Kopfschmerzen, schmerzhafter Druck auf den Ohren, Schwindel, Müdigkeit, Herzrasen, Tinnitus, Übelkeit, Nasenbluten und Schlafstörungen – all die wesentlichen Folgen, über die Anrainer von Windindustrieanlagen auch hierzulande leiden, sie sind keine Einbildung, sondern reale Folgen. Ein französisches Appellationsgericht hat Klägern Recht gegeben, die in der Nähe von Windrädern wohnen, und festgestellt, dass der Betrieb der Anlagen zu Veränderungen des Gesundheitszustandes geführt hat.
Die ersten gesundheitlichen Symptome traten nicht sofort, sondern erst im Laufe der Zeit nach und nach auf. Bei jeder mehrtägigen Reise verschwanden die Symptome. Zudem hielt das Gericht auch fest, dass der behandelnde Arzt der Kläger keine Auffälligkeiten in der Vorgeschichte feststellen konnte. Insbesondere wurden keine Kardial- oder HNO-Anomalien festgestellt. Die Kläger waren auch keine Gegner der Errichtung der Windenergieanlagen in der Nähe ihres Wohnhauses.
Es gibt im Organismus feine und feinste Strukturen, die auf Druckschwankungen reagieren. So messen Rezeptoren ständig den augenblicklichen Luftdruck, das Gehirn verrechnet ihn mit den Druckschwankungen der Schallwellen. »Warum?« fragt Müller in seinem Buch, »weil sich der Luftdruck ständig ändert, wenn wir uns bewegen. Sie möchten doch Ihre Fernsehsendung nicht lauter empfinden, wenn Sie vom Sofa aufstehen. Ohne die Verrechnung im Gehirn würden Sie aber genau das empfinden. Beim Aufstehen bewegt sich der Kopf um angenommene 50 Zentimeter nach oben. Dann reduziert sich bereits der umgebende Luftdruck um circa sechs Pascal (Pa). Das Gleiche umgekehrt, wenn Sie wieder Platz nehmen. Wenn man bedenkt, dass das Ohr Druckdifferenzen von 20 μ Pa in Höreindrücke umsetzen kann, dann sind die Druckänderungen bei Bewegungen beachtlich. Davon merken Sie jedoch nichts. Die Vorgänge laufen im Unterbewusstsein ab.«
Viele Bewegungen finden in noch kleinerem Maßstab statt wie das Ein- und Ausschleusen aus Zellen von Nährstoffen, von Abfallstoffen und Gasen über Gewebeschichten oder Zellmembranen hinweg. Selbst innerhalb einer einzigen Zelle bewegt sich fast alles. Sogar bei der Zellteilung finden höchst komplizierte Bewegungsvorgänge statt: Die Chromosomen werden verdoppelt und anschließend an Spindelfäden auseinandergezogen, die Zellmembranen schnüren sich ein und schließlich ab. Ein Wunder, dass so störanfällige Vorgänge in der Regel gut verlaufen.
Tieffrequenter Schall und Infraschall kann diese Vorgänge empfindlich stören. Deshalb sollen etwa schwangere Arbeitnehmerinnen keine Tätigkeiten verrichten, die in direkter Nähe zu tieffrequenten Immissionen stattfinden, da sich hierdurch das Risiko einer Fehl- oder Frühgeburt erhöhen könnte.
Dieses Urteil des „Cour d’appel de Toulouse“ dürfte auch in Deutschland Veranlassung geben, die Rechtsprechung konsequent weiterzuentwickeln, sagt der Fachanwalt für Verwaltungsrecht Dr. Rico Faller aus Karlsruhe. »“Mit dieser Entscheidung trägt der „Cour d’appel de Toulouse“ dem Rechnung, was sich aus den in den letzten Jahren zunehmenden Erkenntnissen im Zusammenhang mit Windenergieanlagen und tieffrequentem Schall bzw. Infraschall ergibt.« Aus Sicht von Experten sei es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis der Erkenntnisfortschritt die Rechtsprechung erreicht und insbesondere obergerichtlich Eingang in die Gerichtspraxis findet, bewertet Faller das französische Urteil. Das habe zwar noch keine rechtliche Bindungswirkung in Deutschland, gebe aber doch Veranlassung, die Rechtsprechung hierzulande auf den Prüfstand zu stellen.
Die Betreiber des Windparks hatten bis zum 8. Oktober Zeit, beim obersten Gerichtshof Berufung einzulegen. Dies ist nicht geschehen.