Tichys Einblick

Magdeburger Koalitionspoker – die Bundesperspektive entscheidet

Aktuell stehen die Zeichen in Sachsen-Anhalt auf Schwarz-gelb-grün. Und das möglicherweise auch als Signal für nach der Bundestagswahl.

picture alliance/dpa | Frank May

Schwarz-rot-gelb oder Schwarz-gelb-grün. Oder vielleicht noch eine Runde Schwarz-rot-grün, vielleicht sogar entgrünt nur noch Schwarz-rot? Das Ergebnis der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt hält mehr bundespolitische Brisanz parat, als es auf den ersten Blick scheinen will. Denn das, was Reiner Haseloff nun aus dieser Wahl macht – oder machen muss – , wird ein unübersehbares Signal für die Bundestagswahl im September sein.

Die grüne Unions-Option

Bislang sah alles danach aus, dass nach den Bundestagswahlen die Union sich an die Grünen heranwanzen wird – so, wie es die Grünen vorsorglich bereits seit geraumer Zeit in umgekehrte Richtung tun, auch wenn ihre Basis mehrheitlich in Richtung Volksfront tendiert.

An einer Feststellung führt vorerst kein Weg vorbei: Das vom Linkskartell in Politik und Medien präferierte Wunschmodell einer Bundesregierung mit grüner Spitze, rotem Vizekanzler und dunkelrotem oder notfalls auch gelbem Mehrheitsbeschaffer hat in Magdeburg einen erheblichen Dämpfer erlebt. Zu stark die Union und zu stark die AfD. Auch wenn auf Bundesebene ein Unionswert von 36 Prozent derzeit ebenso unrealistische Vision ist wie ein AfD-Wert um 20 Prozent, so hat doch die FDP die Chance, dem linken Lager jene Stimmen zu nehmen, die ein Volksfrontbündnis in den Bereich des Möglichen schieben könnten. Unterstellen wir daher, dass das Ergebnis im Herbst ähnlich vielseitig sein wird, wie es sich in Sachsen-Anhalt gezeigt hat selbst dann, wenn die Union unter Armin Laschet gerupfter als die Union unter Haseloff auf dem Rennen gehen wird.

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Damit steht die Unions-Führung nun vor einem Problem. Haseloff könnte seine sogenannte Kenia-Koalition fortsetzen. Damit jedoch holte er sich mit der SPD eine Truppe in die Regierung, die deutlich und unübersehbar für ihre mittelschicht-feindliche Politik abgestraft wurde. Das muss sich der Wahlgewinner nicht antun. Deshalb wird auch das derzeit ganz knapp mögliche Bündnis nur aus CDU und SPD aus dem Rennen sein. Denn sowohl eine solche Zweier-Konstellation wie ein Magdeburger Weiter-so wären für den Bund ein aus Unionssicht falsches Signal. Das Weiter-so mit einer Sozialdemokratie in Schwindsucht macht die Stimmabgabe zugunsten der Union nicht attraktiver. Vor allem der enttäuschte SPD-Anhänger müsste sich die Frage stellen: Warum von der SPD zur Union wechseln, wenn er anschließend doch wieder Sozialdemokratie bekommt? Wäre die Unionsführung gut beraten, ginge ihr Blick zwischen Elbe und Saale folglich in Richtung auf ein Bündnis ohne SPD. Damit dann hätte Olaf Scholz auch den Rücken frei, um seinen auf Misserfolg gestellten Kampf um das Kanzleramt auf radikale Konfrontation zum bisherigen Bundes-Koalitionspartner zu stellen.

Das wiederum muss dann für die SPD bedeuten: Sie wird im Wahlkampf deutlich nach links rücken – Scholz wird zum Feigenblatt einer neomarxistischen Politik nach dem Vorbild der Kühnerts und Eskens. Damit jedoch werden seine Chancen im Bürgertum und in der Arbeiterschaft weiter sinken. Der frühere Bürgermeister von Hamburg, der nach wie vor keinerlei Charisma ausstrahlt, steht vor einem Dilemma, das seinen Ausstieg aus der Politik selbst dann einläuten kann, wenn er als Direktkandidat oder über die Brandenburgische Landesliste erfolgreich sein sollte, und dem nächsten Bundestag angehört. Seine Partei wird ihm zunehmend untreu werden, wenn sie davon ausgehen muss, nach der Bundestagswahl weder unter einem schwarzen noch unter einem grünen Kanzler mitregieren zu können.

Die Zeichen stehen auf Schwarz-gelb-grün

So rückt nun ein Magdeburger Bündnis mit Grünen und Gelben in erreichbare Nähe. Die FDP als gleichsam natürlicher Partner im noch bürgerlichen Lager wird für Haseloff kein Problem darstellen. Auch Laschet könnte damit gut leben – er tut es bereits erfolgreich in Nordrhein-Westfalen. Ohne SPD aber wäre ein schwarzgelbes Kernbündnis auf die Grünen angewiesen. Die könnten versucht sein, sich die Zwangslage der potentiellen Koalitionspartner teuer bezahlen lassen: Einmal mehr wedelt dann der grüne Schwanz mit einen gelbgescheckten, schwarzen Hund.
Trotzdem steht außer Frage, dass Merkel, die sich längst für den Great Reset des grünmarxistischen Gesellschaftsumbaus entschieden hat, ihr berühmtes „Alles“ tun wird, um Haseloff in ein solches Bündnis zu zwingen. Ihr wird es dabei egal sein, ob die CDU in Sachsen-Anhalt die Roten oder die Gelben als Mehrheitsbeschaffer einkauft – Hauptsache schwarzgrün. Doch sieht das Armin Laschet auch so? Folgen wir seinen bisherigen Einlassungen, dann steht auch seine Präferenz auf Einbeziehung der Grünen. Das jedoch wird bedeuten, dass die Union im Herbst vor allem die FDP stärkt. Denn jene Unions-Wähler, denen sich angesichts der grünen Systemumbau- und Industrieabbau-Perspektiven die Nackenhaare hochstellen, werden zwangsläufig zur FDP wandern, um noch ein wenig marktwirtschaftlichen Einfluss auf die nächste Bundesregierung nehmen zu können.

Lindners große Chance

Christian Lindner kann das nur recht sein – und Laschet auch, solange es für ihn am Ende zur Kanzlerschaft reicht. Schwarz-gelb-grün in Magdeburg kann insofern das gewünschte Unions-Signal für die Bundestagswahl werden. Verluste an die FDP werden eingeplant, die Grünen als ökologischer Seelenberuhiger eingebunden und diszipliniert. Und sollten die grünen Marxisten es zu bunt und woke treiben wollen, könnte in den anstehenden Koalitionsverhandlungen immer noch auf den Notnagel SPD zurückgegriffen werden. Scholz wäre dankbar, noch ein paar Jahre als Bundesminister seinen politischen Ruhestand verschieben zu können – seine linksradikalen Systemüberwinder würden angesichts der Machtoption wieder einmal im letzten Moment einknicken.

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Damit hätte Laschet das Instrumentarium in der Hand, die Grünen in einer schwarz-grün-gelben Bundesregierung an die unverzichtbare Kette legen zu können. Widerstand seitens Lindners wird es 2021 nicht mehr geben – mittlerweile gilt: Lieber schlecht regieren, als gar nicht regieren. Auch für einen Lindner tickt die biologische Uhr – und im Wikipedia-Eintrag fehlt eben noch der Merkposten „Bundesminister …“, und dann am besten „Auswärtiges Amt“. Dann hätte er es endlich geschafft, sich in die Ahnenlinie Scheel-Genscher-Kinkel-Westerwelle einzureihen.

Fassen wir die Optionen zusammen, so stehen aktuell die Zeichen in Sachsen-Anhalt auf Schwarz-gelb-grün. Union und Liberale können damit ein klares Zeichen für eine bürgerliche Zusammenarbeit auf Bundesebene geben. Und Annalena Baerbock hätte immer noch die Chance, gegen Union und FDP den alles vernichtenden Klimawandel zu beschwören – um dann im Herbst das Bundesumweltministerium zu übernehmen. Und selbst Scholz müsste darüber nicht unglücklich sein. Er hätte den Rücken frei für einen harten Wahlkampf – und immer noch eine minimale Chance, auch im Winter noch einen Bundesministersessel zu besetzen.

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