Tichys Einblick
Eine Frau nach der anderen?

AKK – ach je …

Vermutlich soll der Generalsjob aus Sicht Merkels nur als Durchlauferhitzer dienen. Zwei Jahre - dann ab ins Kabinett. Die unfähige Verteidigungsministerin ersetzen - beispielsweise. Und dann schau'n wir mal, wer das Rennen um die Nachfolge gewinnt.

© Tobias Scharz/AFP/Getty Images

Zuerst einmal die Frage: Was kann eine vernünftig wirkende Frau bewegen, einen sicheren, geachteten Job als Ministerpräsident gegen den Schleudersitz eines Partei-Generalsekretärs aufzugeben? Keine Antwort? Ja – ist wohl so. Dazu fällt einem nichts ein. Außer vielleicht nur ein Begriff: Merkel.

Annegret Kramp-Karrenbauer machte bislang den Eindruck einer verantwortungsvollen, selbstsicheren Frau, die weiß, was sie tut. Diesen Ruf allerdings ist sie nun dabei, nachhaltig zu zerstören. Denn wer den Sirenengesängen aus dem Konrad-Adenauer-Haus in der Berliner Klingelhöferstraße folgt und dafür einen Top-Job aufgibt, dem ist nicht zu helfen. AKK, wie die künftige Generalsekretärin der CDU abgekürzt wird, ist offenbar nicht mehr zu helfen.

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Wovon träumt die Saarländerin aus der Seilschaft des ins Bundesverfassungsgericht abgeschwirrten Vorgängers Peter Müller und dem Merkel-Adlatus Peter Altmaier? Meint sie, mit dem Posten des Wadenbeißers der Union sich die Meriten zu verdienen, um eines fernen Tages die Nachfolge des Bundesauslaufmodells antreten zu können? Zugegeben: Zumindest einige, die diesen Generalsposten innehatten, konnten sich später als Minister eine gesicherte Pension und Achtung erwirtschaften. Heiner Geißler sei hier ebenso genannt wie Volker Rühe. Aber das waren andere Zeiten. Und zur Kohl-Nachfolge hatte es für keinen von ihnen gereicht.

Lediglich Angela Merkel, als „Kohls Mädchen“ von der FDJ über die Ost-CDU in die Bundesdeutsche Vereinigungsministerriege aufgestiegen, konnte den Generalssekretärsjob nutzen, um Konkurrent Wolfgang Schäuble auszuschalten,  Kohl in die parteipolitische Diaspora zu schicken – und sich so die Doppelmacht als Vorsitzende und „Kanzlerkandidatin“ zu sichern. Das aber war ein einmaliger Vorgang – und er war einer Union geschuldet, die sich nach 16 Kohl-Jahren auf allen Ebenen zerschlissen hatte. Obgleich – zerschlissen war auch damals nur die Führungsriege. An der Basis funktionierte die Partei, die damals noch fest zu ihren Grundwerten stand.

Keine Perspektive

Vergleichbar mit der heutigen Situation ist jedoch weder das eine noch das andere. Merkel ist zum Scheinriesen geworden, der sich mit aller Gewalt an vergangener Größe festklammert. So oder so – es wird ihre letzte Legislaturperiode sein, wenn die in der Sonne der Demoskopie verdampfende SPD ihr noch einmal den Schlüssel zum Kanzleramt in die Hand drückt. Und wenn nicht – dann mag sie vielleicht als Minderheitenregierungschefin die sozialistischen Inhalte des Koalitionsvertrages abarbeiten – mit einer oppositionellen SPD ohne Ministerverantwortung, die sich aber ihren im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Inhalten kaum wird widersetzen können.

Scheitert der Minderheitenversuch oder geht es gleich in Neuwahlen, dann ist die CDU in Not. Einen anderen Spitzenkandidaten als Merkel hat sie nicht – doch das Volk (auch das an der Parteibasis) kann Muttis Gesicht nicht mehr ertragen. Das Ergebnis von Neuwahlen mit Merkel an der Spitze ist daher völlig offen, selbst dann, wenn die Demoskopen der Union ein stabiles Niveau auf Ebene der Niederlage vom vergangenen September bestätigen.

AKK als Merkel-Doppel?

Doch einmal unterstellt, Merkel macht noch vier Jahre. Ist AKK dann immer noch Generalsekretärin? Dann gilt sie als „Muttis Mädchen“ – und der zu erwartende Unmut wird sich auch dann über sie ergießen, wenn AKK als Spitzenkandidatin ins Feld geführt werden sollte.

Oder denkt Merkel nun doch wieder einmal „vom Ende her“ – von ihrem eigenen? Dann müsste AKK jetzt bereits wissen, dass sie in zwei Jahren als Merkel-Nachfolgerin eingesetzt werden soll. Macht die Partei das mit? Naja – die muss nicht gefragt werden: Das kann Merkels Küchenkabinett im Alleingang entscheiden. AKK hätte dann – vorausgesetzt, die SPD hätte sich bis dahin nicht berappelt und müsste den Chefwechsel schlucken – zwei Jahre zur Profilierung. Und dabei die erdrückende Last von 16 Jahren Merkelismus auf den Schultern. Damit dann 2021/22 zur Wahl antreten? Lassen wir die Spekulationen über die Erfolgschancen einfach einmal außen vor.

Der Job als Durchlauferhitzer

Vermutlich soll der Generalsjob aus Sicht Merkels nur als Durchlauferhitzer dienen. Zwei Jahre – dann ab ins Kabinett. Die unfähige Verteidigungsministerin ersetzen – beispielsweise. Und dann schau’n wir mal, wer das Rennen um die Nachfolge gewinnt: AKK oder Klöckner. Denn eines scheint offenbar jetzt schon unvermeidlich: Merkel wird nur eine Frau als Nachfolger akzeptieren. Ob die Bundesrepublik damit allerdings gut beraten ist angesichts einer weltweit agierenden Schar testosterierender Selbstdarsteller? Man mag mir jetzt Frauenfeindlichkeit vorwerfen – doch es ist mein Eindruck, dass sich das deutsche Volk (oder das, was davon noch übrig ist) gegenwärtig nach einem „echten Kerl“ sehnt. So einen wie Gerhard Schröder, der mit „basta“ auf den Tisch haut und sagt, wo es lang geht. Nur nicht ganz so unanständig wie jener, der sich und seine Seele an Putin verkaufte. Aber das muss die Union dann mit sich ausmachen. Und gegebenfalls in Weiblichkeit untergehen.

Gruppentherapeutische Programmdiskussion

Blicken wir noch einmal auf AKK. Die hatte sich in der Vergangenheit zumindest erfolglos gegen die „Ehe-für-Alle“-Freigabe durch Merkel positioniert. Aber eben erfolglos – um dann mit ihrem Widerspruch sang- und klanglos unterzugehen. Deshalb nun will sie jetzt zu dem Standardmittel greifen, welches in den sogenannten Volksparteien aus der Kiste geholt wird, wenn das Versagen der Führung zu offenkundig wird: Der „Programmdiskussion“.

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Tatsächlich sind solche „Programmdiskussionen“ nichts anderes als eine parteiliche Form der gruppentherapeutischen Ablenkung. Die Basis wird mit sich selbst beschäftigt – das Ergebnis wird abgeheftet und interessiert dann ohnehin niemanden mehr. War auch in der Vergangenheit immer so: Nicht zuletzt Merkel hat regelmäßig verdeutlicht, was sie vom CDU-Programm hält – nämlich nichts. Anders zumindest ist nicht zu erklären, dass die auf dem geduldigen Papier verewigten Sätze einer ums andere ins realpolitische Nirwana entschwanden.

Was also – um die Eingangsfrage zu wiederholen – mag AKK bewogen haben, dem Saarland den Rücken zu kehren? Eine missverstandene Pflichterfüllung? Ein Ruf aus der selbstgewählten Echoblase? Oder die mehr als vage Hoffnung auf ein Karrieretrittbrett? Langeweile an der Saar?

Wir wissen es nicht. Müssen wir auch nicht. Nur von einem können wir ausgehen: AKK hat sich auf einen sinkenden Kahn begeben – und sich dort gleich ans Ruder gestellt. Dort aber wird ihr der dahinsiechende Kapitän erklären, welches die Riffs sind, die demnächst unbedingt anzusteuern sind.

Insofern – schade drum. Im Saarland schien jemand heranzuwachsen, der Statur hätte haben können. Und insofern wiederum: Doch nicht schade drum. Denn nun wissen wir: Auch AKK ist ein Scheinriese. Und insofern passt sie perfekt in Merkels Rettungsboot.