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Signal auch für Merkels Niedergang

Verfassungsschutz-Präsident Haldenwang entpuppt sich als Fehlbesetzung

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln, der die Einstufung der AfD als Verdachtsfall unterbindet, ist ein Hammerschlag gegen den Bundesverfassungsschutz. Eigentlich müsste sein Präsident Haldenwang nun den Schlapphut nehmen.

IMAGO / Future Image

Gestern die lange erwartete „Bekanntgabe“, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die Gesamtpartei AfD als „rechtsextremistischen Verdachtsfall“ einstuft und infolgedessen die Partei nebst Sympathisanten mit geheimdienstlichen Mittel ausspionieren darf – heute der Hammerschlag des Verwaltungsgerichts Köln.

Amtschef Thomas Haldenwang sollte, so er noch einen Rest Ehre verspürt, sofort seinen Schlapphut nehmen. Und Dienstherr Horst Seehofer gleich mit ihm.

Kölner Gericht weist BfV in die Schranken

Noch vorgestern hatte ich in einem umfangreichen Text dargelegt, weshalb das BfV, dessen offizielle Aufgabe es ist, die Verfassung – also das Grundgesetz – der Bundesrepublik Deutschland zu schützen, mit seiner am vergangenen Donnerstag getroffenen, politischen Entscheidung gegen die AfD vom Bürgerschutzamt zum Staatsschutzamt mutiert und auf dem besten Wege ist, eine „FDGO-Diktatur” zu etablieren – heute nun hat das Verwaltungsgericht Köln Amtschef Haldenwang kräftig den Kopf gewaschen.

„Der Antragsgegnerin wird bis zur Entscheidung des Gerichts in dem Eilverfahren 13 L 105/21 aufgegeben, es zu unterlassen, die Antragstellerin als ‚Verdachtsfall‘ einzuordnen, zu beobachten, zu behandeln, zu prüfen und/oder zu führen sowie die Einordung, Beobachtung, Behandlung, Prüfung und/oder Führung der Antragstellerin als ‚Verdachtsfall‘ erneut öffentlich oder nicht öffentlich bekanntzugeben.“

Eine systemische Fehlbesetzung

Damit haben die Kölner Richter nicht nur belegt, dass Haldenwang mit seinem Amt gänzlich fehlbesetzt ist – es hat auch klargestellt, wer in der Bundesrepublik (noch) für das Recht zuständig ist: Die Gerichte, und nicht irgendwelche Amtsleiter, die Verfassungsschutz mit Staatsparteienschutz verwechseln.

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Hintergrund der vorläufigen Entscheidung des Gerichts ist ein dort anhängiges Verfahren, welches die größte und auf demokratischem Wege in die Parlamente eingezogene Oppositionspartei gegen das BfV in eben dieser Sache angestrengt hatte. Längst war klar, dass das Gericht das Vorhaben der Was-auch-immer-Schützer sehr sorgfältig und kritisch betrachten würde, denn letztlich geht es um nicht mehr und nicht weniger als um die Frage, ob eine Partei, in deren Reihen sich möglicherweise Personen befinden, die ihr in der Verfassung verankertes Recht auf Radikalkritik auch gegen den Staat wahrnehmen, in Bausch und Bogen wegen behaupteten „Rechtsextremismus“ ins Fadenkreuz der Behörde mit Dienstsitz in Köln und Berlin geraten darf. Frühere Entscheidungen der Gerichte haben für eine solche Beobachtung hohe Hürden aufgestellt – Hürden, die Haldenwang mit offenbar mehr als fragwürdigen Einschätzungen und Gefälligkeitsgutachten vom Tisch zu wischen suchte.
Nicht nach Gesetz, sondern nach politischer Opportunität entschieden

Längst pfiffen es die Spatzen von den Dächern, dass das Amt im Auftrag „von oben“ rechtzeitig vor den anstehenden Wahlen des Jahres 2021 auf Länder- und Bundesebene der ungeliebten Parteienkonkurrenz über eine entsprechende Einstufung den Todesstoß versetzen sollte. Die Blaupause für das Vorgehen hatte bereits vor rund einem Jahr die entsprechende Beobachtung der politisch unbedeutenden „Identitären Bewegung“ geliefert. Damals reichten vorgebliche Verbindungen einzelner Personen aus der identitären Szene zu rechtsextremistischen Kreisen aus, um den Beobachtungsfall zu erklären.

Fragwürdig war das damals schon – denn mit dieser Begründung, die Programmatik und die Positionen der Führungen der Gruppen gezielt ausblendet, lässt sich letztlich nach Bedarf jede Partei unter Staatsschutzbeobachtung stellen. Und das nicht nur „rechts“, sondern auch bei den anderen Kollektivisten des politischen Spektrums: Der als „Linkspartei“ getarnten SED, deren jüngst gewählte Führerinnen ebenso wie SPD-Chefin Saskia Esken sich offen zur linksextremistischen Antifa-Szene bekennen und Kontakte dorthin unterhalten.

Ohne Achtung vor Recht und Gerichten

Für Haldenwang, der nach jüngsten Erkenntnissen unmittelbar durch die Frau Bundeskanzler gegen eine anderslautende Personalentscheidung von SPD und Seehofer durchgesetzt worden war, ist die Entscheidung des Kölner Gerichts ein K.O.-Schlag. Sie belegt: Der Mann hat keine Achtung vor Recht und Gerichten – vernichtender kann ein Urteil nicht sein über jemanden, der auf einem der einflussreichsten Posten der Exekutive sitzt.

Mehr als eine Schlappe haben die Kölner damit auch dem Staatsparteienkartell und vor allem Angela Merkel verpasst. Hoffte die ganz große Koalition von Kommunisten bis entbürgerlichten Christsozialdemokraten nun, damit endlich die im Kern konservative Konkurrenz stigmatisiert wegfegen zu können, haben die Parteiführungen nun den Beleg auf dem Tisch, dass trotz aller Versuche, Verfassung und Rechtsstaat auszuhebeln, in Gerichten immer noch Juristen sitzen, die ihren Job ernst nehmen.

Signal auch für Merkels Niedergang

Eingriff in die Chancengleichheit
Gericht untersagt Bundesverfassungsschutz die Einordnung der AfD als Verdachtsfall
So wirft dieses Urteil auch ein Schlaglicht auf den nicht mehr übersehbaren Niedergang einer Frau, die noch vor einem Jahr eine auf parlamentarischem Wege demokratisch erfolgte Wahl mit dem Gestus einer Sonnenkönigin vom Tisch fegte. Gestern strichen ihr die Ministerpräsidenten der Länder gegen erbitterten Widerstand ihre 35-Corona-Inzidenz, aus der sie eine 0-Inzidenz machen wollte – heute teilt ihr ein Gericht nicht nur durch die Hintertür mit, dass ihr Personaldiktat einen Unfähigen in ein Amt gebracht hat, das er zum offensichtlich politisch motivierten Machtmissbrauch nutzt, sondern hat der Dame aus der Uckermark auch deutlich gemacht, dass ihr systemisches Staatsratsvorsitzendengehabe nicht mit einem Rechtsstaat BRD kompatibel ist.

Deutlicher geht es nicht – und es gemahnt an Friedrich Nietzsche, der bereits 1888 erkannt hatte: „Ich misstraue allen Systematikern und gehe ihnen aus dem Weg. Der Wille zum System ist ein Mangel an Rechtschaffenheit.“

Es wäre an der Zeit, dass endlich auch jene Partei aufwacht, die in früheren Zeiten als Garant der bürgerlichen Freiheitsrechte und des Verfassungsstaats galt. Doch dem FDP-Vorsitzenden Christian Lindner, der lieber um die Gunst der Systematikerin buhlt, als ihr aus dem Weg zu gehen, hatte Merkel ja spätestens mit ihrem Veto gegen einen demokratisch gewählten FDP-Ministerpräsidenten in Thüringen das Mark aus dem Rückgrat gezogen.

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