Tichys Einblick
Wie es dem Sender gefällt

ZDF-FakeNews oder von der Wichtigkeit der Beliebtheit bei Umfragen

Solange das ZDF als Überschrift über das Ranking die Behauptung „Die zehn wichtigsten Politiker“ stellt, tatsächlich aber eine Beliebtheitsskala produziert, ist zumindest dieser Teil der Ergebnisse schlicht und einfach nur als FakeNews zu bezeichnen.

Screenprint: ZDF/Politbarometer

„Seehofers Ansehen im Keller“, freute sich das ZDF unter Bezug auf das regelmäßig von der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen erstellte „ZDF-Politbarometer“. Und offenbart damit gleichzeitig die Fragwürdigkeit und die Missverständlichkeit seiner Fragestellung.

„Die Härte und der Stil der Auseinandersetzung der letzten Wochen haben auch das Ansehen Horst Seehofers in Mitleidenschaft gezogen. Der Bundesinnenminister stürzte auf der Liste der zehn wichtigsten Politikerinnen und Politiker regelrecht ab. Der CSU-Chef wird jetzt nur noch mit minus 1,2 bewertet (Juni II: minus 0,3) und erhält selbst von den Anhängern der CDU/CSU einen negativen Durchschnittswert (minus 0,3).

Dass Seehofer weiter Bundesinnenminister bleibt, halten nur 37 Prozent für gut und 57 Prozent für schlecht.“

Finde den Fehler

Einmal abgesehen davon, dass bei dieser weil sternlos nur fast gendergerechten Meldung das mediale Seehofer-Bashing offenbar nicht ohne Folgen geblieben ist, darf man geneigt sein, hier die in den sozialen Medien beliebte Frage des „Finde den Fehler“ zu stellen.

Entdecken Sie ihn, lieber Leser? Falls nicht – ich leiste gern Hilfestelllung.

Die falsche Frage

Die von den Mannheimern gestellte Frage für das ZDF-Politbarometer lautet nämlich gar nicht: „Wer ist für Sie der beliebteste Politiker“ – sie lautet: „Wer ist für Sie der wichtigste Politiker“. Darauf dann basiert das veröffentlichte Ranking.

Korrekt also müsste die ZDF-Schlagzeile lauten: „Seehofers Wichtigkeit im Keller“.

Da nun Wichtigkeit nicht das Geringste mit Beliebtheit zu tun hat, wäre also anzunehmen, dass ein großer Teil der Befragten davon ausgeht, dass Seehofers Einfluss auf die Politik – denn nur dadurch definiert sich diese „Wichtigkeit“ – durch den sogenannten Asylstreit erheblich abgenommen hätte. So zumindest wäre es, wenn mit der Frage tatsächlich eine Gewichtung der Bedeutung der politischen Führungskräfte zu ermitteln wäre. Tatsächlich allerdings hat Seehofer damit zumindest seine Wichtigkeit für die Bundespolitik deutlich unterstrichen – gleich, ob als Anti-Migrationskäpfer oder Kanzlermacher.

Was haben die Unwichtigen im Ranking zu suchen?

Angenommen, es wäre so, wie die Frage nach der „Wichtigkeit“ notwendig impliziert. Was hat dann aber der ausgemusterte Grünen-Chef Cem Özdemir auf Platz 3 des Rankings zu suchen? Und wie in drei Gottes Namen konnte sich der zum außenpolitischen Grüßaugust degradierte Heiko Maas auf Platz 4 verirren? Was macht die ihren Sozialismus um die nationale Komponente bereichernde Sahra Wagenknecht auf Platz 5?

Özdemirs politische Bedeutung hat mittlerweile Robert Habeck übernommen. Dem wäre in Sachen Wichtigkeit vielleicht ein Platz unter den Top-Ten zuzuweisen. Doch er hat keinen.

Und wieso geistert die Salonkommunistin auf dieser Liste herum? Die ist nicht einmal in ihrer Partei wirklich wichtig – und politisch in der Republik bewegen tut sie schon gar nichts.

Beliebtheit statt Wichtigkeit

Nein – dieses vorgebliche Wichtigkeitsranking ist nichts anderes als das, was neudeutsch als FakeNews bezeichnet wird. Und das nun schon seit Jahren. Vielleicht – ganz vielleicht – ging es vor langer, langer Zeit tatsächlich einmal darum, durch die Befragten abschätzen zu lassen, wie hoch der Einfluss der führenden Politiker auf die Geschicke der Republik ist. Denn nur dieses und nichts anderes impliziert die Frage nach der „Wichtigkeit“.

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Doch Befragte wie Befrager – und vor allem die semantischen Laien in den ZDF-Redaktionen beantworten die vom Institut gestellte Frage schon längst nicht mehr. Sie stellen die Frage nach der „Wichtigkeit“ – doch sie meinen tatsächlich „Beliebtheit“. Deshalb nun darf sich Özdemir mit 0,9 immer noch als Grünen-Repräsentant dort tummeln, obgleich sein politischer Einfluss mittlerweile gegen Null geht. Nachvollziehbar. Die weibliche Grünenchefin, deren Name mir schon wieder entfallen ist, würde bei Beliebtheits- wie Wichtigkeitsskala vermutlich unter dem erfassbaren Wertebereich verharren. Der Hofreiter Anton aus dem mondänen München – nun, auch der würde wohl kaum an des Cems Werte reichen. Aber da man einen Grünen braucht und dieser möglichst gute Werte haben sollte, ist nun einmal der Cem der beste Kandidat.

Auch Sprech-Schau-Dauergast Wagenknecht findet sich ausschließlich deshalb in den TopTen. Man stelle sich nur einmal die Beliebtheitswerte des völlig unwichtigen Bernd Riexinger vor! Dann besser die schöne Sahra. Auch wenn es beim Ranking nur für 0,3 reicht.

Auch der außenpolitische Grüßaugust ist beliebt

Außerdem müssen die beiden ja in Erinnerung bleiben, damit die Redemeister der enervierenden Abendunterhaltung deren Dauerpräsenz rechtfertigen können. Deshalb auch darf der Totengräber des deutschen Rechtsstaats in seiner außenpolitischen Grüßaugust-Funktion dort teilhaben. Es wird ein ewiges Rätsel bleiben, weshalb Außenminister beim Volk (Pardon: Bei denen, die schon länger hier leben) unabhängig von Linkig- und Unfähigkeit schnurstracks das Ranking nach oben antreten. Maas hat es immerhin schon auf einen Wert von 0,5 gebracht. Auch gilt das Gesagte für Christan Lindner (Sie wissen schon: Der Dressman der FDP). Der hat zwar in der Haushaltsdebatte die vielleicht beste Rede gehalten – aber ist der „wichtig“? Kann Lindner irgendetwas bewirken? Kaum. Aber er hat ja auch nur 0,1 und rangiert gleichauf mit der Bundes-Uschi auf Rang 7 und 8.

Wirklich wichtige einfach vergessen

Dafür dürfen dann jene, die vielleicht tatsächlich mit gutem Grund in ein Ranking der „Wichtigkeit“ hätten aufgenommen werden müssen, gar nicht erst auftauchen. Denken wir mal an Alexander Gauland. Er und mit ihm Alice Weidel haben in den vergangenen Wochen vermutlich politisch mehr bewirkt als Özdemir, Maas, Wagenknecht und Lindner zusammen. Denn machen wir uns nichts vor: Ohne diese beiden hätte das Thema Massenmigration niemals den notwendigen Stellenwert gefunden, den es gegenwärtig hat. Vielmehr hätte die Politikelite weiterhin in der „Flüchtlings”euphorie geschwelgt – und die Probleme unter den Teppich gekehrt.

Da nun aber entgegen anderslautender Fragestellung eben nicht die Wichtigkeit, sondern die Beliebtheit der Politiker abgefragt wird, dürfen Gauland und Weidel selbstverständlich nicht auftauchen. Man stelle sich vor, Weidel bekäme einen Wert von 1,1 – weil doch mancher der Befragten ihre Wichtigkeit hoch einschätzen würde oder sie vielleicht sogar beliebt sein könnte! Was wäre dann? Nun, dann läge sie noch vor dem Langweiler Olaf Scholz, der im Moment gerade dabei ist, die Frage des virtuellen SPD-Kanzlerkandidaten für sich zu entscheiden. Der hat es nämlich in der Skala auf 1,0 gebracht und rangiert damit sogar vor der langjährigen Spitzenreiterin Angela Merkel auf Platz 1. Merkel selbst hat es in der von +5 bis -5 reichenden Wichtigkeitsskala gerade noch einen Wert von 0,9 gebracht. Was gemäß Fragestellung korrekt hieße: Merkel ist ziemlich unwichtig – wenn auch nicht ganz so unwichtig wie die anderen acht, die hinter ihr liegen.

Und sonst noch?

Doch zurück zu Scholz und der virtuellen Kanzlerfrage. Andrea Nahles, derzeit Fraktions- und Parteichefin einer ehedem wichtigen Partei namens SPD, bringt es nur auf 0,2 und findet sich noch hinter Wagenknecht auf Rang 6 wieder. Also ist sie weder wichtig noch unwichtig. Eigentlich ist sie nichts. Und sie liegt in Wert und Rang deutlich abgeschlagen hinter dem Finanz-Olaf. Also: Olaf for Kanzlerkandidat – mag sich Nahles damit trösten, dass dieser Job ohnehin nur rein virtuell ist. Denn die SPD – auch das weist das Politbarometer aus – bewegt sich derzeit auf nur noch 18 % bei der beliebten „was würden Sie wählen wenn am Sonntag …“-Frage. Insofern wäre ein SPD-Kanzlerkandidat durchaus mit dem früheren FDP-Kanzlerkandidaten Guido Westerwelle und die SPD mit dessen „Projekt 18“ zu vergleichen. Wobei – die SPD setzt nach wie vor alles daran, auch diese 18 Prozent zu unterbieten.

Achja – dann ist da natürlich auch noch die Frage nach dem Bundespräsidenten. Traditionell sind unsere Präsidenten im Volk ziemlich beliebt. Ihre Wichtigkeit hält sich jedoch in Grenzen. Vermutlich deshalb taucht Frank Walter Steinmeier im Ranking gar nicht erst auf – zu unwichtig. Womit wir nun leider auch nichts über seine Beliebtheit erfahren.

Dafür aber ist nun auch der neue Bayern-Kini Markus Söder (-0,9) im Feld. Immerhin: Der einzige Ministerpräsident, der die Aufnahme geschafft hat. Dafür darf er den vorletzten Platz besetzen – immerhin noch vor seinem CSU-Konkurrenten.

Die bösen Populisten nach hinten

Politisch wirklich „wichtig“ allerdings ist ein Söder nur in Bayern – und das ist bekanntlich nicht die Bundesrepublik. Aber auch hierbei geht es eben nur um die Beliebtheit – und wie sagen die Bayern? „Passt scho“ – wenn der Söder, dieser böse Populist, sich nun sogar noch eines von einem SPD-Politiker geprägten Begriffs wie des „Asyl-Tourismus“ bedient. Weshalb er nebst seinem Parteichef von jener unwichtigen Dame, für die Deutschland ein „mieses Stück Scheiße“ ist und die damit ihren tiefst wurzelnden Respekt für unser Grundgesetz zum Ausdruck gebracht hat, mit folgender Feststellung bedacht wird: „Die sprachliche und politische Verrohung, die Horst Seehofer und seine CSU seit Wochen und Monaten befeuern, ist Gift für Deutschland und Europa. Von einem Verfassungsminister erwarte ich nicht nur den tiefsten Respekt für unser Grundgesetz und das Völkerrecht, sondern auch Empathie und Taktgefühl.“ Immer gut, wenn man mit dem Zeigefinger auf andere zeigen kann, während der Stinkefinger auf einen selbst gerichtet ist.

Habeck lauert

Ginge es bei dem ZDF-Ranking tatsächlich um „Wichtigkeit“, dann hätten von den genannten nur Merkel, Scholz, Seehofer, Nahles und vdL etwas auf der Liste zu suchen. Aber – wie gesagt – darum geht es ja auch gar nicht. Auch wenn das offiziell drüber steht. Dieses Ranking soll nichts anderes als ein Beliebtheits-Ranking vermitteln, um den deutschen Michel auf die richtige Spur zu bringen.

Da ist es dann eben auch nur logisch, dass jene, die wichtig aber medialpolitisch unbeliebt sind, hinten auf der Liste landen. Und dass welche, die vielleicht tatsächlich nicht unwichtig sind, nicht auftauchen dürfen, weil sie vielleicht zu beliebt sein könnten. Und selbstverständlich, dass jene, die der medialpolitische Komplex gern beliebt hätte, immer noch auftauchen, obgleich sie mittlerweile völlig unwichtig sind.

Obgleich – ich wage einmal die Prognose, dass des Özdemirs Tage auf dieser Liste gezählt sind. Habeck lauert – und da der künftig als grüner Frontmann ziemlich beliebt sein muss, wird er nun demnächst auch wichtig werden. Dass er bislang noch nicht in der Liste aufgetaucht ist, könnte damit zusammenhängen, dass 90 % der Befragten bei ihm ein „kenn ich nicht“ angegeben haben. Das macht dann selbst virtuelle Ergebnisse zu fragwürdig.

Am Ende doch nur FakeNews

Wie auch immer – um auf den Einstieg dieses Textes zurück zu kommen: Solange das ZDF als Überschrift über das Ranking die Behauptung „Die zehn wichtigsten Politiker“ stellt, tatsächlich aber eine Beliebtheitsskala produziert, ist zumindest dieser Teil der Ergebnisse der Forschungsgruppe Wahlen leider schlicht und einfach nur als FakeNews zu bezeichnen.

Was dann im Übrigen nun auch wieder auf die Seehofer-Bewertung zutreffen dürfte. Denn auf die Frage, ob sie es gut finden, dass Seehofer Bundesminister bleibt, haben immerhin 37 % mit „Ja“ geantwortet. Zur Erinnerung: Bei der Bundestagswahl kam die Union nur auf glatte 33 Prozent der abgegeben Stimmen.

Vor allem auch, weil 62 % der Befragten Seehofers Transitverfahren befürworten, gilt dann jenseits der FakeNews eben doch: Zumindest in der Migrationsfrage bislang alles richtig gemacht, Herr Bundesminister. Auch wenn es den ZDF-Redakteuren so überhaupt nicht gefallen mag.