Tichys Einblick
Raketen-Alarm in Israel

Man stelle sich vor: 3500 Raketen auf Deutschland

Aus dem Gazastreifen wurden allein heute etwa 150 Raketen auf Israel abgefeuert. Im Jahr 2018 schickten die rund zwei Millionen Araber des kleinen Küstenstreifens 350 Raketen und Granaten gegen das Nachbarland mit seinen rund neun Millionen Einwohnern.

Rockets fired by Palestinian militants towards Israel are seen in Gaza City, on May 4, 2019. About 100 rockets were launched toward south and central Israel Saturday morning and dozens were intercepted, the Israeli military said,

imago images / ZUMA Press

Was, liebe Leser, würden Sie darüber denken, wenn unser kleineres Nachbarland Niederlande die politische Forderung erhöbe, Deutschland vom Erdboden verschwinden zu lassen? Würden Sie, frei nach Obelix, feststellen: „Die spinnen, die Holländer“? Würden Sie das für einen schlechten Karnevalsscherz halten? Oder würden Sie dieses für eine echte Bedrohung der Existenz Deutschlands halten?

Letzteres vermutlich nicht. Obgleich – wenn es tatsächlich ernst gemeint wäre, würden Sie sich schon ihre Gedanken machen und auf die Idee kommen, man müsse denen mal eine Lektion erteilen. Aber das täten wir natürlich nicht. Denn es sind ja nur verbale Attacken – nichts dramatisches.

Was nun aber, wenn die Niederländer es nicht bei Worten beließen. Wenn sie einmal in der Woche an die Grenze zu Deutschland kämen und dort „Vernichtet Deutschland!“ riefen? Vermutlich würde der Durchschnittsdeutsche nun erwarten, dass seine Regierung diplomatisch aktiv wird. Eine Protestnote nach Den Haag schickt und ultimativ das sofortige Ende dieser Aktionen fordert.

Aber die Niederländer reagieren nicht. Ganz im Gegenteil. Sie gehen dazu über, auch noch über die Grenze hinweg Raketen und Granaten zu schießen, die in deutsche Städte und Dörfer einschlagen. Durchschnittlich zehn solcher Geschosse kommen am Tag. Über 3.500 in nur einem Jahr. Menschen sterben, Sachwerte werden zerstört. Wäre das nicht Anlass genug, um den bösen Nachbarn einmal sehr deutlich auf die Finger zu klopfen?

„Völlig absurde Vorstellung!“, wird jetzt entsetzt ausgerufen werden. Richtig! Völlig absurd. Weshalb ich mich an dieser Stelle auch sofort bei unseren holländischen Freunden entschuldigen möchte. Ihr seid nur das missliche Opfer eines Vergleichs geworden. Weil Ihr unser Nachbarland seid und in Sachen Bevölkerungszahl zufällig im gleichen Verhältnis zu uns steht wie es bei jenen beiden Ländern der Fall ist, um die es hier gehen soll.

Unter Ausschluss der (Medien-)Öffentlichkeit
Parlamentarische Lizenz zum Dämonisieren Israels
Denn so absurd uns das beschriebene Szenario erscheinen mag – es ist Realität. Nicht unmittelbar vor unserer Haustür. Aber auch nicht wirklich weit weg. Die Rede ist – die meisten ahnen es bereits – von Israel und Gaza. Gut 350 Raketen und Granaten schickten die rund zwei Millionen Araber des kleinen Küstenstreifens allein im Jahr 2018 gegen das Nachbarland mit seinen rund neun Millionen Einwohnern. Hochgerechnet auf die knapp 20 Millionen Holländer und 82 Millionen Bundesdeutschen sind wir bei jenen zehn Attacken am Tag und 3.500 Raketen im Jahr. Tendenz steigend.

Lösen wir uns gedanklich von Israel und Gaza und von Holland und Deutschland. Nehmen wir eine beliebige Situation in Afrika, Asien oder Amerika.

Was wohl würde geschehen, wenn ein Land einem Nachbarstaat pro eine Million seiner Bürger jeden zweiten Tag eine Rakete schicken würde? Eine Rakete, die Menschen tötet, Sachen zerstört? Hätte nicht das von den Angriffen betroffene Land jeden Grund, gegen diese unausgesetzte Aggression mit allen auch militärischen Mitteln vorzugehen?

Selbstverständlich wäre es so. Selbstverständlich hätte das angegriffene Land jedes Recht, sich gegen die Aggression zur Wehr zu setzen. Und keine UN, kein Sicherheitsrat könnte ernsthaft etwas gegen eine solche Abwehrmaßnahme sagen.

Doch bei Israel ist es anders. Die ständigen Angriffe aus Gaza werden auf internationaler Ebene nicht einmal wirklich zur Kenntnis genommen. Wagt es aber Israel, sich gegen diesen Spuk zu wehren, wird es sofort als Aggressor und Kriegstreiber an den Pranger gestellt. Deutschland vorneweg, dessen UN-Vertreter sich darin gefällt, den israelischen Staat durch die anti-israelische Mehrheit in der UN geißeln zu lassen.

Es soll an dieser Stelle nicht – obwohl mehr als gerechtfertigt – an die unermessliche Schande erinnert werden, die Deutschland mit der Vernichtung seiner jüdischen Bürger und Nachbarn auf sich geladen hat. Es soll auch nicht an den fragwürdigen Schwur erinnert werden, mit dem die Frau Bundeskanzler in der Knesseth das ewige Einstehen für Israel versprach. Es reicht einfach, nicht zu vergessen: 350 Raketen auf Israel entspricht 3500 Raketen auf Deutschland. In nur einem Jahr. Jahr für Jahr.

Dieses sollten sich alle im Bewusstsein halten, wenn wieder darüber berichtet wird, dass Israel militärisch im Gazastreifen interveniert. Selbst nach geltendem Völkerrecht hat es jede Rechtfertigung, gegen Gaza einen derart vernichtenden Krieg zu führen, dass am Ende die permanente Bedrohung durch den Beschuss ein für alle Mal beendet ist. Bisher hat Israel dieses nicht getan. Doch wenn es dieses täte, dann wäre dagegen nichts einzuwenden. Denn es würde nur das tun, was Aufgabe eines jeden Staates ist: Seine Bürger vor aggressiven, unberechenbaren Nachbarn und deren Angriffen schützen. Und niemand hätte das Recht, Israel dafür zu kritisieren.