Tichys Einblick
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Ist „Klimanotstand“ selbst ein Kipp-Punkt?

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Christian von Stetten ruft seinen Kollegen im EU-Parlament kurz und bündig zu: »Sorry Kolleginnen und Kollegen, ihr habt einen Dachschaden!«

Frederick Florin/AFP/Getty Images

Krumme Gurken, zu harte Traktorensitze oder Verbot der Glühlampen – das war nur ein Klacks. Jetzt kommt der Notstand. Das EU-Parlament ruft den »Klimanotstand« für Europa aus. Die Abgeordneten entschieden sich klar für einen entsprechenden Entschließungsantrag. Genau stimmten 429 Parlamentarier für die Resolution c9-0209/2019, nach der der »Klimanotstand« ausgerufen werden soll. 225 Abgeordnete stimmten dagegen; es gab 19 Enthaltungen.

Ist das jetzt der sogenannte V-Fall? Der galt früher als das größte anzunehmende Übel. Damals sollte der Russe vor der Tür stehen, heute Väterchen Frost oder die große Hitzewelle. Doch die Resolution sei nur ein symbolischer Akt, heißt es. Sie solle nur Druck für eine neue Gesetzgebung aufbauen.

Pharisäer allewege
Klimanotstand? Ein Offenbarungseid nach dem anderen
Damit solle unterstrichen werden, dass wegen des Klimawandels dringend gehandelt werden müsse, erklärte das Parlament. Der Vorsitzende des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit (oh, oh, was für ein Begriff!) und Lebensmittelsicherheit, Pascal Canfin ist nach eigenen Angaben stolz, eine Mehrheit im EU-Parlament erreicht zu haben. Damit werde die Erwartung der europäischen Bürger erfüllt. Die allerdings wurden noch nie befragt.

Jetzt sollen die EU-Kommission, die Mitgliedstaaten und die globalen Akteure zu konkreten Maßnahmen gegen den »Klimawandel« aufgefordert werden und zwar »nachdrücklich«, wie es im Bericht aus dem EU-Parlament heißt.

Die neue EU-Kommission müsse ihre gesamte Arbeit auf die Folgen für Klima und Umwelt prüfen. Ziel müsse sein, die globale Erwärmung auf unter 1,5 Grad zu begrenzen. Damit kann künftig unter dem Tagesordnungspunkt »Klimaschutz« auch noch die unsinnigste Maßnahme beschlossen werden – Hauptsache, sie bringt Geld in die Kasse. Vermutlich auch eher weniger das der südeuropäischen Länder.
Klimafolgen prüfen – das kann eigentlich nur einen sofortigen Stopp der ausufernden Reisetätigkeit der Parlamentarier und des gesamten EU-Apparates bedeuten.

Festgestellt werden müsste, für wieviel CO2 die Brüsseler und Straßburger Bürokratie verantwortlich ist. Allein die Umsiedlungen von Brüssel an den EU-Standort Straßburg dürfte einen guten Anteil ausmachen. Sofort weg mit den vielen Dienstkarossen müsste es in Brüssel heißen – her mit Fahrrädern. Die Parlamentarier und die Mitarbeiter müssten als Erste mit gutem Beispiel voran umsteigen.

»Notstand« der Demokratie
Klimanotstand und Weihnachtsmann
Vollends zur Klimagefahr für die Welt wird EU-Europa, wenn Anfang Dezember 25.000 Gesandte aus aller Welt nach Madrid zum dortigen Klimagipfel fliegen. Darunter wird auch eine Delegation des Parlaments der EU unter der Leitung von Bas Eickhout (Grüne, NL) sein. Aber so ernst wiederum scheint die Klimagefahr dann doch nicht zu sein. In Bremen wird weiter gebaut, anstatt wegen angeblich drohenden Meeresspiegelanstieges die Stadt (10 Meter über NHN) oder gar Bremerhaven (0,2 bis 2 Meter über NHN) zu räumen.

Die Ausrufung des »Klimanotstands« in Europa kritisieren Politiker von CDU und CSU. Das erinnere an die deutsche Notstandsverordnung von 1933. »Wer heute den Klimanotstand ausruft, fordert nichts anderes als Entscheidungen ohne demokratische Legitimation und zielt darauf ab, demokratische Rechte außer Kraft zu setzen«, so Markus Ferber, CSU-Europaabgeordnete: »Entweder diese Menschen wissen nicht, wovon sie sprechen, oder sie empfinden es als legitim, den demokratischen Prozess auszuschalten. Beides ist zutiefst erschreckend, gerade vor dem Hintergrund unserer deutschen Ge-schichte und dem Jahr 1933.«

Der damalige Reichspräsident Paul von Hindenburg hatte am 28. Februar 1933 eine Verordnung zum Schutz von Volk und Staat erlassen, mit der die Bürgerrechte der Weimarer Verfassung eingeschränkt wurden, was die Machtergreifung Hitlers erlaubte. Notstand heißt, Entscheidungen ohne demokratische Legitimation auf den Weg zu bringen und demokratische Rechte außer Kraft zu setzen, wie Ferber weiter ausführte.

Konstanz schneller als Kiel
Hilfe! Klimanotstand!
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Christian von Stetten ruft seinen Kollegen im EU-Parlament kurz und bündig zu: »Sorry Kolleginnen und Kollegen, ihr habt einen Dachschaden!« Die EVP hält die Resolution für »unnötig«, die Grünen dagegen jubeln: »endlich«. Michael Bloss, Sprecher für Klimapolitik der Grünen-Fraktion: »Für uns ist es wichtig, dass wir die Klimakrise als das anerkennen, was sie ist.«

Jörg Meuthen, AfD-Vorsitzender und Europaabgeordnete, ironisch: »Damit wird die Europäische Union für Klimaflüchtlinge aus aller Herren Länder unzumutbar. Illegale Klimaflüchtlinge, die sich aktuell auf dem Territorium der EU befinden, sind im gegenseitigen Interesse unverzüglich abzuschieben.«

Darf jetzt die Kommission machen, was sie will? Die Frage wird jetzt sein: Für welche neuen Verordnungen, Verbote und vor allem Abgaben ist damit der Weg bereitet worden. Wie teuer soll es werden? Wer soll sich alles bereichern können?

Eher kommt man dem Kern näher bei jenem legendären Zitat Ottmar Edenhofers, der bereits 2010 in einem Interview mit der NZZ bekannte: »Aber man muss klar sagen: Wir verteilen durch die Klimapolitik de facto das Weltvermögen um … Man muss sich von der Illusion freimachen, dass internationale Klimapolitik Umweltpolitik ist.«

Die Frage, die diese jüngste Entscheidung des EU-Parlamentes aufwirft: Wann kippen jene legendären »Kipp-Punkte«. Die werden zwar dem Klima zugeschrieben, dürften jedoch eher für die Stimmung der Leute in Europa gelten. Die könnte endgültig gegenüber der Giganto-Institution wie »EU« in Brüssel kippen. Bei den Landwirten in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden ist es schon soweit.

Immerhin wurde so für neue Unterhaltung in China, Russland und Amerika gesorgt. Die haben keinen Klimanotstand, sondern sich im Abkommen von Paris die Nutzung der Kohlekraft weiterhin vorbehalten.

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