Tichys Einblick
Viel Lärm um Nichts

EU und einheitliche Ladekabel: Ein großes Wirrwarr

Nein, das wird nichts mehr mit einer EU, die mit immer mehr Details in das Leben der Menschen hineinpfuschen, Technologien und Entwicklungen bestimmen will und natürlich daran scheitern muss.

IMAGO / Frank Sorge

Sie sollten schon längst da sein, jetzt sollen sie im Herbst kommen, die Einheitsladestecker für Handys. Das hat die EU jüngst verkündet. Schon seit langem will sie, dass alle Mobilfunkgerätebenutzer ihre Handys nur noch mit einem genormten Ladegerät laden können. Weg mit kapitalistischer Vielfalt, her mit sozialistischer Einfalt und dazu passendem Einheitsladesystemen.

Warum das Ganze? Um das Weltklima zu retten, Kinder vor Kinderarbeit und die Umwelt in Abbaugebieten zu schützen. Denn angeblich fallen zu viele Ladegeräte an: neues Handy – neues Ladegerät. Damit sollte Schluss sein. Mal sind es 14.000 Tonnen, die in Begründungen angeführt werden, dann darfs ein bisschen mehr sein, jetzt ist von einer Schrottmenge von 51.000 Tonnen die Rede, die angeblich durch die Ladegerätehalde entsteht. Das behauptet jedenfalls die EU und will den EU-Einheitsstecker für alle Handys. Modell »von der Leyen«?

Schon mehr als zwölf Jahre reichen die Bemühung der EU um einen Standard zurück. 2009 wusste sie, dass die Konsumenten nicht ihre Ladegeräte wegwerfen wollten, wenn sie ein neues Handy kaufen. Der Kommissar, der das gesagt hatte, hieß noch Günter Verheugen. Es gab da noch einen finnischen Mobiltelefonhersteller namens Nokia. In der Zeit, in der EU-Bürokraten sich über neue Standards beraten, haben jedoch schon viele neue Entwicklungen die EU-Pläne hinweggefegt.

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Die EU wollte auf ihrer Suche nach »Was kann man noch vereinheitlichen?« einst Micro-USB als Ladestecker vorschreiben und beschrieb viele tausend Seiten und elektronische Dokumente – nutzlos, lediglich den CO2-Ausstoß erhöhend. Die Kommission will auch neue Ladegeräte bei jedem neuen Handy untersagen.

Apple hatte währenddessen seinen Lightning-Standard vorgestellt. Den Ingenieuren gelang eine Reduzierung der Verbindungskabel von vorher 30 auf 8 Leitungen bei erweitertem Funktionsumfang und höherer Energieübertragung. Das war bereits 2012, schneller als sich die EU-Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU mit ihren elf Direktionen zu Gedanken zur Normung aufraffen konnte. Apple entwickelte als Zwischenlösung auch einen Mikro-USB-Adapter – aufgrund der EU-Verpflichtung nach einem einheitlichen Ladestecker.

Neuer Elektronik-Schrott, wenn man so will – Made by EU. Der nächste Standard USB-C wurde von einem Industriekonsortium unter anderem mit Apple, Hewlett-Packard, Microsoft und Intel definiert. Gut, dass dabei die EU nichts zu melden hatte. Hervorragende Innovationen wie USB-C hätte es nicht gegeben. Die Planungskommission hätte sich solche hochklassige Technologie nie ausdenken können.

Denn der Verbraucher bestimmt, welche Technologie sich durchsetzt. Der sieht Vorteile und kauft entsprechend, was zu ihm und seinem Geldbeutel passt. Die Vereinheitlichung von technischer Entwicklung per Direktiven führt immer auf den Holzweg, wie man das bei der Elektromobilität drastisch sehen kann.

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Nächste technologische Ziele sind drahtlose Verbindungen und induktives Laden – teilweise schon heute verfügbar mit kräftigen Ladeleistungen von 50 Watt. Allerdings sind Verlustleistungen mit fast 50 Prozent noch sehr hoch, etwa die Hälfte des Ladestroms wird verpulvert. Ebenso kann die Wärmeentwicklung noch recht beachtliche Werte erreichen und dem Handy-Akku schaden.

Doch die Entwicklung neuer Technologien gerade im Mobilfunksektor verläuft außerhalb der EU schneller, als der durchschnittliche EU-Beamte seine Pension ausgerechnet hat. Dafür werden hierzulande NGOs mitsamt Dachverband ECOS für Umwelt-NGOs gemästet. Der hat offenbar keine Fachleute, sucht sie verzweifelt (»We Are looking for experts!«), behindert aber mit professionellem Social-Media-Getöse technischen Fortschritt.

ECOS, viele andere NGOs und EU träumen von »nachhaltigen« Standards, die sie weltweit setzen wollen. Währenddessen dürfte das schallende Lachen bei Apple, Samsung und Huawei immer lauter werden. Apple widmet dem EU-Wahnsinn wertvolle Arbeitszeit, versucht, langsam und deutlich in einer Stellungnahme gegenüber der EU klarzumachen, wie Fortschritt tickt und was ihn behindert:

»Apple steht für Innovation. Vorschriften, die eine Konformität über den Typ des in allen Smartphones eingebauten Steckers erzwingen würden, frieren Innovationen ein, anstatt sie zu fördern. Solche Vorschläge sind schlecht für die Umwelt und unnötig störend für die Kunden.«

»Mehr als 1 Milliarde Apple-Geräte wurden mit einem Lightning-Anschluss ausgeliefert, zusätzlich zu einem ganzen Ökosystem von Zubehör- und Geräteherstellern, die Lightning verwenden, um unsere gemeinsamen Kunden zu bedienen. Wir wollen sicherstellen, dass eine neue Gesetzgebung nicht dazu führt, dass unnötige Kabel oder externe Adapter mit jedem Gerät ausgeliefert werden oder dass Geräte und Zubehör, die von vielen Millionen Europäern und hunderten Millionen Apple-Kunden weltweit genutzt werden, obsolet werden. Dies würde zu einer noch nie dagewesenen Menge an Elektronikmüll führen und die Benutzer stark belästigen. Diesen riesigen Kundenmarkt unterbrechen zu müssen, wird Folgen haben, die weit über die erklärten Ziele der Kommission hinausgehen.«

»Seit 2009 hat Apple die Bemühungen der Industrie angeführt, gemeinsam eine gemeinsame Ladelösung zu fördern. Und mit dem Aufkommen von USB Typ-C haben wir uns zusammen mit sechs anderen Unternehmen dazu verpflichtet, dass alle neuen Smartphone-Modelle diesen Standard über einen Stecker oder eine Kabelverbindung nutzen werden. Wir glauben, dass diese gemeinsame Anstrengung vieler führender Unternehmen der Branche besser für die Innovation, besser für die Verbraucher und besser für die Umwelt ist.«

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Legendär ist die Zahl unterschiedlicher Handys mit unterschiedlichen Technologien und Leistungen. Die benötigen auch unterschiedliche Ladegeräte mit jeweils auf das Handy abgestimmten Eigenschaften.

Doch nach ein paar Jahren ist deren Technik längst überholt, erneuerbar oder reparierbar kann da nicht mehr viel sein: die Elektronik auf engstem Raum placiert, auf daumennagelgroßen Chips die staunenswertesten Funktionen eingebaut, die Akkus in die Hüllen geschmiegt und festgelötet. Das hält besser und verhindert Korrosion der Kontakte. Der Akku indes kann in den meisten Fällen ausgelötet und ersetzt werden.

Nur Konkurrenz verschiedener Hersteller treibt die beeindruckende Entwicklung neuer Mobilfunktechnologien an, Europa spielt dabei keinerlei Rolle mehr. Handys werden in Kalifornien und in Asien entwickelt und gefertigt, während das EU-Europa sein Heil in Recycling und Müllverwertung sieht. Das soll das Weltklima retten und Arbeitsplätze schaffen. Müllsortieren ist angeblich eine ehrenwerte Tätigkeit, nur finden Produktion und Wertschöpfung woanders statt.

Derweil ist Europa vor allem für Bizarrerien gut. Denn tatsächlich: Es konnte nicht lange dauern, bis nach dem Recht für jedes Tier auch ein Recht auf Reparatur für jedes Handy gefordert wird.

Nun ist mit Einheitsladegerät und Einheitshandy ist nicht mehr viel Boden zu gewinnen. In welche Sackgasse eine »Einheitstechnik« geführt hat, kann deutlich im Sozialismus besichtigt werden. Echte Neuentwicklungen verlaufen auf dem Markt schneller, als EU-Behörden und Kommissare Akten wenden können.

Nein, das wird nichts mehr mit der EU, die mit immer mehr Details in das Leben der Menschen hineinpfuschen, Technologien und Entwicklungen bestimmen will und natürlich daran scheitern muss. Der aufgeblasene Koloss in Brüssel hat seine allerletzte Glaubwürdigkeit verspielt. Und nein, da ist nichts mehr reformierbar.