Tichys Einblick
Deindustrialisierung

Das ABC von Energiewende und Grünsprech 58 – Gasturbine

Gaskraftwerke sollten die Brücke ins erneuerbare Zeitalter bilden. Auch diese These erweist sich bei näherer Betrachtung als heiße Luft.

A rotor of a Gas Turbine of German's industrial giant Siemens.

© Johannes Eisele/AFP/Getty Images

Täglich werden wir mit Begriffen konfrontiert, die im Ergebnis einer als alternativlos gepriesenen Energiewende verwendet werden oder durch sie erst entstanden sind. Wir greifen auch Bezeichnungen auf, die in der allgemeinen Vergrünung in den Alltagsgebrauch überzugehen drohen – in nichtalphabetischer Reihenfolge. Heute allerdings ein traditioneller Begriff:

G wie

Gasturbine, die

Eine Gasturbine ist eine thermische Strömungsmaschine, die den thermodynamischen Gesetzen unterliegt. Komprimierte Luft wird mit flüssigem oder gasförmigem Brennstoff vermischt und verbrannt. Das Heißgas entspannt sich im nachfolgenden Turbinenläufer und an der Welle kann die mechanische Energie abgenommen und verwendet werden – als Generatorantrieb, zum Antrieb von Flugzeugen („Turboprop“) oder von Schiffen.

Für die deutsche Energiewende sind Gaskraftwerke zur Stromerzeugung der Hoffnungsträger Nummer 1. Als die Ethikkommission „Sichere Energieversorgung“ 2011 in ihrem Bericht schrieb, dass zum Ersatz der wegfallenden Kernkraftwerksleistung auch der Neubau von Kohlekraftwerken nötig sein würde, gab es erwartungsgemäß den Widerspruch der vereinigten Kohlegegner.

„Der Bedarf an zusätzlichen Backup-Kraftwerken kann für die Übergangszeit ins regenerative Zeitalter vollständig durch flexible und hochmoderne Gaskraftwerke gedeckt werden“, sagte Dr. Cornelia Ziehm, Leiterin Klimaschutz und Energiewende der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und Sprecherin der Klima-Allianz. „Für neue, unflexible Kohlekraftwerke gibt es dagegen in einem Stromsystem mit einem stetig zunehmenden Anteil erneuerbarer Energien keinen Platz mehr“, fuhr sie fort, offenbar in Unkenntnis der Regelfähigkeit von Kohlekraftwerken.

Sauberes Gas für die saubere Wende

Also Hoffnung für Siemens und General Electric, durch die Energiewende sicheren Absatz für ihre hochmodernen Gasturbinen zu bekommen? Die Realitäten entwickelten sich anders. Durch den exorbitanten Zubau an Wind- und Sonnenkapazitäten in Deutschland fiel der Strompreis im Großhandel derartig ab, dass der Betrieb von Gaskraftwerken zur Stromerzeugung wirtschaftlich nicht mehr darstellbar war.

Der Block 5 des Kraftwerks Irsching steht symbolisch für die verfehlte Annahme der DUH. Er ging im Jahr 2010 mit einem Wirkungsgrad von fast 60 Prozent in Betrieb und gehört zu den modernsten Gaskraftwerken weltweit. Nachdem der Probebetrieb vorüber war, stand er fast nur in Reserve. Der hohe Wirkungsgrad reicht nicht, die immensen Brennstoffkosten bei relativ wenigen Betriebsstunden einzuspielen. Die endgültige Stilllegung wird derzeit noch durch die Netzreserveverordnung verhindert. Wie lange der Staat in die Eigentumsrechte der Anteilseigner eingreifen kann, ist allerdings noch ungeklärt.

Auch international wird es für Siemens enger. Inzwischen können auch die Osteuropäer und Ostasiaten gute Gasturbinen bauen, und zwar billiger. Das Hü und Hott der deutschen Außenpolitik, zu besichtigen bei deutschen Waffenexporten in die Türkei, schlägt auch auf die Exportwirtschaft der anderen Branchen durch. Abgesehen vom weitgehend sinnfreien Embargo gegen Russland, dass vor allem Ostdeutschland trifft, geraten auch die genehmigten Geschäfte wie der Export von Gasturbinen nach Russland in Gefahr. Installieren die Russen die Maschinen dann auf der Krim, wo Bedarf besteht, nachdem die Ukraine die Stromversorgung der Halbinsel kappte, fällt Siemens unverschuldet in Ungnade.

Auch in anderen Regionen besteht die Gefahr plötzlicher Restriktionen. Obwohl Deutschland Waffen dem wahabitischen Regime liefert (und gleichzeitig die Tagesschau um Spenden für die jemenitische Bevölkerung bittet), kann der bisher ungehinderte Industrieexport nach Saudi-Arabien wie auch nach Ägypten und in die Emirate bei Änderung der außenpolitischen Wetterlage schnell umschlagen.

Erdbeben im Islam
Ist der Iran reif zur Revolution?
Nach dem Atomabkommen mit dem Iran düste Wirtschaftsminister Gabriel zu den Mullahs, um zu erkunden, was wirtschaftlich geht. Wird jede Reise nach China mit dem medialen Zeigefinger begleitet, es müsse in den Gesprächen unbedingt auf die Menschenrechte hingewiesen werden, legte sich um diese Reise des Ministers der virtuelle persische Schweigeteppich. Obwohl der Iran (nach China) die meisten Todesurteile vollstreckt, auch an Minderjährigen und in äußerst menschenverachtender Art und Weise, findet das in Deutschland sowohl politisch als auch medial kaum Beachtung. Nach den Demonstrationen im Iran um den Jahreswechsel hat die deutsche Außenpolitik allerdings die Menschenrechte wieder entdeckt und geht auf Distanz. Glück für Siemens, dass sich dessen Manager noch nicht auf den Weg nach Teheran gemacht hatten.

Die mangelnde Berechenbarkeit deutscher Energie- und Außenpolitik bereitet internationalen Großkonzernen wie Siemens Sorge. Der schwindende Absatz an Gasturbinen schlägt sich natürlich auf die Unternehmensstrategie nieder. Eine deutschnationale Energiewende, die moderner Gaskraftwerke offensichtlich nicht bedarf und eine Außenpolitik, die schwer vorhersagbar ist, sind langfristigen Strategien abträglich.

Dies wirkt sich aus und passt nicht zum überschwänglich gefeierten Wirtschaftsboom. Siemens macht ernst und will in erheblichem Umfang Arbeitsplätze abbauen und Standorte schließen, was sich regional katastrophal auswirken dürfte.

Abschwung Ost

Zum Beispiel in Görlitz, der östlichsten Stadt Deutschlands, wo seit 1910 Dampfturbinen gebaut werden. Zwei Weltkriege und das Experiment Realsozialismus hat der traditionsreiche Betrieb überstanden. Am Experiment Energiewende droht er hinzuscheiden. Noch baut man vor allem Industriedampfturbinen, die auch in Gaskraftwerken und GuD-Anlagen zum Einsatz kommen. 720 hochqualifizierte Mitarbeiter sichern dieses industrielle Standbein der strukturschwachen Region, dem nun der Boden weggezogen werden soll. Die zweite Säule ist der Waggonbaubetrieb von Bombardier, der nicht zuletzt durch die bundespolitisch miserabel gemanagte Verkehrswende ums Überleben kämpft. Die geächtete Braunkohle der Lausitz soll ohnehin möglichst schnell politisch abgeschossen werden. Abschwung Ost sei gut fürs Klima, ist es aber nicht für das politische. 2019 sind Wahlen in Sachsen und Brandenburg, die Landesregierungen werden absehbar die Quittung für die verfehlte Bundespolitik erhalten.

Unterdessen gibt es doch Licht am Horizont für Siemens. So vermeldet das Manager-Magazin aktuell vom Dinner am 25. Januar mit dem US-Präsidenten in Davos:

„Glückwunsch zur Steuerreform“, sagte Kaeser. Angesichts der erfolgreichen Reform habe Siemens entschieden, eine neue Generation von Gasturbinen in den USA zu entwickeln.“

Hauptrolle The Donald
„Top-Manager“ treten in Davos bei Donald Trump zum Rapport an
Die vielgescholtene Politik von Trump, die nicht nur die niedrigste Arbeitslosenquote seit 17 Jahren vorweisen kann, sondern auch sinkende CO2-Emissionen ganz ohne Klimavertrag, ist für große Unternehmen offenbar attraktiv. Er kann bessere Entwicklungsbedingungen bieten als Deutschland, das sich darin sonnt, die moralische Lufthoheit zu besitzen und die CO2-Reduktion zum Götzen macht. Abgesehen von einigen kleineren GuD-Anlagen wird in Deutschland niemand mehr Gaskraftwerke bauen. Die Wirtschaftlichkeit ist nicht gegeben und so etwas wie  Planungssicherheit ohnehin nicht. Die gesicherte Kraftwerksleistung geht weiter zurück, politisch veranlasst. Weiter auf dem Weg des Try-and-Error, voran mit dem „Experiment“ Energiewende (Professor Fratzscher vom DIW).

Wie sagte die Kanzlerin auf dem CDU/CSU-Energiedialog 2017? „Nicht jeder Generation ist es gegeben, solche technischen Umbrüche zu erleben und dabei zu sein, ist schön!“

Dies wird sie nicht mehr lange in ihrer Funktion genießen können. Der Ausgang des Experiments und die Folgen ihres bisherigen „Dabeiseins“ werden sich erst ab Anfang der 20er Jahre zeigen. Dann wird es eng.

Vielleicht werden dann Gaskraftwerke subventioniert. Die Turbinen importieren wir dann von Siemens, made in US.


Frank Hennig ist Diplomingenieur für Kraftwerksanlagen und Energieumwandlung mit langjähriger praktischer Erfahrung. Wie die Energiewende unser Land zu ruinieren droht, erfährt man in seinem Buch Dunkelflaute oder Warum Energie sich nicht wenden lässt. Erhältlich in unserem Shop:www.tichyseinblick.shop