Tichys Einblick
Bauern- und Bürgerproteste

Aktuelle Kamera reloaded

Wer heute auf der Straße gegen die versagende Ampelpolitik von SPD, FDP und Grünen protestiert, wird von den regierungsnahen Medien wie im Herbst 1989 in die staatsgefährdende Ecke gestellt. Vor allem das Framing der Öffentlich-Rechtlichen läuft auf vollen Touren.

IMAGO - Collage: TE
Wer jetzt Nachrichten hört und sieht, muss glauben, nur ein paar nörgelnde Bauern sind mit dem „tollen“ Kompromissangebot der Ampel-Regierung nicht zufrieden, und wollen nur zum Trotz dennoch weiter demonstrieren. Doch es sind nicht nur Bauernproteste, die in dieser Woche stattfinden, sondern es ist eine breite Bewegung der Mittelschicht von zehntausenden Handwerkern, Truckern, Gastronomen, Ärzten und Jägern, die gegen die Ampelregierung bundesweit einmal die Straßen blockieren. Mit Recht.

Obendrein ist auch nicht nur die Bundeshauptstadt betroffen. Ob tief im Westen oder in Mitteldeutschland – es protestieren zehntausende Menschen selbst in kleinen Städten mit ihren Aktionen. In Leipzig bilden sich Handwerker-Konvois auf dem Innenstadtring, bremsen Trucker-Kolonnen den Verkehr aus. Die Elbbrücken in Meißen sind blockiert und rund um Schneeberg im Erzgebirge Kreuzungen dicht, ebenso viele Autobahnauffahrten in Dresden, Magdeburg und Leipzig. Im Landkreis Zwickau gibt es Spontan-Demos und ein Autokorso von Adorf nach Plauen im Vogtland.

Selbst aus der brandenburgischen Prignitz fährt gleich ein ganzer Konvoi laut hupend mit gut einem Dutzend silber glänzenden Tankwagen für den Straßenprotest auf, wie hier im Netz zu sehen.

Der Trucker-Konvoi präsentiert an seinen Tankzügen und Schleppern noch große Plakate mit Botschaften an die Regierenden in Berlin wie diese: „Deutschland ist erwacht“, „Die Ampel muss weg, Fachkräftemangel? Ja, in dieser Regierung!“, „Wir sind das Volk“, „Ideologie macht nicht satt“, „Erst die Speditionen, dann die Bauern und dann alle Bürger?“, „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr unsere Zukunft klaut“ oder „Wenn die Ampel versagt, gilt rechts vor links“.

Medial bekommen sie allerdings kein Verständnis wie die radikalen Klimakleber oder die israelfeindliche FFF-Bewegung, die als Vorfeldtruppen die grüne Klimaideologie vorantreiben. Der mitfühlende Journalismus fällt aus, wenn die Mitte der Gesellschaft gegen eine Regierung von SPD, FDP und Grünen protestiert. Dabei sind diese Straßendemos eine mutige Protestbewegung, die jeden Respekt verdient hat, weil sich Menschen gegen eine wohlstandsvernichtende Politik wehren.

Vor allem deswegen ist in den Einheitsnachrichten nur von Bauernprotesten die Rede und nicht von Handwerkern, Jägern, Spediteuren, Taxifahrern, Gastronomen und vielen anderen Bürgern der Mitte.

Bauernproteste hingegen wegen gekürzter Subventionen sollen Neid bei der politisch unbedarften Masse schüren. Es sind die Falschen, die da angeblich demonstrieren. Die Ampel sei doch kompromissbereit. Man solle doch besser zu Hause bleiben und „besonnener den Dialog führen“.

Mit wem eigentlich? Mit den unbeirrbaren Klimaideologen unter der Berliner Käseglocke, die einfach weiter regieren, obwohl sie für staatsgefährdendes Tun keine Mehrheit beim Volk bekommen würden?

Immerhin solidarisieren sich die Freien Wähler Sachsens mit der beginnenden Protestwelle und sehen darin „einen ermutigenden Ausdruck der Unzufriedenheit in der Bevölkerung“. Man sei erfreut, dass die Menschen beginnen, sich zu wehren und ihre Stimme gegen unsinnige und existenzbedrohende Maßnahmen zu erheben. Deren Chef Thomas Weidinger aus Leipzig zählt offen die Gründe für die größten Proteste seit dem Untergang der DDR auf: „Es brodelt schon lange in der Bevölkerung. Nach 16 Jahren politischem Stillstand unter Merkel und über 2 Jahren katastrophaler Ampelpolitik ist nun die Grenze des Erträglichen bei den meisten Menschen erreicht.“

Spitzenpolitiker der Ampel geben sich dagegen gerne als Stichwortgeber und Mahner her. Vor allem der schwer angeschlagene FDP-Chef und Bundesschuldenminister Christian Lindner geißelt „heldenhaft“ die Bauernproteste gegen seinen „Amtskollegen Robert Habeck“. Die angeblich gefährliche Situation, in die Habeck mit der Fährblockade gebracht worden sei, sei „völlig inakzeptabel“ gewesen. Dafür gebe es nur eine Konsequenz, fordert der vermeintlich Liberale: „Landfriedensbruch, Nötigung, Sachbeschädigung – das sind Fälle für den Staatsanwalt.“ Das hat man von Lindner und Co. in dieser drohenden Härte gegen Klimaextremisten, die mit Straßenblockaden die Gesundheit von Menschen gefährden, die nötigen und noch nationale Denkmäler schwer beschädigen, nie gehört.

Wie die Medien wendet Ampel-Lindner das Narrativ der falschen Prostestierer an: „Lassen Sie sich nicht unterwandern und instrumentalisieren. Sie haben sich verrannt, bitte kehren Sie um“, mahnte er beim Dreikönigstreffen der Liberalen in Stuttgart. Protest müsse verhältnismäßig und im Rahmen der demokratischen Ordnung erfolgen.

Genau damit hat die SED-Regierung bei den Straßenprotesten im Herbst 1989 auch immer gedroht. Die DDR-Bürger sollten zu Hause bleiben und „Dialogangebote“ abwarten.

Die FDP-Führung ist völlig geschichtsvergessen, wenn es um ihren verzweifelten Überlebenskampf geht. Beim Untergang hält die marode Regierung halt zusammen, um sich die wenigen Rettungsboote zu sichern.

Selbst in der Provinz treiben die FDP-Regierungspartner Seit‘ an Seit‘ die gleiche Propaganda. So äußerte Joseph Israel, Vorsitzender der Grünen von Chemnitz, „große Besorgnis über die Verhältnismäßigkeit sowie die Legitimation dieser Proteste“. Hetzerische, menschenfeindliche Parolen oder Handlungen hätten auf einem friedlichen Protest nichts zu suchen und dürften keinesfalls toleriert werden. Das nennt man Gerüchte schüren und verbreiten, um das eigene politische Versagen zu vertuschen.

Denn Medienaktivisten wie Ampellisten vergessen dabei: Selbst wenn der aus ihrer Sicht Falsche das Richtige sagt, wird dadurch das Richtige nicht falsch!

Wird der Bürger unbequem, gilt er schnell als rechtsextrem!

Schnell holen daher tägliche Journalisten-Aktivisten aller Bundesländer zur Abschreckung die bekannten Stigmatisierungen heraus. Die Proteste würden von „rechts“ unterwandert.

Die Methoden sind bekannt und bewährt, aber haben den Untergang nicht aufgehalten. Der ehemalige Hauptabteilungsleiter Lutz Herden von der Aktuellen Kamera der DDR könnte heute wieder auf Sendung gehen mit seinem Kommentar zur Volksberuhigung, nachdem am Montag des 16. Oktober 1989 über 100.000 Bürger im Zentrum Leipzigs gegen die Regierung mit „Wir sind das Volk“ demonstrierten:

Ja, da gebe es jene, so der Herden-Kommentar in der Aktuellen Kamera am 17. Oktober 1989, „die meinen, sich nur noch auf der Straße Gehör verschaffen zu können. Der Mehrheit der Demonstranten soll hier nicht unterstellt werden, sie wollten dieses Land aus den Angeln hebeln, aber sie sollten bedenken, dass es andere gibt, vorzugsweise außerhalb unserer Grenzen, die dafür auch seit 40 Jahren keine Mühe scheuen. Dies zu vergessen wäre selbstmörderisch.“

Aber nun folgt das Einschläfern des Protests: „Was viele in diesem Lande bewegt, geht auf elementare Probleme zurück, zielt auf die Frage, wie wir es mit dieser Gesellschaft künftig handhaben wollen, damit sie jeder als lebenswert und unentbehrlich empfindet.“

Wir wollen lieber ein bisschen reden, und bloß nicht auf diese Weise demonstrieren, das wird auch heute wieder kommentiert.

„Insofern nehmen wir als Journalisten den gestrigen Tag als Signal, die begonnene Aussprache noch tiefgründiger, noch entschlossener, noch ergebnisorientierter zu führen. Keine Zeit, keine Idee, keinen Vorschlag verstreichen zu lassen, wenn sie eigenem Kopf und Denken entsprungen sind und ohne fremdes Hereingerede entwickelt wurden.“

Das heißt heute, also ohne die AfD, aber auch Vorschläge für besseres Regieren verstreichen zu lassen.

Wie früher wird auch dieser Tage von Politik und Medien auf Zeit gespielt, damit sich der deutsche Michel zu Hause beim Bier wieder beruhigt.

Der Chefagitator der Aktuellen Kamera Lutz Herden formulierte es so, dass es seine Nachfolger glatt übernehmen könnten:

„Dabei sind Geduld und Verständnis unumgängliche Tugenden, vor allem aber Besonnenheit und die Überzeugung, dieses Gespräch wird sich nicht auf der Straße führen lassen.“

Mehr noch: „Die Türen sind offen, wer nicht hindurch geht, wird sich die Frage gefallen lassen müssen, ob er es ehrlich meint, ehrlich mit dieser Gesellschaft, diesem Land, seinen Menschen, ohne die es nicht existieren würde. Guten Abend, meine Damen und Herren.“

Passt doch auch 34 Jahre später wieder perfekt für die Verurteilung der heutigen Massenproteste, und wirkt wie eine Anleitung zum journalistischen Glücklichsein – weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Die grüne Zwangstransformation von Wirtschaft und Gesellschaft muss schließlich weiter gehen – egal, ob die Mehrheit der Bürger sich nun gegen ihren Niedergang versucht zu wehren.

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