Tichys Einblick
Verlierer Erdogan

Neue Entwicklungen in Syrien, während Maas mit der Türkei kuschelt

In der aktuellen Lage kann es auf eine Teilung Syriens hinauslaufen: Ein alawitisch geführter Weststaat und ein kurdisch geführter Oststaat, jeweils garantiert von dem starken Verbündeten.

OZAN KOSE/AFP/Getty Images

Am 30. August veröffentlichte ich bei TE einen aktuellen Bericht zur Situation in Syrien. Die Kommentare unserer Leser machten deutlich: An diesem – von unseren MSM zwischenzeitlich weitgehend ausgeblendeten – Konflikt herrscht nach wie vor großes Interesse – und die Entwicklungen zeigen täglich neue Situationen auf. Insofern möchte ich hier anknüpfen an jenen Text zu Schlacht um Idlib.

Der Angriff auf Idlib hat begonnen

Während der Mann von der Saar, der gegenwärtig den Bundesminister des Äußeren gibt und von sich selbst nur im pluralis majestatis spricht, davon träumt, den Angriff der syrisch-russischen Koalition auf die von radikalmuslimischen Gruppen gehaltene Provinz Idlib vermeiden zu können, hat dieser längst begonnen. Syriens Premierminister Imad Khamis ließ in Damaskus wissen, dass die „staatliche Souveränität über die Provinz Idlib bald wieder hergestellt“ sein werde.

Seit dem 5. September fliegen die Russen entlang der Südgrenze der Provinz Angriffe auf Stellungen der Gegner, beschießen Truppen des syrischen Machthabers Assad die Dörfer im Süden der Provinz. Mittendrin die Türkei, die bei Murak einen Beobachtungsposten unterhält – noch ist unklar, ob Erdogan seine Beobachter abziehen wird, um sie nicht sinnlos zu opfern.

Es ist davon auszugehen, dass der Beschuss eine bevorstehende Bodeninitiative vorbereitet. Das russische Außenministerium hat dazu erklärt, dass Russland “die Terroristen vernichtet hat und weiterhin vernichten wird – in Idlib und überall“. In der Folge der Angriffe haben sich mehrere hundert Zivilisten aus der Region Richtung Norden zur Flucht gewandt.

Krieg auch zwischen Assad und den Kurden?

Im Osten Syriens deutet sich derweil der nächste Konflikt bereits an. Am 6. September erklärte ein Vertreter der syrischen Zentralregierung, es werde für den kurdisch beherrschten Norden und Osten Syriens keine Sonderbehandlung geben. Das gelte insbesondere für mögliche Autonomiebestrebungen.

Die Antwort kam prompt. Ein Sprecher der Syrian Democratic Forces (SDF), die zur US-geführten Anti-IS-Koalition gehören und maßgeblich von den kurdischen Einheiten geprägt sind, ließ wissen, man werde umgehend eine unabhängige Einheitsverwaltung für die Gebiete im Osten und Norden Syriens ins Leben rufen. Diese werde unter der Bezeichnung „Self-Administration of Northern & Eastern Syria“ all jene derzeit noch unabhängig voneinander agierenden Verwaltungen in den von ihr beherrschten Gebieten zusammenfassen. Dabei handelt es sich um die syrischen Territorien östlich des Euphrat sowie die an die türkische Besatzungszone angrenzende Region um Manbidj und das südlich der ehemaligen IS-Hauptstadt Raqqa  gelegene Tabqa, das den Zugriff auf den Euphrat-Damm des Assad-Stausees garantiert.

Zwar ist eine „Self-Administration“ noch kein eigener, unabhängiger Staat – doch mit diesem Schritt haben Kurden und die „Syrischen Demokratischen Kräfte“ deutlich gemacht, dass es für sie ein Zurück in die Situation vor dem Krieg nicht geben wird.

Ein Konflikt mit Syriens Machthaber Assad könnte insofern unausweichlich sein – doch sind hier die Karten anders gemischt als bei jenen islamischen Rebellen in Idlib, die lediglich den türkischen Muslimbruder Erdogan hinter sich glauben. Denn während Assad und Putin noch mit diesen Islamkämpfern beschäftigt sind, haben die USA bereits am 5. September auf 200 Transport-LKW schweres Kampfgerät nach Kobane gebracht – jener Grenzstadt zur Türkei, die 2014 gegen den Widerstand Erdogans auf Druck des damaligen US-Präsidenten Barack Obama durch kurdische YPG-Einheiten vom Islamischen Staat befreit worden war.

Am 6. September folgte ein weiterer US-Militärtransport aus dem Irak, dieses Mal zur syrischen Provinzmetropole Ayn Issa. Hochleistungs-Radargeräte waren bereits vor einigen Tagen an der Grenze zur Türkei aufgestellt worden.

Steht ein USA-Russland-Konflikt unmittelbar bevor?

Diese Verlagerung schwerer Waffen aus dem Irak in den Norden Syriens verdeutlicht, dass die USA nicht bereit sind, ein Überrollen ihrer kurdischen Verbündeten hinzunehmen – weder durch Erdogan, noch durch Assad.

Wird hier nun ein Konflikt vorbereitet, der am Ende die USA in den Schlagabtausch mit Russland bringen muss? So scheint es auszusehen, wenn einerseits die russische Regierung öffentlich ihre Solidarität mit einem Assad-Regime erklärt, welches jegliche Zugeständnisse an die Kurden verweigert – und gleichzeitig die USA massiv Kampfgerät nach Westen weit nach Syrien hinein verlegen. Und doch bleibt es dabei, dass weder Putin noch die US-Militärs ein Interesse an einer direkten Konfrontation haben. Insofern dürften sowohl das Säbelrasseln auf der einen wie das Aufrüsten auf der anderen Seite maßgeblich dazu dienen, die eigenen Verhandlungspositionen zu stärken.

Dabei scheinen die USA wie auch Russland daran interessiert, längerfristig in Syrien ihre Positionen zu behaupten. Setzen die einen auf die Alawiten, so finden die anderen ihre Verbündeten bei den Kurden – beides Gruppen, die den sunnitischen Arabern ebenso wie den Türken suspekt sind. Sollten die USA hier nicht doch noch im letzten Moment einen Rückzieher machen, wird eine kurdische Teilautonomie auch durch Assad am Ende kaum noch zu verhindern sein. Denkbar aber auch, dass die Parteien sich stillschweigend auf jenes Modell einigen, welches Russland in der Ost-Ukraine, Transnistrien und Nord-Georgien erfolgreich fährt: Die Kontrahenten verzichten auf gemeinsame Gespräche, nicht aber auf ihre gegenseitigen Ansprüche – der Konflikt wird eingefroren und zur Dauersituation.

In der aktuellen Lage allerdings würde dieses Modell dann allerdings auf eine Teilung Syriens hinauslaufen: Ein alawitisch geführter Weststaat und ein kurdisch geführter Oststaat, jeweils garantiert von dem starken Verbündeten.

Erdogan bleibt der Verlierer

Bei einer solchen Entwicklung wäre einmal mehr der türkische Präsidialdiktator Erdogan der große Verlierer. Er wollte in Syrien die herrschenden Alawiten durch ein den Muslimbrüdern nahestehendes, sunnitisches Regime ersetzen. Und eine kurdische Autonomie an seiner anatolischen Südgrenze wollte er um jeden Preis verhindern. Mit beiden Zielen sieht es derzeit schlecht aus – selbst das besetzte Afrin wird nicht zu halten sein, wenn die Assad-Koalition die sunnitischen Rebellen aus Idlib in die Türkei getrieben haben sollte.

Dafür aber kann sich Erdogan von seinem Vasallen Mevlüt Cavusoglu trösten lassen. Der ist derzeit in der iranischen Hauptstadt Teheran, um mit dem schiitischen Erbfeind Lösungsmöglichkeiten zu sondieren. Diese allerdings müssten bedeuten: Die Türken akzeptieren nicht nur Assad, sondern auch den iranischen Einfluss in Syrien. Erdogans großosmanische Träume wären damit zu Grabe getragen. Dennoch ist auch ein solches Szenario nicht gänzlich aus der Welt, denn die faschistischen Regimes in Iran und Türkei eint ihre Angst vor den Kurden. Eine kurdische Autonomie unter US-Schutz könnte Ausstrahlung bis weit nach Anatolien und in den Nord-Iran hinein entfalten. Hier – und nur hier – läge ein gemeinsamer Nenner der seit Ewigkeiten einander mehr als skeptisch gegenüber stehenden Regionalmächte.

Sollte es allerdings zu einer Einigung zu Lasten der Kurden kommen – der Russland seinen Segen geben müsste – hätte es sich Erdogan mit den USA abschließend verdorben. Und vielleicht dennoch nichts gewonnen, denn die US-Unterstützung der Kurden und der SDF richtet sich mehr noch als gegen Assad gegen den Iran, dessen Verbleiben in Syrien die USA in enger Absprache mit ihrem wichtigsten Verbündeten Israel keinesfalls zulassen werden.

Erdogan kann sich vom Heiko trösten lassen

Wie immer es auch für Erdogan stehen wird – eine Sorge ist er immerhin los. Und daran hat sein Außenminister Mevlüt Cavasoglu erheblichen Anteil. Der nämlich hat den Besuch des Mannes von der Saar dazu genutzt, um dem Heiko das „Du“ überzuhelfen. Nun sind „wir“, also der Heiko, über alle Maßen glücklich, dass „wir“ den Mevlüt Mevlüt nennen dürfen.

Vor lauter Glück fielen dann auch kritische Worte hinsichtlich der Türkei beim offiziellen Antrittsbesuch des Saarländers ins Wasser des Marmara-Meeres. Weder die ohne Grund und Anklage inhaftierten deutschen Staatsbürger noch der rasante Abbau der demokratischen Rechte in der Türkei durch eine rechtsextremistische Regierung  schienen den Heiko noch zu bekümmern, kaum dass ihm sein Amtskollege das anheimelnde „Du“ angeboten hatte. Stattdessen nur noch Kuschelkurs des Heiko mit seinem neuen Kumpel Mevlüt, der die Deutschen noch vor kurzem allesamt als Nazis und braune Rassisten beschimpft hatte. Macht aber nichts unter Duzfreunden – Schwamm drüber.

Und da der Heiko im Moment sowieso die Spendierhosen an hat und den Erdogan-Freunden von der PLO und der Hamas unter die Arme greifen möchte, werden sich bestimmt noch ein paar Milliarden an deutschen Steuergeldern finden lassen, um die von Erdogan und seinen Mittätern an die Wand gefahrene Türkei kräftig zu unterstützen. Von seiner Parteivorsitzenden Andrea Nahles hat Heiko ja bereits die Freigabe der finanziellen Unterstützung des Möchtegernsultans. Und auch seine Kanzlerchefin Angela Merkel ließ wissen: „Deutschland hat ein strategisches Interesse daran, dass sich die Türkei wirtschaftlich vernünftig entwickelt.“

Da ist man doch selbst dann, wenn diese Suche nach der Interessen-Strategie erfolglos bleibt, geneigt, sich an die Drei von der Tankstelle zu erinnern und das Liedchen vom guten Freund zu trällern, welcher bekanntlich das Beste auf der Welt ist. Auf die Deutschen ist eben Verlass: Man mag sie noch so sehr beschimpfen und noch so heftig schmähen, ihre Bürger inhaftieren und seine bei ihnen lebenden Untertanen zur Gegnerschaft aufstacheln – am Ende zücken sie das Portemonnaie und bedanken sich artig mit Bargeld.