Tichys Einblick
CDU im Osten

Marco Wanderwitz hat sich sein Scheitern selbst verdient

Angela Merkels Ost-Beauftragter wurde jetzt auf Geheiß von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer als CDU-Landesgruppenchef im Bundestag abgelöst. Zu spät, aber vollauf berechtigt, finden nach der desaströsen Wahlniederlage jetzt immer mehr Unionspolitiker.

Marco Wanderwitz

IMAGO / Jürgen Heinrich
Abgerechnet wird zum Schluss. Diese Volksweisheit trifft die linke Hand von Kanzlerin Angela Merkel spät, aber immerhin berechtigt. Ihr höchst umstrittener Ost-Beauftragter taugt nicht einmal mehr zum Landesgruppenchef der nach der Wahl nur noch spärlich vertretenen sieben CDU-Bundestagsabgeordneten aus Sachsen. Marco Wanderwitz wurde auf Geheiß von Sachsens CDU-Chef und Ministerpräsident Michael Kretschmer abgelöst: Wanderwitz wäre das falsche Signal.

Ausgerechnet Kretschmer, der Wanderwitz zum Wohlwollen von Merkel auf Landeslistenplatz eins setzen ließ. Der Noch-Ost-Beauftragte soll die Sitzung am Montagabend dann sogar ohne Aussprache mit seinen Kritikern verlassen haben. Was für ein erbärmlicher Abgang.

Merkel erkor Wanderwitz zu ihrem Ost-Beauftragten, weil dessen Vorgänger Christian Hirte aus Thüringen es gewagt hatte, dem demokratisch gewählten FDP-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich zu seinem neuen Amt zu gratulieren: „Deine Wahl als Kandidat der Mitte zeigt noch einmal, dass die Thüringer Rot-Rot-Grün abgewählt haben. Viel Erfolg für diese schwierige Aufgabe zum Wohle des Freistaats.“ Diese Gratulation via Twitter reichte Merkel aus, Hirte zu feuern. Merkel wollte einen willfährigen Helfer wie Wanderwitz, der gegen die AfD wettert und linke Bündnisse wie die in Thüringen schönredet.

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Offensichtlich beendet zumindest Sachsens CDU jetzt nach dem Wahldebakel solche Merkel-Lobedienerei. Auch bei Kretschmer geht jetzt die Angst um. Was er am Wahlsonntag in der CDU-Zentrale in Berlin zum Teil gehört habe, sei ein „Weiter-wie-bisher“. Stattdessen müsse die CDU eingestehen, dass sie große Fehler gemacht habe „in den vergangenen Monaten, vielleicht auch Jahren“. Und: „Das ist ein Erdbeben gewesen.“

In der Tat: Nicht nur im Bund mit 24,1 Prozent, auch bei der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern gab es mit 13,3 Prozent ein historisches Tief.

Die CDU wurde vom Wähler geerdet mit historischen Tiefs

Im Osten ist dank Kanzlerin Merkels Politik der größte CDU-Konkurrent, die Alternative für Deutschland, zu einer Volkspartei geworden. Bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern liegt sie mit 17 Prozent vor der CDU. In Thüringen und Sachsen etabliert sich die AfD bei der Bundestagswahl vor der CDU klar als stärkste Kraft. Sie gewann in Sachsen zehn Direktwahlkreise, die CDU nur noch vier. Hier ist sogar die lange schwindsüchtige SPD bei der Bundestagswahl stärker als die CDU – mit 19,3 gegenüber einem historischen CDU-Tief von 17,2 Prozent. Die AfD führt in Sachsen mit 24,6 Prozent, 2017 war es noch die CDU mit 30,6 Prozent. Die Union hat also in vier Jahren fast die Hälfte ihrer Wähler verloren und ist hier nur noch dritte Kraft. Von der einstigen absoluten Mehrheit unter Ministerpräsident Kurt Biedenkopf ganz zu schweigen.

Die Ursache für den Untergang hat einen Namen – neben Angela Merkel und Armin Laschet auch Marco Wanderwitz. Der Ost-Beauftragte erhielt für seine Stigmatisierung vieler Ostdeutscher als potenzielle Rechtsausleger und Demokratieversager durch die Wähler eine deftige Quittung: Wanderwitz verlor seinen Wahlkreis im Chemnitzer Umland nach fast 20 Jahren Bundestag an den unbekannten AfD-Bewerber und Neuling Mike Monscek deutlich mit 23,7 zu 28,9 Prozent. 

Wie konnte das passieren? Wanderwitz steht für viele Ostdeutsche für die Arroganz der Macht, die Kanzlerin Merkel mit ihren Paladinen im Elfenbeinturm große Teile der Gesellschaft spüren lässt.

Vor allem im Kampf gegen die AfD sind Dienern der Kanzlerin alle Mittel recht. Dabei hat Merkel mit ihrer Politik – alternativlose Milliarden für Griechenland und grenzenlose wie unkontrollierte Asyleinwanderung ins Sozialsystem – die Alternative für Deutschland im Grunde erst gegründet und dann groß gemacht. Zitat von FDP-Politiker Volker Wissing aus dem Jahr 2016: „Die AfD ist das Kind von Angela Merkel.“

Doch wer den Brand legt, ruft jetzt nach der Feuerwehr. So hatte Wanderwitz gut eine Woche vor der jüngsten Landtagwahl in Sachsen-Anhalt im Juni gleich pauschal hunderttausende Ostdeutsche verunglimpft. Er stigmatisierte sie als notorisch rechtsradikal und undemokratisch, weil sie für eine Partei wie die Alternative für Deutschland votieren, die demokratisch in alle Landtage, das Europa-Parlament, den Bundestag und die meisten Kommunalvertretungen gewählt worden ist. Seine diskreditierenden Worte fühlten sich für Ostdeutsche wie eine Herabwürdigung an: „Wir haben es mit Menschen zu tun, die teilweise in einer Form diktatursozialisiert sind, dass sie auch nach 30 Jahren nicht in der Demokratie angekommen sind.“ Diese Menschen seien nicht durch gute Arbeit von Regierungen zurückzugewinnen, hakte er diese Bürger und Wähler arrogant ab.

Der im Wahlkreis Görlitz AfD-Chef Tino Chrupalla unterlegene Direktkandidat und CDU-Kreischef Florian Oest klagt: „Die Spitzenkandidaten Armin Laschet und Marco Wanderwitz waren eine schwere Belastung für den Wahlkampf.“

Auch die bisherige CDU-Bundestagsabgeordnete Veronika Bellmann aus Mittelsachsen zählt drei Gründe auf, „warum wir in Sachsen verloren haben: 1. Der falsche Kandidat Laschet, 2. Die Ostbeschimpfung durch Wanderwitz, 3. Das Coronareglement von Kretschmer.“

Wie aus Kreisen des Unionsfraktionsvorstandes im Bundestag verlautet, soll sogar Merkels rechte Hand, der ehemalige Chefhaushälter Eckhardt Rehberg, jetzt die „unsäglichen Äußerungen“ von Wanderwitz verurteilt haben. 

Andere einflussreiche CDU-Abgeordnete werfen Wanderwitz eine regelrecht „menschenverachtende Wählerbeschimpfung“ vor. Manche zitieren dabei sogar die Amadeu Antonio Stiftung: „Rassismus beruht auf einem realen Machtunterschied in unserer Gesellschaft.“ Rassismus äußere sich auch in Gedanken, Worten und Handlungen: „Die Einteilung von Menschen in ‚wir‘ und die ‚anderen‘, die vermeintlich weniger wert sind, ist die Grundlage von Ideologien der Ungleichwertigkeit.“ 

In ähnlicher Weise hätte dies Wanderwitz mit seinen Äußerungen getan. Na, das ist schon starker Tobak. Aber so geht es zu, wenn nach nach der größten Wahlniederlage aller Zeiten abgerechnet wird. Pardon wird nicht mehr gegeben.

Marco Wanderwitz und seine Lebenspartnerin Yvonne Magwas genießen als Paar die Vorzüge des Bundestages

Mitleid ist jedoch nicht angebracht. Denn der bald 46-jährige Wanderwitz fällt weich. Über Listenplatz eins der Sachsen-CDU gelang ihm trotz Wahlkreisniederlage der Wiedereinzug in den Bundestag. Hier bleibt er nicht allein, sondern findet sein privates Glück. Denn auch seine 41-jährige Lebenspartnerin Yvonne Magwas, mit der Wanderwitz seit April 2019 Vater eines Kindes ist, sitzt seit Oktober 2013 für Sachsens Vogtlandkreis im Bundestag. Sie hat sich hier überdies noch als Vorsitzende der Frauengruppe der Union etabliert.

Marco Wanderwitz
Merkels Anti-Ostbeauftragter und die CDU
Dieses Promipärchen in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion alimentiert der Steuerzahler jetzt mit zwei mal 10.012,89 Euro Abgeordnetendiäten, also für beide zusammen 20.025,78 Euro monatlich. Das ist schon ein hübsches Familieneinkommen. Hinzu kommt für beide eine lukrative, steuerfreie Aufwandspauschale in Höhe von jeweils 4.560,59 Euro im Monat. In vier Jahren Abgeordnetendasein macht das ein nettes Familieneinkommen von rund einer Million Euro. Das Politik-Pärchen genießt dazu jeweils noch die Vorzüge einer DB-Bahncard 100 für die 1. Klasse im Wert von 6.812 Euro im Jahr, Inlandsfreiflüge bei der Lufthansa, Taxifahrten in Berlin, den Bundestagsfahrdienst und noch einiges mehr. 

So ein politisches Liebesleben kann sich also lohnen. Dazu verfügen beide bislang über Prestige und Macht – Wanderwitz als Ost-Beauftragter und seine Partnerin Magwas als Frauenchefin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. 

Obendrein hat das private Paar Wanderwitz/Magwas mit exakt 28,57 Prozent jetzt in der CDU-Landesgruppe Sachsen einen gewissen politischen Einfluss. Allerdings konnte dieser dem Merkel-Vertrauten Wanderwitz diesmal seinen Posten nicht retten. Die von 12 auf sieben geschrumpfte Bundestagsgruppe aus Sachsen formierte sich am Montagabend in der Dreikönigskirche von Dresden. Gewählt wurde auf Druck von Kretschmer statt Wanderwitz nun Carsten Körber aus dem Wahlkreis Zwickau zum neuen Landesgruppenchef der Sachsen. Das Paar Wanderwitz/Magwas zog anschließend von einem Kirchenort lebendigen Glaubens, der Tradition und Moderne in barocken Mauern verbindet, weitgehend sprachlos von dannen. Von den drei Königen bekam er ja weder Gold noch Weihrauch und Myrrhe. Ob Wanderwitz noch einen Bußgang zu seinen ostdeutschen Landsleuten macht, steht dahin. Christliche Demut wäre für den Christdemokraten in jedem Falle angebracht.

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