Tichys Einblick
Stephans Spitzen:

God save the Queen – Ein Loblied auf die konstitutionelle Monarchie

Die konstitutionelle Monarchie ist ein Anachronismus und ihre Riten sind Folklore. Aber den Ländern tut sie gut, weil sie für Zusammenhalt sorgt. Einen Staat kann man schätzen, seine Politiker muss man ertragen, aber einen Monarchen kann man lieben und verehren.

IMAGO/United Archives International

Auch hierzulande hat die Queen ihre Anhänger, und keineswegs nur naive Verehrerinnen, die in ihrer Jugend Prinzessin gespielt und Krönchen getragen haben. Manch einer ist sogar neidisch auf die britische Monarchie mit ihrer beständigen, verlässlichen, dem Land und dem Commonwealth dienenden Queen, mit deren Tod eine Epoche endet. Der Lichtblick ist die Königin, die manch dunklen Fleck in der Geschichte der Nation ausgeblendet hat.

Ihre Kritiker verweisen natürlich auf die Absurdität einer Erbmonarchie: Die gekrönten Häupter sind schon als Baby royal, sie werden weder einem Intelligenztest unterworfen noch gewählt.

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Doch ist das wirklich ein Manko? Offenbar fällt es leichter, 70 Jahre lang ein Staatsoberhaupt zu lieben und zu verehren, gerade weil es den Schäbigkeiten der Politik enthoben ist. Eine Symbolfigur, die sich nicht in Jahren der Ochsentour jenen Stallgeruch hat aneignen müssen, der größtenteils nach Opportunismus stinkt. Die sich nicht alle Jahre wieder in Wahlkämpfen verrenken muss, damit die gewünschte Koalition auch zustandekommen kann. Das macht soeben der einstige Hoffnungsträger der CDU Friedrich Merz durch, der den Grünen vorausschauend so weit in den Allerwertesten kriecht, dass es ihm womöglich selbst die Luft nimmt. Und was wäre, wenn der Bundespräsident nicht einer wäre, der aus Parteienproporz in Bellevue gelandet ist, um das Volk mit sozialdemokratischem Mahnen und Warnen zu beglücken? 

Nicht jeder, der nach demokratischen Regeln gewählt wird, erweist sich als Glück für Land und Volk oder gar als Hüter seines Wohlstands und Wohlbefindens. Die Parteiendemokratie hat ihre Grenzen – zumal dann, wenn das Parlament unter Konsenszwang zum Abnickverein heruntergekommen ist und eine Kanzlerin alternativlos durchregiert. 

Nicht zuletzt fehlt unserer nüchternen Republik ein bisschen vom Pomp und Prunk, worauf sich die konstitutionelle Monarchie in Großbritannien stets so blendend verstanden hat. Nicht zuletzt übrigens, was die Armee betrifft und die Wertschätzung, die man britischen Soldaten geradezu ansieht: Was haben sie für farbige Uniformen! Und Straußenfedern auf den Helmen! Bei uns sind selbst die Ausgehuniformen puritanisch grau.

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Gut, einem, der hierzulande schon beim Großen Zapfenstreich Schnappatmung bekommt, dürfte selbst das schon zu viel sein. Soldaten haben hierzulande unsichtbar zu sein, wenn es sie nunmal geben muss. Und wer will schon unseren Kaiser Wilhelm wiederhaben! Wir haben, im Unterschied zu den Briten, keine nationale Identität und Kontinuität, es gibt einen Bruch in der deutschen Vergangenheit, der nicht zu heilen ist.

Und es stimmt ja: Die konstitutionelle Monarchie ist ein Anachronismus und ihre Riten Folklore, eine Touristenattraktion, die immerhin hilft, die Kosten der Royalty ein wenig zu dämpfen. Dabei wird gern übersehen, dass die königliche Familie einer Arbeit nachgeht, die den Spielraum recht klein hält, in dem ihre Angehörigen ihren Reichtum genießen und verprassen könnten. 

Nicht, dass man nun Mitleid empfinden müsste. Aber irgendwie sind die Royals doch erheblich unterhaltsamer als die Leuchten unserer parlamentarischen Demokratie, die sich nicht nur das im Verhältnis zur Größe des Landes mitgliederstärkste Parlament und demnächst das monumentalste Kanzleramt der Welt gönnen. Ganz ohne die Steuerzahler mit ein wenig Protz und Pomp zu entschädigen, die sich womöglich schon länger fragen, wofür man den gefräßig wachsenden Apparat eigentlich braucht, während Schulen verkommen und Infrastruktur zerfällt. 

Also noch einmal: Wozu ist die Monarchie gut, abgesehen vom Spektakulösen? Für so etwas wie den Zusammenhalt der Nation. Gerade weil der Monarch über den Parteien steht, keinem Lager zuzurechnen ist, nicht vom Wohlwollen des Wahlvolks abhängig ist, kann er Auseinanderstrebendes zusammenhalten. Wie manch ein ansonsten unsentimentaler Brite sagen würde: Eine Königin kann man lieben und verehren. Einen Staat kann man schätzen. Die meisten Politiker aber muss man leider ertragen.

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Doch genau das, das Zusammenhangstiftende der Queen, geriet ihr jüngst in der Talkshow von Markus Lanz zum großen Manko. Die Queen überdecke etwas, verhindere Veränderungen des Klassensystems, halte zusammen, was nicht zusammengehöre. Das dürfe nun endlich diskutiert werden. Und in bester klassenkämpferischer Manier tönte der Moderator, dass Großbritannien in der Hand von wenigen Großgrundbesitzern sei, die unermessliche Reichtümer anhäuften. Die Korrespondentin assistierte: Die Ungerechtigkeiten seien in England deutlich schreiender als in Deutschland, weil, Achtung, an der Spitze des Landes ein „nichtgewähltes Staatsoberhaupt“ stehe.

Ob das auch für die EU zutrifft? Help me out: Wurde Ursula von der Leyen im wahrsten Sinne des Wortes gewählt oder eher ausgewählt? Und wie steht es mit dem Bundespräsidenten, ist dessen Wahl mehr als eine formelle Bestätigung des vorher Vereinbarten? Und inwieweit ist ein Parlament von Vorteil, das auf Konsens getrimmt ist und die einzige Opposition systematisch ausgrenzt?

Der britische Autor Douglas Murray schätzt nicht nur den konstitutionellen Frieden, den die Monarchie bringt, sowie Einheit jenseits von Politik, sie schütze auch vor einer Politikform, die von sich behauptet, meritokratisch zu sein, aber alles andere ist als das.   

Und womöglich hat es die vierzehn Premierminister, die sie begrüßt und verabschiedet hat, ein wenig Demut gelehrt, wenn sie allwöchentlich vor der Queen sozusagen auf die Knie fallen mussten, um berichtend womöglich zugleich zu reflektieren, was wichtig und richtig ist und was nicht. 

Man nennt es: Rechenschaft ablegen. Das ist hierzulande dringend weiterzuempfehlen. Vielleicht verbunden mit dem Eingeständnis von Fehlern und der Buße dafür. In manchen Fällen wäre Rücktritt der erste Schritt in die richtige Richtung.