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Nicht mal Kamala Harris ist Kernkraftgegnerin

Joe Biden – Was deutsche Klimaökonomen unerwähnt lassen

Deutschlands Klimaökonomen sind begeistert von der Aussicht auf Joe Biden als US-Präsident. Der solle sich nun nach deren CO2-Bepreisungsideen richten. Der Knackpunkt der Bidenschen Energiepolitik liegt allerdings woanders: bei Technologien, die hierzulande tabuisiert werden.

imago images / MediaPunch

Gleich nach seinem Amtsantritt als US-Präsident werde er dafür sorgen, so hat Joe Biden versprochen, dass die USA dem Pariser „Klimaschutzabkommen” wieder beitreten, das sie mit Wirkung zum Wahltag 4. November dieses Jahres verlassen haben. Die „Klimapolitik” ist wohl das Feld, auf dem Biden am radikalsten mit Trump brechen wird. Oder es zumindest versuchen wird, soweit ein weiterhin von den Republikanern dominierter Senat dies zulässt. Dementsprechend positiv sind nicht nur unter deutschen Regierungspolitikern und Klimaaktivisten die Reaktionen auf seinen Wahlsieg. Beglückt zeigen sich nicht zuletzt auch die Vertreter einer Wissenschaftsdisziplin, die in den letzten beiden Jahrzehnten zu den großen Gewinnern der so genannten Klimakrise gehört, oder besser gesagt: die dieser ihre schiere Existenz verdankt.

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Am IfW Kiel zum Beispiel gibt es dank „Klimakrise” einen Forschungsbereich für „Global Commons und Klimapolitik“. Dessen langjährige Leiterin Sonja Petersen (mittlerweile Forschungsdirektorin des IfW) erinnert daran, dass Biden „ein Pionier der Klimaschutzgesetzgebung“ sei, der eine solche schon 1987 als Senator in seinem kleinen Heimatstaat Delaware (auch bekannt für seine Rolle als inneramerikanisches Paradies steuerflüchtiger Briefkastenfirmen) unterstützt habe. Sie erwartet von Biden „angemessene und ambitionierte Schritte in der Klimapolitik“, also in ihren Augen natürlich solche, die „vergleichbar mit denen im „Green Deal“ der EU“ sind. Die Emissionsreduktionsziele Bidens sind tatsächlich vergleichbar: Bis spätestens 2050 sollen die USA „treibhausgasneutral” werden, der Stromsektor soll bereits 2035 CO2-frei sein. Für Forschung, Entwicklung und Innovationen in „saubere Energie“ hat Biden in seinem Wahlprogramm versprochen, in den nächsten 10 Jahren 1,7 Billionen US-Dollar Bundesmittel bereitzustellen. „Alle Infrastrukturinvestitionen im Transport, Gebäude- und Stromsektor sollen mit Rücksicht auf Emissionsreduzierung und Resilienz gegen den Klimawandel getätigt werden“, fasst Petersen zusammen.

Aber fehlt da vielleicht noch was in der Zusammenfassung? Und was versteht Biden unter „sauberer Energie“. Dazu gleich mehr.

„Wünschenswert wäre“, sagt Petersen, dass Biden bei der Umsetzung der Ziele „auch auf zentral von prominenten US-Ökonominnen und Ökonomen nachdrücklich geforderte Bepreisung von Treibhausgasen setzt.“ Ein Preismechanismus für CO2 in den USA könnte, so Peterson, „dem Instrument weltweit neuen Schwung verleihen und würde auch verhindern, dass die EU im Zuge des geplanten Grenzausgleichs Importe aus den USA mit einem CO2-Preis versehen müsste.“

Da ist sich Peterson mit dem Doyen der „Klimaökonomik” einig. Ottmar Edenhofer nämlich, der frisch mit dem „Deutschen Umweltpreis“ gekrönte Direktor und Chefökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) sagte im Spiegel-Interview: „Wir haben jetzt die Chance, die Stabilisierung des Klimas zu erreichen, indem wir die CO2-Preissysteme in den USA, Europa und China verknüpfen.“ Und Europa, so Edenhofer, „müsste Vorschläge für ein System von CO₂-Preisen machen, das andere Weltregionen einbezieht. Beispielsweise könnte ein Teil der Einnahmen aus dem Emissionshandel dazu verwendet werden, Länder in Afrika, Asien oder Lateinamerika zum Ausstieg aus der Kohle zu bewegen.“

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Edenhofer, einer der Vordenker der CO₂-Bepreisung und in so gut wie jedem Gremium vertreten, das sich damit beschäftigt, neigt erfreulicherweise im Gegensatz zu seinem früheren Kollegen als PIK-Direktor, dem Physiker Hans Joachim Schellnhuber, nicht zu klimapolitischen (Un-)Heilsbotschaften und Erweckungspredigten. Nüchtern weist er darauf hin: „Trumps Regierungszeit war für den Klimaschutz kein Fortschritt, es war aber auch kein Desaster. Die CO₂-Emissionen sind sogar gesunken, weil viele Kohlekraftwerke in den USA schlicht wegen der niedrigen Gaspreise vom Netz gegangen sind.“ Und was sich Edenhofer von Biden in der Umweltpolitik wünscht, das möchte man sich auch auf anderen Politikfeldern und nicht nur für die USA, sondern auch für Deutschland wünschen, nämlich ein Zugehen der Regierenden auf ihre Opponenten. „Biden müsste ein Narrativ entwickeln, das seine grüne Agenda auch für die andere Seite des politischen Spektrums attraktiv macht.“

Den eigentlichen Knackpunkt der zu erwartenden Bidenschen „Klimaschutz”-, also eigentlich Energiepolitik ließen allerdings beide, Peterson und Edenhofer unerwähnt. Und an diesen werden vermutlich auch die regierenden deutschen Politiker und all jene deutschen Bewunderer von Kamala Harris nicht gerne erinnert: Auch unter Biden und Harris bleiben die USA im Gegensatz zu Merkels Deutschland im Besitz einer energiewirtschaftlichen Rückversicherung, die den Rückbau der fossilen Quellen kompensieren kann: In Bidens „Plan for a new Energy Revolution and Environmental Justice“ spielen nämlich zwei Energiequellen eine Hauptrolle, die in Deutschland als Teufelswerk gelten. Einerseits die CCS-Technologie, also die Abspaltung von Kohlenstoff aus der Luft und dessen Speicherung im Boden: „capturing carbon dioxide from power plant exhausts followed by sequestering it deep underground or using it make alternative products“ steht da in Bidens Plan als eine der angestrebten technologischen Lösungen, während die Bundesregierung solche Ideen längst verdammt hat. Und andererseits, noch viel brisanter für deutsche „Klimapolitiker”, die Kernenergie. Nicht nur will Biden die existierenden Reaktoren weiter laufen lassen. Er will neue, kleinere und kosteneffizientere entwickeln und bauen lassen: „small modular nuclear reactors at half the construction cost of today’s reactors“.

Die Kernenergie ist für Biden kein Auslaufmodell. Die Zukunft der Kernkraft aufzuzeigen („Identity the future of nuclear energy“) steht da als eine der zentralen Aufgaben. Es gehe darum, auf alle Technologien zu schauen, die wenig oder gar kein CO2 freisetzen.

Ja, wenn sich das einmal in Berlin herumspricht, dass Biden ein Anhänger der Kernenergie ist!

Und nicht einmal die mögliche künftige Vizepräsidentin Kamala Harris, Liebling aller Social Justice Warriors auf beiden Seiten des Atlantiks, die kennenzulernen sich Angela Merkel nach eigenem Bekunden freut, ist auf klarem Antiatomkraftkurs. Den hatte nur der zweifach gescheiterte Kandidat Bernie Sanders verfolgt. Harris dagegen hat sich zu einem klaren Jein zur Kernenergie entschieden. In einer CNN-Debatte im Herbst 2019 nach ihrer Position zur Kernenergie gefragt, rettete sie sich aus der Affäre, indem sie sagte, dass sie nicht zulassen werde, dass die Regierung in Washington den Bundesstaaten aufzwinge, wo Atommüll deponiert werden soll. Mehr war aus ihr nicht herauszubringen. Beim Kennenlernen mit Merkel wird man sich also für den Smalltalk wohl ein anderes Thema suchen müssen.

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