Tichys Einblick
Neun Mitarbeiter für künftige Ex-Kanzlerin

Von wegen Ruhestand: Merkel sorgt dafür, weiter Macht ausüben zu können

Neun Mitarbeiter finanziert der Steuerzahler der künftigen Ex-Kanzlerin Angela Merkel. Ihre angebliche Bescheidenheit war und bleibt Teil ihres Machtkalküls. Die CDU und Deutschland lassen sich das offenbar gerne gefallen.

imago images / Lars Berg

Wer dachte, die Ära Merkel sei demnächst endgültig vorbei, irrt sich. Merkel zieht sich keineswegs in die Uckermarck oder sonstwo hin zurück. Stattdessen baut sie ihre Position als künftige graue Eminenz der deutschen Politik aus. Deutlichstes Indiz dafür: Sie hat sich ein vom Steuerzahler personell üppig ausgestattetes Büro mit neun Mitarbeitern gesichert, wie der Spiegel auf Basis eines Briefes der neuen Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) berichtet. Ihre beiden künftigen Büroleiter erhalten ein saftiges B6-Grundgehalt (10.412 Euro monatlich). Dazu kommen zwei Referenten, zwei Sachbearbeiter, eine Stelle für „Bürosachbearbeitung“ und selbstverständlich zwei Chauffeure. „Für die Ausbringung der neuen Planstellen und Stellen besteht ein unabweisbarer, auf andere Weise nicht zu befriedigender Bedarf“, schreibt Finanzstaatssekretärin Bettina Hagedorn dazu in schönster Bürokraten-Prosa.

Dass Ex-Kanzler ein kleines Büro im Bundestag auf Staatskosten halten dürfen, ist Bundesrepublik-üblich. Zum bequemen Memoiren-Schreiben genügte ein Privatsekretär, aber der Parteienstaat lässt seine Großkopferten eben nicht darben. Bemerkenswert ist Merkels künftiger Stab, weil erst 2019 der Haushaltsausschuss des Bundestags beschlossen hatte, Altkanzlern nur einen Bü­ro­lei­ter, zwei Re­fe­ren­ten, eine Büro- oder Schreib­kraft und einen „Chef­kraft­fah­rer“ zu bezahlen – auf Antrag von Union, SPD und FDP. Für Merkel soll das also nun doch nicht gelten. 

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Das zeigt erstens: Ihre Macht, solcherlei durchzusetzen, ist ungebrochen und zwar über Parteigrenzen hinweg, ebenso wie ihr Wille, weiter in der Politik mitzumischen, also Macht zu behalten. Wer sich ein Büro mit neun Mitarbeitern, teils hochrangigen Beamten, also letztlich einen schlagkräftigen Stab hält, will keineswegs wirklich so bescheiden und politiksatt abtreten, wie das angesichts ihres Verzichts auf eine erneute Kandidatur auf den allerersten Blick erschien. Schein-bescheiden sind auch ihre kokettierenden Antworten auf Fragen nach ihrer persönlichen Zukunft. Sie sei bislang zu beschäftigt gewesen, um darüber nachzudenken. Oder: Sie werde dann erstmal ausschlafen. Wer’s glaubt … Tatsächlich denkt selbstverständlich jeder Politiker über nichts so intensiv und ununterbrochen nach wie über seine persönliche Zukunft. Wer das nicht tut, erlangt niemals Machtpositionen. Nur die wenigsten sind allerdings so ehrlich wie die spektakulär gescheiterte Ministerpräsidentin Heide Simonis mit ihrer Frage: „Und was wird dann aus mir?“ 

Merkels zur Schau gestellte Bescheidenheit in materiellen Fragen ist ein wesentlicher Teil ihrer Herrschaftstaktik. Das dürfte Merkel von ihrem Vorgänger Schröder unterscheiden. Der sagte dem Vorstandschef eines Energieunternehmens einmal (so erzählte dieser dem Autor), sein Ziel sei es, so viel Geld zu verdienen wie dieser. Das schaffte er dann nach seiner Dienstzeit als Putins oberster Gazprom-Lobbyist wohl auch. Ähnliches ist von Merkel nicht zu erwarten. Für sie ist nicht materieller Luxus der Antrieb des Tuns, sondern die Macht selbst.

Ihre relative Bescheidenheit in materiellen Dingen macht Merkel nicht nur freier und weniger angreifbar als Politiker wie Schröder oder auch die französischen Ex-Präsidenten Chirac und Sarkozy. Prunksucht erzürnt Medien und Bürger, während die Zurschaustellung der vermeintlichen eigenen Bescheidenheit auf die Regierten besänftigend wirkt. Merkel beherrscht das mit ihren langweiligen Jacken, ihrem Verzicht auf jeglichen privaten Luxus und nicht zuletzt ihrem in der „Bunten“ veröffentlichten Kartoffelsuppen-Geheimnis. Immer wieder geben sich Medien für diese Kartoffelsuppe her, und die Humboldt-Universität ist sich nicht zu schade, auf ihrer Website das „Lieblingsgericht von Angela Merkel“ als Rezept zu veröffentlichen. 

Screenprint Humboldt-Universität zu Berlin

Ihre Vorliebe für Hausmannskost und langweilige Kleidung belegt scheinbar eine Bodenhaftung, die sie in ihrer Politik tatsächlich längst verloren hat – wenn sie sie denn jemals besaß. Umso wichtiger ist es für Merkel, die als privilegiertes Kind der DDR und dann als Sofort-Spitzenpolitikerin ohne „Ochsentour“ niemals das Leben eines normalen Bürgers führte, sich den Anschein der Bescheidenheit zu geben. Diese zur Schau gestellte Einfachheit ist ein bewährtes Machtinstrument. Napoleon, der stets nur eine Leutnantsuniform trug, während seine Marschälle goldbestickt stolzierten, beherrschte es ebenso wie Mao, über den die Peking-Rundschau berichtete: „die Ärmel seines Morgenmantels wurden erneuert und wieder geflickt“. 

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Und die Geschichte bietet auch genug Beispiele von formal abgetretenen Machthabern, die aus dem Hintergrund auch ohne jeglichen offiziellen Posten weiter die Strippen zogen – in China etwa Deng Xiaoping. Für die wirklichen Meister der Macht ist es womöglich sogar fast angenehmer, nicht mehr unter medialer Dauerbeobachtung zu stehen und keinem Parlament oder sonstigen Gremium verantwortlich zu sein. 

Dass Merkel keineswegs ans Kartoffelsuppe-Kochen, Ausschlafen oder andere Freuden des Ruhestands denkt, legt übrigens auch ihre aktive Deal-Macherei in Telefonaten mit Putin und Lukaschenko nahe, ebenso wie ihr kaum direkt belegbares, aber doch allzu offensichtliches Agieren innerhalb der CDU im Kampf um den Parteivorsitz. Sie hat es jedenfalls schon geschafft, dass innerhalb ihrer Partei, die unter ihrem Vorsitz beziehungsweise ihrer Kanzlerschaft von 38,5 (2002) auf 24,1 Prozent (2021) der Wählerstimmen reduziert wurde, von einer Abrechnung mit ihren Deutschland und ihre Partei schädigenden Fehlern kaum mehr die Rede ist: Um den Parteivorsitz bewerben sich ein Mann, der sie liebt, ein Mann, der sie fürchtet, und einer, der sich immer wieder selbst demütigt, bevor sie es ihm antut: zuletzt durch die Ansage „kein Rechtsruck“.

Merkel hängt weiter zäh an ihrer Macht über Deutschland und über die Partei, denen sie nie so etwas wie Liebe, nicht einmal besondere Verbundenheit bewies. Sie kann es, solange Deutschland und die CDU sich diese Trägheit der Regierten leisten zu können glauben.