Tichys Einblick
Parteienstaat Teil 2

Die Zukunft der Parteien: Schlüsselpersonen

Bryan Hayes, der nicht aus dem polit-medialen Komplex kommt, sondern einer der an der res publica Interessierten ist, begann seinen Fünf-Teiler gestern und setzt ihn hier fort.

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Da die meisten Menschen eine Grundneigung haben, Personen als Führungsfiguren anzuerkennen und gleichzeitig die Parteien bestimmte Schlüsselpersonen markenähnlich aufbauen und propagieren, und weil diese Schlüsselpersonen einen maßgeblichen Einfluss bzw. eine signifikante Macht haben, sei es in der Partei, sei es durch öffentliche Ämter, lohnt sich ein Blick zumindest auf einige dieser. Hierbei ist die Frage nach den tatsächlichen Fähigkeiten der entsprechenden Personen am hilfreichsten: Welche Tätigkeit außerhalb der Funktionärswelt, außerhalb der Medienwelt etc. käme in Frage?

Beim Versuch der Beantwortung dieser Frage treten große Schwierigkeiten auf, die in den Biographien dieses Personenkreises der Parteien (z.B. Ursula von der Leyen, Annegret Kramp-Karrenbauer, Horst Seehofer, Andrea Nahles, Martin Schulz etc.) begründet liegen. Es ist nicht möglich, dieses Thema in der Form einer Analyse abzuhandeln; es wäre vielmehr nur in der Form einer sarkastischen Satire möglich. Daher entfällt dieser Abschnitt.

Parteienstaat Teil 1
Die Zukunft der Parteien in Deutschland
Zu Frau Merkel, 63, CDU, Parteivorsitzende und amtierende Verwaltungsangestellte als Bundeskanzlerin, aber doch eine Analyse, da sie die wichtigste Politikerin in Deutschland ist. Frau Merkel als Politikerin kann sehr einfach modelliert werden: Im Kern will sie an der Macht sein und sie tut mit einer gewissen Verzögerung einfach das, was die reichweitenstarken Linksmedien als gut und richtig hinstellen. Sie beobachtet, was diese schreiben und was dazu (passend lancierte) sog. Umfragen ergeben, wartet etwas ab, ob sich das so stabilisiert, und handelt dann einfach entsprechend; ergänzend formuliert sie diese Inhalte in ihrem eigenen, leicht verschwurbelten Stil um. Nicht mehr und nicht weniger. Da diese Medien einen sehr großen Einfluss haben, ist sie mit dieser „Strategie“ von 2005 bis 2015 gut gefahren. Vor 2005 hatte sie Ähnliches versucht, hatte sich aber inhaltlich mehr am CDU-Programm orientiert und ist damit bei der Bundestagswahl 2005 fast gescheitert (nicht zuletzt, weil sie sich mit diesem Programm nicht wirklich identifiziert und es z.T. nicht verstanden hat…).

Ein Einfluss anderer, potenzieller Determinanten ihres Verhaltes (z.B. eine solides Wertegerüst, Grundprinzipien, das Konzept des Bürgers etc.) ist statistisch nicht signifikant ermittelbar. Eine Fähigkeit zur Analyse oder gar Prognose ist ebenfalls nicht erkennbar, ihre Grenze scheint bei der Fähigkeit zur Mittelwertbildung zu liegen (das steht in einem gewissen Widerspruch zu ihrem Ausbildungszertifikat als promovierte Physikerin, vielleicht ein Artefakt, ein Ergebnis von juvenilem Fleiß?). Ein adulter Starrsinn sowie eine Lernresistenz sind stark ausgeprägt.

In welchem Maße sie den Medienleuten folgt, könnte theoretisch getestet werden: Würden diese z.B. en Block die Idee lancieren und forcieren, dass alle Menschen aus Gleichberechtigungsgründen und Umweltgründen nur in einer grauen Einheitskluft aus recycelter Pappe herumlaufen sollten, würde ihre Reaktion auf diese Bürger-feindliche Forderung sofort die Antwort auf diese Frage aufzeigen. (Ich schätze die Wahrscheinlichkeit, dass sie dies, ohne mit der Wimper zu zucken, als komplett selbstverständlich unterstützen würde, auf 85%, würde es professionell und langjährig lanciert).

Fähigkeiten und tatsächliches Handeln der Parteifunktionäre

Die punktuelle Betrachtung einiger Schlüsselparteifunktionäre hat ein verheerendes Bild ergeben. Diese sind aber keine Einzelfälle. Vielmehr ergibt sich folgendes Gesamtbild bzgl. der etablierten Parteien, gezeigt als Diagramm für eine repräsentative (aber fiktive) Auswahl einiger Parteifunktionäre:

In diesem Diagramm sind auf der X-Achse die Fähigkeiten der Parteifunktionäre aufgetragen, den Aufgaben gerecht zu werden, die sie haben, und in der Vertikalen das tatsächliche Handeln im Sinne der Bürger, es handelt sich hierbei um meine Einschätzungen. Es sind zwar einige Parteien-abhängige Unterschiede erkennbar, aber im Mittel muss festgestellt werden, dass die Fähigkeiten in keiner Weise ausreichen, um die Aufgaben zu erfüllen, sie sind überwiegend unter 0%. Ein Wert unter 0% bedeutet, dass die Fähigkeiten so gering sind, dass den Bürgern fast zwangsläufig ein Schaden entsteht. Eine +10% beim Handeln bedeutet, dass den Bürgern immerhin noch ein Nutzen von 10% entsteht.

Ein Beispiel mag dies erläutern: +100% sowohl bei den Fähigkeiten wie beim Handeln im Falle einer Autowäsche bedeuten, dass jemand ein Auto gut waschen kann und dass es nach dem Waschen 100% sauber ist und schonend gewaschen wurde. +10% beim Handeln bedeutet, dass es schlecht gewaschen wurde, aber immerhin noch etwas sauberer ist als vorher. -50% bedeutet, dass es schmutziger ist als vorher und dabei noch z.B. etwas zerkratzt wurde. Bei -100% hat es zusätzlich noch eine Beule erhalten.

Der Umstand, dass selbst bei positiven Fähigkeitswerten trotzdem meist ein negatives Handeln konstatiert werden muss, liegt darin begründet, dass die meisten Parteikader kein Interesse an einer Bürger-orientierten Politik haben, sondern an einer Eigeninteressen-orientierten. Es werden z.B. mehr Funktionärsposten geschaffen, die Regulierungsdichte erhöht, neue Steuern geschafften (z.B. Maut), statt das Rechtsgestrüpp zu entmisten etc.

Die AfD ist nicht im Diagramm aufgenommen worden, da die Historie des tatsächlichen Verhaltens noch fehlt.

Sehr auffällig ist das weitestgehende Fehlen von Kompetenz und noch mehr, der Kombination von Kompetenz und Handeln im Sinne der Bürger. Hier ist eine riesige Lücke, die in keiner Weise von den bisher etablierten Parteien gefüllt wird. Sie wird auch nicht aus der Funktionärsriege und noch weniger vom Funktionärsnachwuchs gefüllt werden können, da die entsprechenden Personen schlicht und ergreifend nicht in der Partei bzw. nur als einfache Mitglieder vorhanden sind.

Das größere Bild im zeitlichen Ablauf zeigt folgendes Diagramm:

Dieses Diagramm zeigt die Komplexität der Öffentlichen Angelegenheiten im Zeitablauf (meine Einschätzung). Die Erhöhung beruht auf einer zunehmenden Anzahl von Themenkreisen im Laufe der Zeit, auf einer zunehmenden Größe des Territoriums, auf einer zunehmenden Zahl von relevanten Playern und Menschen weltweit. Seit 1820 gibt es z.B. folgende neue Themenkreise / Domänen: Zunehmend mehr Technik und Wissenschaft, Sozialversicherungen, Papiergeldsystem, zunehmende Zahl von Menschen weltweit, Umweltthematik, Klimathematik, zunehmende Überalterung, Digitalisierung / Automatisierung durch Computer, zunehmende Migration etc.

Die rote Linie zeigt die Fähigkeiten der jeweiligen Machtausübenden an, maßgeblich also seit 1919 solche von Parteien-Funktionären. Der Kontrast zu den Anforderungen war schon immer hoch, ist nach dem 2. Weltkrieg dann gerade noch einmal auf ein halbwegs erträgliches Niveau gestiegen und befindet sich seitdem im stetigen Sinkflug, letztlich nach unten nur durch die -100% Linie begrenzt (wobei diese genau genommen nicht absolut ist, nach unten ist immer noch Platz …). Die Kriegszeiten etc. wurden ausblendet, da das Diagramm hierfür ungeeignet ist.

Vor allem seit ca. 1980-1990 ist der Durchmarsch von Personen, die sich nur noch als Parteikader sehen und nicht als Bürger in politischen Positionen, deutlich erkennbar. Der Umzug des Bundestages und der Ministerien nach Berlin hat diesen Effekt nochmals deutlich verstärkt, da er eine geistige Inzucht, eine negative Selbstverstärkung in der dort erzeugten Funktionärsparallelwelt (kritisch auch als „Funktionärspfuhl“ bezeichnet) sehr begünstigt hat und weiterhin tut. Der Umzug vieler Redaktionen und NGOs nach Berlin hat diesen Effekt nochmals deutlich verstärkt. Die unselige Geschichte Berlins als Sitz von zwei Diktaturen und zwei autoritären Systemen vor Ende 1989 hat sicher auch ihren negativen Beitrag geleistet, da sie ein negatives, herrisches und arrogantes geistiges Klima erzeugt.

Das noch schlimmere Drama ist das immer extremere Auseinanderklaffen zwischen der Komplexität der Öffentlichen Angelegenheiten und den Fähigkeiten der Parteikader, vor allem in den letzten Jahrzehnten. Auch hier mag ein Beispiel aus der realen Welt hilfreich sein: Verkehrsflugzeugpiloten, wobei deren Anforderungen weniger gestiegen sind. Würden deren Fähigkeiten im gleichen Maße abgenommen haben, wie das bei Parteipolitikern der Fall ist, würden wir ständig, jeden Tag, solche Nachrichten wie die folgenden lesen:

  • Pilot hatte vergessen aufzutanken: Flugzeug am Ende der Startbahn mit 300 km/h in Wald gerast
  • Flügel ab: Pilotin verwechselte links mit rechts beim Rangieren
  • Voice Recorder nach Absturz ausgewertet: Streit im Cockpit Ursache für 350 Tote
  • 3000 km falsch geflogen: Pilot hat sich auf Autopiloten verlassen
  • Drama über München: Cockpitcrew wusste nicht mehr, wie man den Sinkflug einleitet, und musste die Hotline des Flugzeugherstellers anrufen
  • Flugzeug stürzte über dem Pazifik ins Meer: Piloten hatten Motoren abgeschaltet, um Sprit zu sparen

Bryan Hayes ist als Softwarearchitekt in der IT-Branche tätig.

Das Thema wird in fünf Teilen dargestellt: