Tichys Einblick
Erdogans Ausfälle sind Kalkül

„Terrorpate Erdogan“ – ein Mann und seine Geschichten

Erdogan nutzt die Tage bis zum Referendum, mit dem mangelnden Willen deutscher Stellen, die angeblichen Gülen-Terroristen auszuliefern, um noch mehr leichtgläubige Türken von der Notwendigkeit der totalen Erdoganischen Machtergreifung zu überzeugen.

So langsam scheint auch den Regierungsschäflein in Berlin der Kragen zu platzen. Erdogans Möchtegern-Sultan Recep Tayyip Erdogan überstrapaziert selbst die höchst duldsamem Nerven unserer Regierungs- und Parlamentsbänke.

Es sind nicht nur die absurden Nazi-Vorwürfe, mit denen der übernervös dem Referendum seiner totalen Machtergreifung entgegen fiebernde Mann aus dem Kleinkriminellen-Viertel Kostantinopels die Europäer seit geraumer Zeit überzieht.

Nun hat sein Geheimdienst sogar noch höchst offiziell eine Liste in Deutschland lebender „Terroristen“ aus der Gülen-Bewegung überreicht (die Liste der „PKK-Terroristen“ liegt schon länger vor), und der Muslimbruder selbst sich in seinen Show-Events dahin gesteigert, allen Europäern und „Westlern“ mit weltweiter Verfolgung zu drohen.

„Spionage nicht mehr dulden“

Blicken wir zuerst auf den Bundesminister des Innern – Thomas de Maizière sieht sich angesichts der Gülen-Terrorliste zu der Feststellung veranlasst: „Spionageaktivitäten auf deutschem Boden sind strafbar und werden nicht geduldet!“
Eine Feststellung, deren Wahrheitsgehalt jedoch durchaus angezweifelt werden darf, zumindest dann, wenn es sich hierbei nicht um die Beschreibung einer zukünftigen Zeitphase, sondern um die fortlaufende Situation der Gegenwart handeln sollte. Die deutsche Grammatik ist bei diesem Satz nicht absolut eindeutig – und gibt damit der Schwammigkeit der ministeriellen Aussage jeden Raum. Denn die Tatsache, dass türkische Dienste auf deutschem Boden bislang ungehindert aktiv sein konnten – und sich dafür auch imamisierter DITIB-Hilfstruppen bediente – ist den deutschen Diensten hinlänglich bekannt. Weshalb man vermutlich davon ausgehen muss, dass der Minister mit seiner Aussage auf eine zukünftige Situation blickte. Lesen wir de Maizières Satz also als „Spionageaktivitäten auf deutschem Boden sind strafbar und werden KÜNFTIG nicht MEHR geduldet!“ Was uns selbstverständlich zu der Frage veranlasst, weshalb sie bislang geduldet wurden.

„Putschversuch der türkischen Führung“

Dann ist da der sonst so besonnene Bundestagspräsident Norbert Lammert, dem nun offenkundig die Hutschnur geplatzt ist. Er nimmt das Erdogan’sche Selbstermächtigungsgesetz, über das nun auch auf deutschem Boden abgestimmt werden darf, zum Anlass, es völlig undiplomatisch und seinen sonstigen Gepflogenheiten widersprechend als das zu benennen, was es tatsächlich ist. Lammert spricht nun von einem „Putschversuch der türkischen Führung“ – womit er jedoch, in vermutlicher Verkennung der Sachlage, nicht die Putschinszenierung des vergangenen Sommers, sondern die „Umwandlung einer zweifellos fragilen, aber demokratischen Ordnung in ein autoritäres System“ meint. Richtig, Herr Bundestagspräsident – zutreffend erkannt. Hier bei TE weisen wir darauf regelmäßig seit Oktober 2015 hin. Schön, dass die Erkenntnis nun auch den zweiten Mann im Staat erreicht hat.

„Terrorpate Erdogan“

Den wirklichen Böhmermann-Hammer aber hat nun der Steuerzahler-finanzierten Medien liebste Salonkommunistin herausgeholt. Ursache: Der kranke Mann am Bosporus hat auf einem seiner zahlreichen Fanauftritte folgende Drohung ausgesprochen: „Wenn ihr euch weiterhin so benehmt, wird morgen kein einziger Europäer, kein einziger Westler auch nur irgendwo auf der Welt sicher und beruhigt einen Schritt auf die Straße setzen können.“

Nun wissen Sie es also, liebe Türkei-All-Inclusive-Pendler: Setzen Sie um Himmels Willen bei Ihrem nächsten Aufenthalt in den Hotels genannten Lagern der Rundum-Edelbepamperung bloß keinen Fuß mehr vor die Tür. Nimmt man Erdogans Drohung ernst, dann warten seine Banden schon auf Euch. Aber nicht nur auf dem Markt von Antalya – auch sonst überall auf der Welt wären seine getreuen Exekutoren nun in Wartestellung: „Europäer? Etwa gar Westler? Erdoganu Akbar – Erdogan ist groß!“ Und schon wäre es der letzte aller Aufenthalte und der Ungläubige befände sich auf dem direkten Weg in die ewigen Feuer der islamischen Hölle. Apropos Hölle, Herr Bundesminister des Äußeren – gibt es schon eine offizielle, generelle Reisewarnung?

Wer wollte bei so viel lebensbedrohlicher Direktheit der Talkshow-Dauerdame noch wiedersprechen, wenn sie feststellt: „Das ist der Aufruf zum Terrorismus. Da spricht ein Terrorist. Nichts anderes ist das.“ Dann findet sie sogar noch die elegante Kurve zu den weltweiten Geschäftsaktivitäten der Erdogan-Sippe und nennt den türkischen Alleinunterhalter den „Terrorpaten Erdogan!“

Da kann Sahra Wagenknecht nun von Glück reden, dass sie als Abgeordnete des Deutschen Bundestags unter Immunität steht. Denn andernfalls fände sie sich wohl demnächst wie eben jener Böhmermann schnell vor einem deutschen Gericht wegen Majestätsbeleidung wieder. Angeklagt von jenem Anwalt, der vor nicht allzu langer Zeit auch den Erdogan-Bruder im islamischen Geist, Aiman Mazyek, gegenüber TE zu vertreten suchte, weil eine dort getätigte Meinungsäußerung dem selbsternannten bundesdeutschen Obermuslim nicht gefiel. Tatsächlich allerdings bleibt es mehr als befremdlich, wie duldsam die nun auf die Liste potentieller Terroropfer gesetzten „Westler“ sich immer noch gegenüber dem Rumpelstilzchen in Ankara verhalten. Es grenzt an ein Cetero censeo – aber längst schon hätte die deutsche Regierung die deutschen Truppen aus dem Reich des Bösartigen abziehen sollen. Längst schon hätte die EU die überfällige Reißleine ziehen und die abschließend zur Farce gewordenen Beitrittsverhandlungen beenden müssen. Längst schon hätte sich die NATO auf ihre Gründungsakte besinnen müssen – in der doch steht, dass es ein vorrangiges Ziel aller Mitgliedsstaaten sei, in diesen die Demokratie zu schützen.

Aber nichts von alledem – bestenfalls mal ein leicht erhobener Zeigefinger: „Du, das sagt man aber nicht!“

Aber auch das kann Erdogan besser. Er ist ein Meister des dauer-erhobenen, islamischen Belehrungsfingers, der irgendwie von Allah gesteuert sein muss, denn er gehört zum Standardrepertoire all der islamischen Straßen- und Gotteskämpfer. Mit ihm, der allein schon mit seiner knallharten Geständigkeit als aufrechter Kampfauftrag Mohameds jedes Gegenüber vorsätzlich einschüchtert, können Europas schlaffe Kuschelfinger einfach nicht mithalten.

Die Unfähigkeit zum Hineindenken

Doch wie immer im Umgang mit fremden Kulturen unterliegen eben auch die Europäer der Unfähigkeit, sich in den Kopf des Anderen hinein zu denken. Und so redete man sich den „Terrorpaten“ ständig schön, wiegte sich mit der Traumvorstellung in den Dauerschlaf, wenn der etwas ungestüme Erdo erst einmal Diktator ist, dann wird er schon wieder normal werden. Dabei ist er das schon immer gewesen. Er hatte nur eine Zeitlang einen westlichen Kaftan übergestreift. Und es hat bestens funktioniert. So gut, dass beispielsweise der größte deutsche Einkaufszentrumbetreiber mit richtig viel Geld im früher christlichen Anatolien eingestiegen ist und nun natürlich um seine Investments bangt.

Wie gut die Unfähigkeit des Culture-change funktioniert, zeigt sich einmal mehr auch bei der vom Geheimdienst MITgebrachten und überreichten Liste. Da sitzen sie nun in Berlin und in den Landesministerien, fassen sich an den Kopf und fragen sich, ob denn der Erdogan allen Ernstes davon ausgehe, dass Deutschland nach seinen flankierenden Maßnahmen gegen die kurdischen „Terroristen“ nun auch noch alle Gülenisten einsammelt, nur weil der türkische Geheimdienst sie erfolgreich in Deutschland ausgespitzelt hat?

Nur der nächste Schritt der Eskalation

Selbstverständlich nicht, liebe Politiker und Politikerzuarbeiter. Auch Erdogan und seiner Geheimen Sultanatspolizei ist nicht entgangen, dass die EU erst jüngst einen Bericht veröffentlicht hat, in dem die Gülen-Bewegung von der Putsch-Beteiligung freigesprochen wurde. Und selbstverständlich wissen die türkischen Machttotalitaristen auch, dass die von ihnen vorgelegten, angeblichen Beweise gegen den in den USA lebenden islamischen Sektengründer vorn und hinten nicht ausreichten, um Fetullah an seinen Erzfeind auszuliefern.

Was also mag die Türken geritten haben, sich nun auch offiziell zu ihren Spitzeltätigkeiten auf deutschem Boden zu bekennen? Keine Idee? Dann, liebe Geheimdienstler, denkt jetzt einmal kurz wie Erdogan. Dazu müsst ihr als erstes davon ausgehen, dass er mit dem EU-Beitritt längst abgeschlossen hat. Deshalb verkündet er auch lauthals, dass er die Todesstrafe unterstützt – denn die ist ein absolutes EU-no-go. Auch mit der NATO ist er durch. Die nutzt er nur noch ein wenig aus, um seinen Feldzug gegen die Kurden tarnen zu können.

Nachdem das nun gesackt ist, kommt der zweite Schritt.

Erdogan ist der festen Überzeugung, dass sein tumbes, mittlerweile von den Grauen-Wolfs-Faschisten hirngewaschenes Volk seine niederen Instinkte im gemeinsamen Hass auf „den Westen“ auslebt – und die angebliche Unterdrückung seiner geschundenen Volksgenossen im „faschistischen Deutschland“ noch einen allerletzten Kick benötigen, um endlich ihren beharrlich implantierten Deutschenhass in vollen Zügen ausleben zu können. Also lässt er eine Terroristenliste übergeben – wohl wissend, dass diese Liste das genaue Gegenteil der scheinbar damit verbundenen Intention erreichen wird.

Und dann? Dann hat er – nachdem er den „Deutschnazis“ bereits ständig die Unterstützung der Kurdenterroristen vorwirft, endlich den abschließenden Beweis, dass die Deutschen mit Gülen und den Kurden gemeinsame Sache machen. Also wird er in den kommenden Tagen bis zum Referendum noch einmal so richtig kräftig draufhauen – und den mangelnden Willen deutscher Stellen, die angeblichen Gülen-Terroristen einzukerken und auszuliefern – nein, ihnen sogar noch den Rat zu geben, die Türkei zu meiden!, nutzen, um noch mehr leichtgläubige Türken von der unabwendbaren Notwendigkeit der totalen Erdoganischen Machtergreifung zu überzeugen.

Die Putschnacht und die NATO

So passt denn hier Puzzle-Teilchen zu Puzzle-Teilchen – und es stellt sich einmal mehr die Frage, warum die NATO nicht endlich die Protokolle ihrer Luftraumbeobachtung der Türkei in jener ominösen Putschnacht vorlegt. Denn dann wäre doch unzweifelhaft festzustellen, ob Erdoganischen Erzählungen von nächtlichen Kampfjetattacken auf seinen Urlaubssitz, dem er, in letzter Sekunde entkommen konnte, ebenso wie sein nächtlicher Flug von der Mittelmeerküste ins von den Putschisten belagerte Istanbul, bei dem sein Pilot offenbar alle Putschistenjets elegant ausgetrickst hat, in die Märchenkiste von tausendundeine Nacht gehören oder ob es sich bei der putschenden Luftwaffe, die einst zu den besten der NATO gehörte, nur um fliegerische Dummdeppen gehandelt hat, die völlig planlos einfach mal ein wenig Putsch spielen wollten und sich darauf beschränkten, das Parlamentsgebäude in Ankara, das ohnehn demnächst nicht mehr gebraucht wird, wenn Erdogan erst Alleinherrscher ist, statt den benachbarten Sultanspalast unter Feuer zu nehmen.

Wobei – eigentlich bedarf es dieser NATO-Protokolle auch nicht mehr. Denn allein die Tatsache, dass sie bewusst nicht veröffentlicht werden und einfach nicht stattfinden, spricht bereits Bände. Hätten sie Receps Erzählungen gestützt, hätte man damit doch dem bedrängten NATO-Freund hilfreich unter die Arme greifen können. Insofern wird es – in sha’allah – seine guten Gründe haben, dass sie lautlos in der Versenkung verschwunden sind.