Tichys Einblick
Landtagswahlen

Die CDU sieht nur noch grün

Konservativ war einmal. Christdemokraten und Christsoziale springen auf den Klima-Zug der Grünen. Sie singen dabei das hohe Lied von Greta und ihren sieben Elektrozwergen.

imago images / photothek

Wer dieser Tage quer durch Sachsen fährt und auf die Partei-Plakate für die kommende Landtagswahl am 1. September schaut, bekommt sofort das Gefühl, er müsse mal gleich zum Augenarzt gehen. Der Betrachter sieht meist nur noch grün. Nicht nur das: Vor allem eine Partei sieht nur noch grün – die schwarze CDU. Deren Plakate sind von den Grünen kaum noch zu unterscheiden. Selbst der CDU-Ministerpräsident und Spitzenkandidat Michael Kretschmer kommt wie ein grünes Männchen oder gar wie der Green Lantern Comic-Held daher. Nein, nicht vom Mars, sondern aus seinem Wahlkreis Görlitz, den er an die harte Konkurrenz von der AfD vor allem bei Asylpolitik und innerer Sicherheit zu verlieren droht. Green Lantern Kretschmer verspricht daher auf seinen Plakaten an den Straßenlaternen schnell „1.000 neue Polizisten“, obwohl die CDU seit 1990 Sachsen regiert. Und was macht eine früher erfolgreiche konservative Partei, wenn sie ein erfolgreicher rechtskonservativer Wettbewerber bedroht? Na klar, man folgt brav den Grünen auf der Klimaspur, wird noch grüner oder besser so grün, dass sie man auf den Wahlplakaten von den Ökos kaum noch unterscheiden kann (siehe Fotos). Das liest sich dann alles flott hintereinander etwa so: „Handwerk stärken, Meisterbonus erhöhen. Alles erreichen mit Bus und Bahn.“ Die CDU stellt sich praktisch als Partner der Grünen dar. Was für ein strategischer Quatsch!

Schwarze schwenken grüne Laterne

Der Grünruck der langjährigen Bundesvorsitzenden und Bundeskanzlerin Angela Merkel wirkt sich offensichtlich auf die letzten konservativen Widerstandsnester der CDU aus. Auch Sachsen soll auf Linie gebracht werden. Hinzu kommen kurz vor den Wahlen Querschüsse in der Union von allerorten: Fordern die Grünen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von sieben auf 19 Prozent für alle Fleischprodukte, springen CDU-Agrarexperten dem gleich bei. Obendrein wird eine CO2-Steuer, die das gesamte Leben in Deutschland verteuert, aber viel Geld in sich leerende Staatskassen spült, in Teilen der Union immer beliebter. Merkels Statthalterin Annegret Kramp-Karrenbauer führt da nur noch zaghafte Abwehrversuche ins Feld, um am Ende für die Kanzlerin umzufallen. Zusätzlich kamen fiese Ratschläge aus dem Norden von Schleswig-Holsteins Regierungschef Daniel Günther für die Unionisten im Osten. Sie sollten doch einmal im 30. Jahr des Mauerfalls notfalls mit den SED-Nachfolgern von der Linken regieren. „Wenn Wahlergebnisse es nicht hergeben sollten, dass gegen die Linke eine Koalition gebildet wird, muss trotzdem eine handlungsfähige Regierung gebildet werden. Da muss die CDU pragmatisch sein“, empfiehlt Günther den Ossis. Schließlich gebe es 30 Jahre nach dem Mauerfall „durch eine Reihe regionaler Kooperationen ein gutes Stück Normalisierung zwischen CDU und Linken.“ Das wird die CDU-Kandidaten in Sachsen und Thüringen so richtig aufbauen. Vor allem in Thüringen könnte so etwas passieren. Dort käme es zum Kniefall: Die CDU könnte gar unter einem Ministerpräsidenten der SED-Nachfolgepartei den Mehrheitsbeschaffer spielen. Mit Rot-Rot-Grün kann Bodo Ramelows Linke wohl nicht mehr weiter regieren. Da müssten schon CDU (21%) und Linke (25%) ihre Prozente addieren, um überhaupt gegen AfD (24%), Grüne (11%), SPD (8%), eine Regierung zu bilden falls die FDP (5%) nicht in den Erfurter Landtag einzieht.

1. SPD-Hoffnung? Irena Rudolph-Kokot: Rastalocken für die Arbeiterklasse in Leipzig2. Verwechselbar: Plakate von Schwarz und Grün wie von einer Partei3. Green Lantern: CDU-Spitzenkandidat Kretschmer kommt wie ein Grüner daher4. Einfach machen – aber was? Sachsens FDP-Spitzenkandidat Holger Zastrow5. Rätselhafter Auftritt: Feuerwehrmann, Kosmonaut oder Polizist auf AfD-Plakaten6. Banalität: Linke wünscht sich wie die Models von "Miss Undercover" den Weltfrieden
Wahlen verloren? Die Opfer stehen schon fest

Weil das so ist, versucht sich die CDU im Osten mit einer Angst-Kampagne vor der AfD zu retten. „Von der AfD kommt eine Tonlage, die wir bisher nur von der NPD kannten“, warnt Kretschmer auftragsgemäß im Wahlkampf. Wird es ihm helfen?
Mittlerweile dämmert vielen Wählern, dass die durch Sachsens Landeswahlleiterin Carolin Schreck (CDU) angeordnete Beschränkung des Konkurrenten AfD wegen vermeintlicher Verfahrensfehler bei der Aufstellung auf nunmehr 30 Listenkandidaten statt 61 – eigentlich wollte Schreck nur 18 AfD-Listenplätze zulassen – wohl kaum ein Zufall war. Aber selbst solche Verwaltungstricks werden den Absturz nicht aufhalten, die AfD liegt mit der CDU auf Augenhöhe. Sie wird eine Regierungsbildung schwer machen.

Nicht nur dort: In Brandenburg und Thüringen könnte die Alternative für Deutschland ebenso stärkste Kraft werden. Hinzu kommt: Setzt es schlechte Wahlergebnisse, geraten die CDU-Spitzenkandidaten der drei Ost-Länder auf die Abschussliste der Bundesparteiführung, die dann ihr politisches Versagen mit Opfern in der Provinz zu kaschieren versucht.

Merkel hat Kretschmer beschädigt

Und wo ist der Stolz der einst so siegreichen Sachsen-CDU geblieben? Seit der Wiedervereinigung Deutschlands stellt die CDU in Sachsen den Ministerpräsidenten. Doch schon ab 2014 musste die Union ausgerechnet mit der schwindsüchtigen SPD eine Regierung bilden. Ministerpräsident ist seit Dezember 2017 Spitzenkandidat Kretschmer: Ein solider Konservativer, dem Kanzlerin Angela Merkel bereits in den Rückengefallen ist, weil Kretschmer im vergangenen Sommer in Chemnitz zunächst keine Menschenjagd auf Migranten erkennen und sich nicht wie seine damalige Parteichefin auf ein verfremdetes Video der linksradikalen Plattform „Antifa Zeckenbiss“ stützen wollte.

Seit diesem Merkel-Skandal befindet sich die Sachsen-CDU im freien Fall unter die 30-Prozent-Marke. In diesem Jahr ist die Zahl ihrer Mitglieder von 12.000 in 2014 auf nun 10.500 gesunken. Einziger Trost: Sie ist damit immer noch größte Partei in Sachsen.

Doch in aktuellen Umfragen dümpelt die einst so souveräne Sachsen-CDU dank Merkels Schrumpfungskur nur zwischen 26 und 28 Prozent. Vielleicht muss sogar eine Nationale Front aus CDU, SPD, FDP und Grünen her, um gegen AfD und Linke ein Bündnis zusammen zu zimmern. Selbst eine Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen wird die Schwarzen enorm schwächen und noch viel weiter nach links ans grüne Ufer drücken. Nach derzeitigen Umfragen käme die CDU in Sachsen mit viel Glück auf 28 und Grüne (12%) plus SPD (8%) auf 20 Prozent.

Merkels Union 2.0 : Ungebremst auf Talfahrt *CDU-Wahlprognosen für Herbst 2019 

Die wahre Schuldige aber für die Grünverschiebung der Schwarzen sitzt fest im Berliner Politiknetz: Angela Merkel hat es mit ihrem Linksdrall geschafft, nun selbst ihre eigene Kanzler-Partei in eine kümmerliche 20-Prozent-Plus-X-Truppe zu verwandeln. Frei nach dem Hollywood-Motto: „Mutti, Du hast unsere Kinder geschrumpft.“ Nun hat der durch Merkel verursachte Abwärtssog selbst die jahrzehntelang starke Sachsen-CDU voll erfasst. Nur zur Erinnerung: Erst Merkels angeblich alternativlose Griechenland-Milliarden, die kein deutscher Steuerzahler mehr wiedersieht und ihre grenzenlose, massenhafte Asyleinwanderung haben erst zur Gründung und zum Aufstieg der AfD geführt. Die Gefahr rechts der Union verdankt die Union also Angela Merkel. Diese Ursache wird bei der Klage über die Wirkung der AfD jedoch in schöner Regelmäßigkeit vergessen. Die Union ruft mit Hilfe der Medien lieber nach der Feuerwehr, obwohl sie den Brand verursacht hat.

Söders CSU ist eine weichgespülte Lenor-Partei

Konnten sich die Sachsen früher immer auf konservative Rückendeckung aus dem Süden verlassen, ist auch das passé. Aus Bayern weht ein laues Lüftchen seit Bienenretter Markus Söder in der konservativen Partei von Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber einen menschengemachten extremen Klimawandel verursacht hat. Auch die CSU angeführt von ihrem neugrünen Ministerpräsidenten und Parteichef Söder ergibt sich jetzt dem linksgrünen Mainstream. Söder hat seine kantigen Christsozialen weichgespült und in eine Lenor-Partei verwandelt. Jünger, weiblicher und ökologischer soll sie werden, lässt er seine Statthalter in Berlin verkünden. Also eine grüne CSU, um das Original in Bayern in Schach zu halten. Kopieren hat in der Politik noch nie zu Erfolg geführt. Der Wähler entscheidet sich immer für das Original. Bei den Kopierversuchen der SPD verloren die Sozis viele Stimmen an Grüne und Linkspartei. Jetzt wird die CSU ihre Stimmen auch an das grüne Original verlieren, genauso wie die CDU im Osten an Grüne und AfD verliert.

Nichtsdestotrotz liefert sich CSU-Söder mit SPD-Bundesumweltministerin Svenja Schulze und ihrem grün durch setzten Ressort jetzt sogar einen Wettbewerb, wer verbietet schneller Plastiktüten für die Kunden im Einzelhandel. Die CSU sinkt unter Öko-Söder wie CDU, SPD oder Grüne auf Verbots-Niveau. Freiheit war einmal. Wie Merkel fällt auch Söder seinem Kollegen Kretschmer noch in den Rücken, in dem der Bayer noch früher als geplant – schon 2030 – für den grünen Klimaschutz aus der Kohle aussteigen will. Söders Bayern fördert ja im Gegensatz zu Sachsen und Brandenburg keine Kohle.

Ein Quantum Trost – die Konkurrenz ist nicht viel besser 

Trösten können sich die Schwarzen in Sachsen nur etwas mit den schwachen Wahlkampfauftritten ihrer Konkurrenz. Die blonde Frau mit Rastalocken Irena Rudolph-Kokot will im Raum Leipzig noch den letzten Arbeiterwähler vergraulen. Nicht einmal ihre Gewerkschafter-Vita wird der 45-jährigen helfen, den Kampf um Listenplatz 14 zu gewinnen. Ihre SPD hat die Fünf-Prozent-Hürde fest im Blick. Die Wahlplakate der Doppelnamen SPD-Frau zeigen, wie weit, ja fast schon Lichtjahre, sich die Sozialdemokratie der Neuzeit mit solchen Leuten vom traditionellen Arbeiter-Milieu entfernt hat.

Selbst ein bürgerlicher Hoffnungsträger wie der bodenständige FDP-Spitzenkandidat Holger Zastrow aus Dresden verwirrt vorbeifahrende Wähler mit dem Slogan „Einfach machen“. In der Hand hält der authentische Freidemokrat wohl eine Schaufel oder Mistgabel. Nur, was will er machen? „Endlich anpacken, statt aussitzen!“ nach Jahren von Schwarz-Rot wäre für viele sicher das verständlichere Motto gewesen. Jetzt muss die FDP erneut um die Fünf-Prozent-Marke kämpfen.
Auch die gebeutelte AfD kann mit schlecht erkennbaren Plakaten wie etwa die eines Feuerwehrmannes im dunkelroten Schein „Für unser Engagement natürlich…“ kaum auffallen.

Und im 30. Jahr des Mauerfalls stehen auch die SED-Nachfolger alias PDS alias Linke vor Wahlen mit 16 Prozent in Umfragen so schlecht da wie seit 1994 nicht mehr. Trotz alledem versucht die Linke mit Plattitüden wie Weltfrieden, Solidarität und Gleichheit verlorene Wähler aus dem Plattenbau zu locken. Vor allem beim Plakat „Weltfrieden“ muss der Betrachter sofort an Sandra Bullocks Hollywood-Streifen „Miss Undercover“ denken und lachen. In dem Streifen wünschten sich selbst infantile Beauties bei der Miss Wahl immer den Weltfrieden.

Aber es gibt ja immer noch eine Hoffnung für Sachsen – die unfreiwilligen Comic-Stars mit ihren Wahlplakaten an den Straßenlaternen, die Green Lanterns von der CDU. Green Lantern 2 kommt übrigens erst am 19. Juli 2020 in die Kinos. Mit wem dann wohl die CDU Sachsen regiert und ihren Bürgern grün heimleuchtet?

Anzeige