Tichys Einblick
METZGERS ORDNUNGSRUF 50-2019

Der grüne Etikettenschwindel beim „Klimaschutz“

Obwohl die „Energiewende“ beweist, dass teurer Strom nicht automatisch ökologische Zielerreichung bedeutet, setzen die Grünen beim CO2 wieder auf teuer.

imago images / Müller-Stauffenberg

Die Grünen können jubeln. Sie zwingen eine amtierende Bundesregierung und ihre Bundestagsmehrheit zur Änderung eines gerade erst beschlossenen Gesetzes, das den CO2-Preis ab 2021 stufenweise von 10 Euro bis zum Jahr 2025 auf 35 Euro je Tonne festgeschrieben hat. Weil den Grünen das viel zu billig schien – als Einstandspreis schwebten ihnen 40 Euro je Tonne vor -, handelten sie vor allem SPD und CSU, weniger der ökologisch „ergrünten“ CDU mit der grünen Verhinderungsmehrheit im Bundesrat einen für die Bürger deutlich teureren CO2-Erhöhungspfad ab. Jetzt geht es im gleichen Zeitraum in Stufen von 25 auf 55 Euro je Tonne.

Der teure Zuschlag wird nicht nur viele Millionen Menschen treffen, die Autos mit Verbrennungsmotoren fahren oder ihre Wohnungen mit Öl oder Gas heizen. Er wird insgesamt zu signifikanten Preiserhöhungen führen, weil er die Güterproduktion und -distribution spürbar verteuern wird. Der sogenannte soziale Ausgleich über die Pendlerpauschale und die Stromsteuer bringt der Mehrzahl der Bürger nur einen Bruchteil an Entlastung, wenn überhaupt. Obwohl dieses Gesetz gar nicht Gegenstand des Vermittlungsverfahrens war, nutzten die Grünen ihre Mitregierungsmacht aus 11 Landesregierungen, weil Union und SPD unbedingt die Senkung der Mehrwertsteuer im Bahnfernverkehr zum 1. Januar 2020 umgesetzt haben wollten. Dafür brauchten sie die Grünen ebenso wie zur geplanten Erhöhung der Pendlerpauschale.

Angriff auf Bürger und Wirtschaft
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Grüne Politiker, aber auch die gesamte „Klimaschutz“-Bewegung sowie die ihr überwiegend geneigten Medien, erliegen bis heute dem Trugschluss, dass nur hohe Preise für den Treibhausgasausstoß signifikante Emissionsminderungen bewirken. Dabei beweist vor allem der europäische Emissionszertifikate-Handel, mit dem immerhin knapp die Hälfe der Klimagasemissionen in der EU erfasst wird (Energie, Industrie und innereuropäischer Flugverkehr), dass man auch mit einem im Markt und nicht von der Politik bestimmten Preis die vorgegebenen Reduktionsziele genau erreichen kann. Von 2012 bis 2018 lag dessen Preis immer unter 10 Euro pro Tonne CO2. Seinen bisherigen Höchststand erreichte er mit gut 29 Euro vor wenigen Monaten. Aktuell liegt er bei knapp über 24 Euro je Tonne.
Ambitionierte Klimapolitik zu günstigen Preisen

Im TE-Interview (Ausgabe 09-2019) formulierte Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft an der Universität Kiel, seine Verwunderung über die verbreitete Vorstellung, dass nur mit möglichst hohen CO2-Preisen die Treibhausgasemissionen wirksam vermindert werden könnten: „Was mich an der Debatte über den Emissionshandel wundert, ist die Kritik an den niederen Preisen der Zertifikate. Warum wünschen sich manche hohe Preise, wenn man die vorgegebenen Reduktionsziele auch mit niedrigeren Preisen erreicht hat. Das klingt nach Masochismus. Wenn wir uns Mengenziele geben und die zu geringeren Preisen erreichen, dann sollten wir doch alle Halleluja rufen und nicht das System verdammen. Ich wünsche mir ambitionierte Klimapolitik zu günstigen Preisen.“ Und weiter: „Es herrscht ein grundsätzliches Missverständnis über den Zusammenhang von Mengensteuerung und Preisen. Da fehlt in Deutschland bei Vielen das Verständnis, wie Märkte funktionieren. Wir geben ein CO2-Mengenziel vor und implementieren damit so etwas wie einen Preis. Wenn wir das Mengenziel verändern, dann verändern wir auch den Preis. Doch der Preis, den wir durch die Mengenzielveränderung bewirken, soll aus volkswirtschaftlichen Überlegungen heraus möglichst gering sein. Der Zusammenhang muss in der öffentlichen Debatte viel stärker thematisiert werden.“

Es ist zu spät
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Doch die große Mehrheit der Politiker hängt nach wie vor dem Irrglauben an: Viel hilft viel. Dabei hat doch die von der Politik extrem regulierte „Energiewende“ für alle Welt augenfällig bewiesen, dass Deutschland mit seinem von den Stromkunden teuer subventionierten Einspeisevorrang für Sonnen- und Windstrom zwar einen sündhaft teuren Strompreis geerntet hat, aber seine ökologische Rentabilität mehr als zu wünschen lässt. Weil Wind- und Solarstrom nicht grundlastfähig sind, weil eben der Wind nicht rund um die Uhr weht und die Sonne auch nicht pausenlos scheint, müssen die schmutzigen fossilen Energieträger (Braunkohle, Steinkohle und Gas) häufig genug in die Bresche springen. Auch sieben Kernkraftwerke tragen derzeit noch ihr Scherflein zur stabilen Grundlast bei.

Während sich die Europäische Union unter Ursula von der Leyen auf den Weg zu einem „Green Deal“ machen will, hat sich bei der Madrider Weltklimakonferenz gerade erst gezeigt, wie wenig die Welt-Staatengemeinschaft auf den teuren deutschen Weg einschwenken will. Selbst von der Leyens ehrgeiziges Ziel muss sich erst noch in der konkreten europäischen Politik bewähren. Zu befürchten ist eher, dass mit der neuen grünen Etikettierung in Brüssel vor allem eine neue Verschuldungskultur befördert werden soll. Denn wer wird Kredite für die Rettung der Welt schon an so banalen Hürden wie europäischen Stabilitätspakten scheitern lassen.

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