Tichys Einblick
METZGERS ORDNUNGSRUF 06-2022

Politiker als Unternehmer: Denn sie wissen nicht, was sie tun

Ursula von der Leyen hat diese Woche einen Chips Act präsentiert, mit dem die EU-Kommission die Halbleiterfertigung in Europa mit fast 50 Milliarden Euro subventionieren will. Immer stärker gerieren sich Politiker als Wirtschaftslenker. Ob Industriepolitik, Klimaschutz oder Inflationsbekämpfung: Diese Staatswirtschaft scheitert.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen präsentiert den EU Chips Act, Brüssel, 8. Februar 2022

IMAGO / ZUMA Wire

Zum Einmaleins einer marktwirtschaftlichen Ordnung gehört Ludwig Erhards Mantra: Vor dem Verteilen, kommt das Erwirtschaften! Auch wenn vor wenigen Tagen selbst Politiker der Ampel-Koalition aus Anlass seines 125. Geburtstags an den legendären Wirtschaftsminister und Kurzzeit-Kanzler, der als „Vater des deutschen Wirtschaftswunders“ gilt, erinnerten, klingen die Lobreden auf diesen Mann mit der Zigarre doch reichlich verlogen. Denn unternehmerische Freiheit wird immer stärker durch staatliche Gängelung ersetzt. Die wuchernde Bürokratie untergräbt viel zu oft die Eigeninitiative, ohne die Innovationen in Deutschland häufig nicht umgesetzt werden können. Wirtschaftlicher Wettbewerb gilt vielen Politikern längst als vernachlässigbare Kategorie, weil sie damit die Lenkungsrolle für den technologischen Fortschritt dem Markt überlassen müssen, statt sich selbst als Wirtschaftslenker zu inszenieren.

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Dabei sind die Beispiele Legion, dass der Staat selten der bessere Unternehmer ist. Meist werden Abermilliarden an Steuermitteln buchstäblich verbrannt, wenn Politiker Märkte en détail gestalten wollen. Die deutsche Energiewende, ursprünglich grün inspiriert und dann vom politischen Establishment übernommen, kostet seit vielen Jahren Unsummen. Den Endverbrauchern und der Wirtschaft hat sie die teuersten Energiepreise der Welt beschert. Die öffentlichen Haushalte werden immer stärker durch wachsende Subventionen belastet. Auch die dadurch ausgelöste Verlagerung von Industriezweigen ins kostengünstigere Ausland lässt sich seit Jahren belegen.

Der Treppenwitz dieser grünen Energiewende besteht darin, dass er seine behauptete ökologische Effizienz bis heute nicht bestätigen kann. Wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, müssen eben fossile Energieträger hochgefahren werden. Bei Bedarf darf es gern auch importierter Atomstrom sein. Deshalb konnte Deutschland diese Energiewende eben nicht zu einem Exportschlager entwickeln. Die Ampelregierung muss deshalb zähneknirschend zur Kenntnis nehmen, dass die in Deutschland verhasste Kernenergie von der übergroßen Mehrheit der EU-Staaten in der EU-Taxonomie als „nachhaltig“ akzeptiert wird.

Ökonomische Kompetenz im Deutschen Bundestag?

Die Zusammensetzung des Bundestags spiegelt eine Grundstimmung wider, die sich tagtäglich in den verschiedensten gesellschaftlichen Sektoren belegen lässt. Das Unternehmerbild in deutschen Schulbüchern spiegelt ein Zerrbild der Realität. Die marktwirtschaftliche Ordnung wird an Schulen und Hochschulen überwiegend von Lehrkräften vermittelt, die als Beamte die lebenslange Alimentation durch den Staat kennen. Diese lebenslange Sicherheit blockiert ein Denken, das Wettbewerb und Risikofreude als notwendige Triebfeder des Wohlstands einstuft. Wenn in Fernseh-Krimis eines sicher ist: Der Unternehmer ist regelmäßig der fiese, durchtriebene Raffke, der über Leichen geht. Sitzen mal Unternehmer in TV-Talkrunden, dann besetzt sie die Redaktion meist mit der Rolle des „bad guy“.

Im Gegensatz dazu sind Arbeitnehmer- oder Gewerkschaftsvertreter in der Regel immer positiv gezeichnet, werden meist als Ausgebeutete oder Diskriminierte inszeniert. Dabei ist es eine schlichte Binsenweisheit, dass es ohne private Unternehmerinnen und Unternehmer keine Arbeitsplätze gibt. Denn selbst der aufgeblähteste Staatsdienst könnte die Abermillionen an privatwirtschaftlichen Arbeitsplätzen nicht ersetzen, ohne deren Produktivität er aber ohnehin nicht existieren kann.

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Im aktuellen Bundestag finden sich gerade einmal 51 Unternehmerinnen und Unternehmer. Das sind bei 735 Sitzen nicht einmal 7 Prozent. Im Vergleich dazu wird der US-Kongress (Senat und Repräsentantenhaus) geradezu von Wirtschaftsvertretern dominiert. Denn 320 von 541 Volksvertretern kommen dort direkt aus der Wirtschaft. Ist es vollkommen abwegig, die wirtschaftliche Stärke der USA, vor allem ihre Technologieführerschaft, auch darin begründet zu sehen, dass Berufspolitiker dort ökonomische Zusammenhänge aus der eigenen Praxis kennen?

In Deutschland bewegen sich dagegen nahezu alle Politiker vorwiegend im Dunstkreis des öffentlichen Dienstes. Erstes Bestreben scheint für viele die wärmende Versorgung durch den Staat. Die Parteienfinanzierung gewährleistet der Staat, ein übergroßes Parlament nährt Tausende von Parteifreunden mit gut bezahlten Jobs. Die politischen Stiftungen der Parteien sind oft genug vor allem Versorgungsanstalten für Parteigänger. Dass dieses Versorgungsdenken auch die praktizierte Politik prägt, ist kein Wunder. Der üppige Sozialstaat, der vor allem das Verteilen zum Maßstab macht und das Erwirtschaften häufig genug vergisst, gedeiht in solchen Parlamenten besonders prächtig. Das Sein bestimmt das Bewusstsein, wusste schon Karl Marx.

EU-Chipproduktion: Ein teures Milliardengrab?

Ursula von der Leyen hat diese Woche einen Chips Act präsentiert, mit dem die EU-Kommission die Halbleiterfertigung in Europa mit fast 50 Milliarden Euro unterstützen will. Die simple industriepolitische Logik, die dahinter steckt: Die derzeitigen Lieferengpässe, die von der Autobranche bis zum Spielekonsolenhersteller ganze Industriezweige lahmlegen, sollen mit dem subventionierten Aufbau von europäischer Chip-Fertigung bekämpft werden. Weil Taiwan, die USA, China oder Südkorea ebenfalls mächtig investieren und subventionieren, will die EU-Kommission nicht untätig erscheinen. Bis die ersten staatlich finanzierten EU-Fabriken in vier Jahren die Fertigung aufnehmen, kann es längst weltweite Überkapazitäten geben. Der Preisverfall an den Märkten wird dann mit einiger Wahrscheinlichkeit zu einem Subventions-Milliardengrab.

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Doch die zum Pathos neigende von der Leyen, die schon mit dem Green Deal „Europas Mann auf dem Mond-Projekt“ ausgerufen hat, verkörpert mit diesem industrie- und klimapolitischen Aktionismus exakt jenen „modernen“ Staatsinterventionismus, der immer stärker auf ein Gestaltungsmonopol der Politik setzt, statt einen ordnungspolitischen Rahmen vorzugeben, in dem sich die Marktkräfte den effizientesten Weg suchen können.

Beim Klimaschutz wäre das der bewährte Emissionszertifikate-Handel, mit dem die Politik zwar die CO2-Einsparmengen vorgibt, die technologische Umsetzung aber den Wirtschaftsakteuren überlässt. Nur das führt zur Effizienz, weil der Preis der Zertifikate automatisch die Treibgasemissionen dort mindert, wo mit den geringsten Kosten die größte ökologische Wirkung erzielt wird. Im heutigen System wird durch die politische Detail-Regelungswut aber genau dieser Wirkungsmechanismus unterlaufen – mit fatalen Folgen für die Wirtschaftlichkeit wie die angestrebte CO2-Minderung.

Ohne den Zins als Risikoprämie keine Inflationsbekämpfung

Wenn es nach den Gewerkschaften geht, dann sollte die Europäische Zentralbank (EZB) nicht nur die Geldwertstabilität, sondern auch den Klimaschutz im Blick haben. So liest sich jedenfalls ein Leitantrag für den nächsten DGB-Bundeskongress im Mai. Dabei ist das Vertrauen in die Stabilität der Währung eine entscheidende Voraussetzung für wirtschaftliche Prosperität. Ohne dieses Vertrauen erodiert jede Wirtschaftsordnung. Doch so wie die Gewerkschaften die Rolle der EZB als Hüterin der Geldwertstabilität aufweichen wollen, so agieren Politiker (und zunehmend auch die Notenbanker) in Europa bereits seit Jahren. Die EZB ist inzwischen längst so politisiert, dass sie die Inflationsbekämpfung systematisch vernachlässigt, obwohl sie die Kaufkraft der breiten Masse gefährlich mindert.

Die Nullzinspolitik der EZB und ihre Dauerfinanzierung der riesigen staatlichen Defizite durch den grenzenlosen Aufkauf von Staatsanleihen haben den Zins als Risikoprämie ausgeschaltet. Nicht mehr die Bonität des Schuldners entscheidet über die Höhe der Risikoprämie, sondern die EZB-Aufkäufe. Solange die EZB etwa Anleihen des hochverschuldeten Eurolandes Italien zu Niedrigzinsen aufkauft, muss Italien selbst in diesen Tagen nur 1,8 Prozent für seine zehnjährigen Euro-Anleihen zahlen. Selbst US-Anleihen, die allgemein aber als sichere Bank gelten, müssen aktuell mit 1,95 Prozent höhere Zinsen bieten.

Energie verteuert sich zweistellig
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Die EZB kauft derzeit so gut wie alle italienischen Staatspapiere auf – auch die Anschlussfinanzierung für auslaufende alte Anleihen wird sichergestellt – und garantiert Zinssätze, die niedriger liegen als in Amerika. Dort leitet die Fed deutlich engagierter eine Zinswende ein, weil sie die Inflation ernster nimmt als Europas Zentralbank. Was aber mit den Zinsen passiert, wenn die EZB ihre Anleihekäufe reduziert und Italien sich am Kapitalmarkt wieder ohne EZB-Unterstützung refinanzieren muss, besorgt zurecht viele Marktbeobachter. Die EZB ist längst Gefangene einer Politik, die das unbegrenzte Schuldenmachen von Euro-Ländern höher gewichtet als die Stabilität des Euro.

Die alltäglichen Eingriffe der Politik in die Preismechanismen des Marktes zeigen sich an unzähligen Beispielen. Auf der einen Seite treibt der Staat unter der Flagge des Klimaschutzes bewusst die Energiepreise in die Höhe, auf der anderen Seite will er die Preise aus sozialen Gründen herunter subventionieren. Er deckelt Mieten ohne Rücksicht auf Angebot und Nachfrage und erntet dafür Investitionszurückhaltung – in Kombination mit bürokratischen Auflagen, die das Bauen verteuern. Die Tarifparteien werden zunehmend entmündigt, indem der Staat immer ungenierter in die Lohnbildung eingreift – ob bei der Entmachtung der Mindestlohnkommission oder durch die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen durch kleine Spartengewerkschaften.

Dabei zeigt die Wirtschaftsgeschichte eindrücklich: Staatswirtschaften waren noch nie und schon gar nicht auf Dauer erfolgreicher als Marktwirtschaften. Wohlstand für alle schaffen nur Marktwirtschaften, für die einst Walter Eucken folgende konstitutiven Prinzipien als Grundregeln für eine gute Wirtschaftspolitik formuliert hat: Respekt für die Eigentumsrechte und die Vertragsfreiheit, eine stabile Währung, Wettbewerb und die Betonung der privaten Haftung.

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