Tichys Einblick
Deutschland im Energiedilemma

Wir brauchen eine sofortige Wende von der Energiewende – Baerbock fürchtet „Volksaufstände“

Der Ausstieg aus der Kernenergie begann mit der Schließung der Kernforschungszentren. Ausgerechnet in dem Land, in dem Otto Hahn entdeckte, dass sich Atomkerne spalten lassen und dabei ungeheure Energiemengen frei werden. Jetzt verzichtet Deutschland auf eine der stärksten Kräfte des Universums – freiwillig.

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Langsam sickert auch bei Grünen die Wahrheit in die Gehirne: Außenministerin Annalena Baerbock fürchtet „Volksaufstände“, wenn die Gasknappheit ihre Wirkung entfaltet. Es ist eine selbstverschuldete Situation.

In der Zwickmühle steckt, wer bei jedem Zug nur noch verlieren kann. Deutschlands Energieversorgung ist allerdings kein harmloses Brettspiel, sondern bitterer Ernst. Es geht um die Existenz der Wirtschaft und des Wohlstandes eines großen Landes, das noch zu den führenden Industrienationen der Welt gehörte.

Jeder weiß: Energie muss billig und jederzeit verfügbar sein, sonst war‘s das mit der Industrie. Den Beweis liefert gerade derzeit ihre Verknappung. Reihenweise geraten Unternehmen in Schwierigkeiten und müssen teilweise schließen – darunter auch die jahrhundertealte Glashütte im sächsischen Freital, die Napoleons Raubzüge überstanden hat, zwei Weltkriege, eine Wirtschaftskrise – aber jene Krise, die die Energiepolitik bedeutet, bringt sie an den Rand ihrer Existenz.

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Der russische Angriffskrieg in der Ukraine legt offen: Die sogenannte »Energiewende« zertrümmert ein Industrieland. Es ist nicht mehr damit getan, die letzten drei Kernkraftwerke weiterlaufen zu lassen. Das wäre zwar richtig, hilft aber allein nicht weiter. Zu viele Energieproduktionsmöglichkeiten wurden bereits zerstört. Nahezu die Hälfte der Produktionskapazitäten sind abgeschaltet. Dass dennoch häufig genug Strom vorhanden ist, zeugt von großer Resilienz des von Altvorderen aufgebauten Stromsystems. Das, was jeder einigermaßen Fachkundige weiß: Ein Land lässt sich nicht mit dem versorgen, was Sonne und Wind an Energie liefern. Ein einfacher Blick auf die »Charts« zeigt dies. Ohne Kohle- und Kernkraft wäre es schon längst dunkel geworden.

Die fatale Lage lässt sich nur im Rückblick in ihrer Dimension ermessen. Denn es waren gründliche Kräfte am Werk. »Atomkraft Nein Danke« begann schon in den 1970er Jahren. Den »Ausstieg« nahmen dann SPD und Grüne in der ersten rot-grünen Bundesregierung in Angriff, er wurde 2000 beschlossen und unter der Regierung Merkel fortgesetzt. Die Kernkraft sollte mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden; schon vor Jahren begann der Ausstieg mit der Schließung der Kernforschungszentren. Dies ausgerechnet in dem Land, in dem ein Otto Hahn entdeckte, dass sich Atomkerne spalten lassen und dabei ungeheure Energiemengen frei werden. Jetzt verzichtet das Land auf eine der stärksten Kräfte des Universums – freiwillig. Davon gibt es nur vier.

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Jetzt ist geschafft, was die Grünen in Verbindung mit der SPD mit jenem unseligen Atomausstieg vor der Jahrtausendwende bereits begonnen haben und die ehemalige Bundeskanzlerin Merkel vollendete: der Ausstieg aus einer gesicherten Energieversorgung. Von 17 Kernkraftwerken, die einmal ein Drittel der Energieversorgung sicherten, sollen die letzten drei Ende des Jahres abgeschaltet werden. Alle anderen wurden unter Beifall abgeschaltet, bei einem wurde der Kühlturm von Ministerpräsident Kretschmann in Baden-Württemberg in die Luft gesprengt, um keine halben Sachen zu machen und ein vollständiges Werk der Zerstörung zu hinterlassen.

Immer mit dabei: Merkel. Sie hatte als Umweltministerin angefangen und sah den mächtigen Hebel einer »Umweltpolitik«, mit der man ein Industrieland abwürgen kann. Sehenden Auges und bewusst hat sie den Kraftwerks-Kahlschlag befördert. Niemand muss sich wundern: Mit einer solchen Politik wurde ein Land vollkommen erpressbar gemacht. Galt früher die Regel, sich nicht mehr als zu einem Viertel von bestimmten Energielieferungen abhängig zu machen, so ist Deutschland nur noch von Gas abhängig. Auf dieser Basis die »Gusche« über Gebühr weit aufzureißen, wie dies grünes »Spitzenpersonal« tut, zeugt nur noch von Entrücktheit.

Dies ist nicht von heute auf morgen wieder zu reparieren. Über 100 Jahre dauerte es, bis ein funktionierendes Stromsystem mit Kraftwerken in der Nähe der Industriestandorte und einem Leitungsnetz aufgebaut wurde, das eine hohe Ausfallsicherheit garantierte und zudem preisgünstig Strom lieferte. Um dieses System beneidete uns die Welt. Jetzt lacht sie über Deutschland, das sein herausragend funktionierendes System freiwillig geschrottet hat.

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Wie kritisch die Situation wird, wird auch regierenden Politikern langsam bewusst. Ihnen scheint zugleich klar zu werden, dass dies möglicherweise nicht friedlich ausgehen kann. Es zeigt sich daran, dass der Verfassungsschutz vor inneren Unruhen warnt – freilich nicht ohne zu betonen, dass rechtsradikal sei, wer auf die Straße geht, weil er keinen Strom, kein Gas und nichts mehr zu essen hat. Die Vorgänge in Sri Lanka dienen als warnendes Beispiel. Das einzige, was das derzeitige grüne Spitzenpersonal zu bieten hat, ist der verzweifelte Ruf aus dem Kindergarten: Solidarität. Dieser im Bereich internationaler Politik untaugliche Begriff muss fehlende Kenntnis über grundlegende Zusammenhänge einer Energieversorgung ersetzen.

Wenn Merz und die grüne Parteichefin über Energiefragen in irgendeiner TV-Talkshow diskutieren, zeigt sich das wahre Problem Deutschlands: Sie haben dieselbe Ahnung von Energie und Naturgesetzen wie die Kuh von der Botanik der Pflanzen, die sie frisst. Weder in TV-Talks noch in den diversen Ausstiegs-Kommissionen saßen Fachleute, für die Kirchhoffsche Gesetze nichts Unanständiges sind und die etwas von Energie verstehen.

Zu fordern ist jetzt eine sofortige Wende von der Energiewende. Unsinn sind jene Sprüche, dass nur 100.000 Windräder notwendig seien, damit die Energiewende gelinge. Auch die lieferten jetzt keinen Strom, wenn kein Wind weht. Dies klingt wie Sozialismus, der nur nie richtig ausgeführt wurde.

Wieder in Gang gesetzt werden muss die Forschung im kerntechnischen Bereich. Allein die Entwicklung einer der zukunftsträchtigen Reaktortechnologien wie des Dual Fluid Reaktors, den wir hier mehrfach beschrieben haben, zeigt, dass noch nicht aller Hopfen und Malz verloren ist. Aufhören müssen die Millionenzuflüsse an Steuergeld für NGOs, sogenannte »Thinktanks« und Umweltinstitute. Sie schwemmen den öffentlichen Raum mit Phrasen wie »Phase-in«-Ländern, »Hochlauf« und »Ausstiegsstrategien« zu. Je dümmer die Gedanken, desto häufiger die Begriffe »intelligente Energien«. Kohlekraftwerke müssen wieder in Gang gebracht werden. Sie sind mit Hilfe von aufwendigen Filtern sauber gemacht worden und liefern kostengünstig Strom und Wärme.

Jeder weiß: Masselose Energie lässt sich nicht in Form von Elektrizität speichern, jedenfalls nicht in den Mengen, in denen sie benötigt wird. Energiespeicher sind jene Kohlenwasserstoffe wie Öl oder Gas. Die Kohleberge vor den Kraftwerken – das sind die wahren Energiespeicher. Sind die verschwunden und die Kessel erkaltet, ist es vorbei.

Und diese Situation, wenn Putin mit Deutschland böse wird oder auch bloß eine Turbine fehlt. So erklärte Baerbock dem RND über die Lieferung der Turbine aus Kanada  für Nordstream 1: „Die Kanadier haben gesagt, ,wir haben viele Fragen‘, da haben wir gesagt, ,das können wir verstehen, aber wenn wir die Gasturbine nicht bekommen, dann bekommen wir kein Gas mehr, und dann können wir überhaupt keine Unterstützung für die Ukraine mehr leisten, weil wir dann mit Volksaufständen beschäftigt sind“, sagte die Außenministerin wörtlich.

Anschaulicher kann man die verzweifelte Lage nicht schildern, in die Deutschland durch die Energiewende gebracht wurde.