‘ – Grundlage sämtlicher Lockdown-Maßnahmen und Gerichtsurteile – gründete, anders als bislang geglaubt, nicht auf einer fachlichen Einschätzung des RKI, sondern auf der politischen Anweisung eines externen Akteurs.“

Und nun wollen wir alle wissen, wer das war. Churchill wohl nicht. Also wer?

Denn diese „Anweisung“ hatte üble Folgen. Der Schaden, den dieser völlig unmäßige Angriff auf Grundrechte und Bewegungsfreiheit angerichtet hat, ist unübersehbar. Restaurants und kleinere Geschäfte haben dicht gemacht – die Innenstädte wären längst leer und öd, wenn sich dort nicht bunt-diverses Treiben von Nochnichtlangehierlebenden abspielen würde. Unter Masken gezwungene Kinder sind verhaltensgestört, Jugendliche haben Monate ihres Lebens und Lernens verloren. Und man mag überhaupt nicht daran denken, dass Beflissene in Krankenhäusern und Pflegeheimen dafür gesorgt haben, dass Alte und Kranke ohne die Anwesenheit ihrer Nächsten sterben mussten.

Um mal persönlich zu werden: Better safe than sorry habe auch ich mir gesagt und im März 2020 brav Maske getragen und Abstand gehalten, was ich allerdings auch sonst schätze. Doch ein Blick in die Statistik hat ziemlich schnell klar gemacht, dass von einer für alle lebensgefährlichen Pandemie nicht die Rede sein konnte. Und dass weder chirurgische noch FFP2-Masken ein Hindernis für ein Virus darstellen, sondern höchstens schädlich sind für die Gesundheit ihrer Träger.

Doch es gab ja so hervorragende Wissenschaftler wie ein gewisser Heinz Bude, der sich noch heute rühmt, der Panikmache einen wissenschaftlichen Anstrich verpasst zu haben, da es eine „Isolationsmüdigkeit“ gegeben habe. Um Folgebereitschaft herzustellen, habe man so eine Art wissenschaftlicher Darstellung erfinden müssen, „was irgendwie toll war“ und für zukünftige Krisen wichtig sein würde.

Ja, das funktionierte bestens. Und so kam es zum Aufhetzen von Nachbarn gegen Nachbarn, von Großeltern gegen ihre Enkel, von Freunden gegen Freunde. Strahlend posteten Gläubige ein Bild des nackten Oberarms mit dem Pflästerchen, das zeigte, dass sie zu den glücklich Geimpften gehörten. Ein weitläufig verwandter Pfarrer schrieb mir stolz, dass er und seine Familie es geschafft hätten, sich bevorzugt impfen zu lassen, was andere „neidisch“ gemacht habe. Und der Großvater wollte nicht von den Enkeln besucht werden, weil er sie offenbar für Biowaffen hielt.

Den Ungeimpften wurde harsch mit Ausschluss aus der menschlichen Gesellschaft gedroht: Markus Söder sprach von der „Pandemie der Ungeimpften“, der damalige und der neue Gesundheitsminister mutmaßten, demnächst sei man entweder geimpft oder tot, und der Bundespräsident meinte angesichts der tapferen Menschen, die sich trotz geballter Polizeipräsenz gegen all diese autoritären Übergriffe auf die Straße wagten: „Der Spaziergang hat seine Unschuld verloren.“

Die Ungeimpften galten als die neuen Tyrannen, die eine Herdenimmunität verhinderten. Selbst als sich herausstellte, dass Geimpfte das Virus durchaus weitergeben konnten, hörte die soziale Ächtung der Ungeimpften nicht auf. Eine Art moderne Hexenjagd? Kann man so sagen. Die Medien jedenfalls stellten mit Eifer den Schandpfahl auf. Die Polizei exekutierte an allen, die sich öffentlich als „Coronaleugner“ zu erkennen gaben, die politischen Vorgaben mit oft äußerster Brutalität.

Übrigens ließen sich die Geimpften selbstgerecht noch nicht einmal darauf ein, sich vor einer Veranstaltung ebenfalls, wie Ungeimpfte, testen zu lassen. Das gab unsereins der Häme und Verachtung preis. Und heute? Heute dominiert das Gefühl, Glück gehabt zu haben.

Solange die RKI-Files nicht ungeschwärzt zugänglich gemacht werden, misstraue ich allen, die plötzlich einen milden Anflug von Reue zeigen oder gar behaupten, man habe das alles ja erst gar nicht so richtig durchschaut. Das gilt auch für Armin Laschet: Dass irgendetwas nur „den Rechtspopulisten“ helfe, ist ein Argument, das schon lange nicht mehr zieht. Denn das ist bereits passiert. Die Politik der letzten Jahre – und die von keinem Gespür für Demokratie und Rechtsstaat gequälten Figuren wie die Innenministerin – haben längst dafür gesorgt, dass das Vertrauen in Rechtsstaatlichkeit hierzulande längst zutiefst erschüttert ist.

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