Tichys Einblick
Neuer Geschäftszweig für NGOs?

Urteil in Den Haag gegen Shell: Verstoß gegen „globale Klimaziele“

Ein niederländisches Gericht hat den Ölkonzern Royal Dutch Shell dazu verurteilt, seine CO2-Emissionen drastisch zu senken. Bisher wurden stets Staaten angeklagt, gegen Klimaziele zu verstoßen, jetzt auch Unternehmen. "Klimaklagen" werden so zum neuen Geschäftsmodell für NGOs.

Donald Pols (links) von "Milieudefensie" freut sich mit Anwalt Roger Cox über das Urteil gegen Royal Dutch Shell.

IMAGO / ANP

Ein niederländisches Bezirksgericht in Den Haag hat den Ölkonzern Royal Dutch Shell dazu verurteilt, seine CO2-Emissionen bis 2030 um 45 Prozent zu senken. Sieben Umwelt-NGOs und rund 17.000 Niederländer hatten geklagt, Shell sei für die Folgen der Treibhausgase und des Klimawandels mitverantwortlich, weil es Kraft- und Heizstoffe fördert und verkauft.

Shell will in Berufung gehen. Denn wenn das Urteil Bestand hat, bedeutet es für Royal Dutch Shell nicht weniger als: keine Suche nach neuen Öl- und Gasfeldern mehr und nahezu die Hälfte weniger Benzin, Diesel oder Erdgas verkaufen. Denn das wäre notwendig, um den Ausstoß an CO2 so weit zu verringern, wie das niederländische Bezirksgericht im Haag es in seinem Urteil von Mittwoch verlangt. Der Zweck: das Klima zu schützen. Die Folge für Verbraucher: in Europa würde Energie nochmals deutlich teurer. Es ist ein Urteil mit Sprengkraft.

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Unter den Klägern war neben der niederländischen Organisation Milieudefensie auch Greenpeace. Der Umweltkonzern hatte 1995 im Verlaufe der Brent Spar-Affäre behauptete, Shell wolle eine ausgediente Ölplattform mit 11.000 Tonnen Öl in der Nordsee verrotten lassen und würde damit »unsere Umwelt vergiften«. Greenpeace haute auf die übliche Propagandapauke, besetzte begleitet von TV-Sendern die Ölplattform, was viel Aufmerksamkeit, mehr Spenden und schließlich ein erhebliches Glaubwürdigkeitsproblem ein brachte. Denn nichts stimmte an den Vorwürfen, die tatsächlichen Ölrückstände entsprachen nur einem winzigen Bruchteil der Behauptungen, Greenpeace musste sich schließlich entschuldigen.

Für Shell bedeutet das Urteil des Bezirksgerichtes, dass das Unternehmen die CO2-Emissionen stärker senken soll als geplant. Bis zum Jahr 2030 sollen um 45 Prozent weniger CO2 ausgestoßen werden. Nicht nur seine eigenen, sondern auch die der Kunden, sprich der Autofahrer und Hausbesitzer.

Dementsprechend müsste Shell seine Produktion drastisch drosseln und weniger Benzin, Diesel und Gas verkaufen. Das Argument Shells, andere Unternehmen würden in die Lücke springen und entsprechend mehr verkaufen, wiesen die Richter zurück. Die Konkurrenten hätten ebenfalls eine Verantwortung.

Neu am Urteil ist dessen Tenor, dass Shell gegen »globale Klimaziele« verstoße, was auch immer das ist. Bisher wurden Staaten dafür angegriffen, jetzt auch Unternehmen.

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Shell dagegen betonte, dass es sich zum Klimaschutz verpflichtet habe und wies die Forderungen zurück. Man investiere in Wasserstoff, verkündet Shell devot, doch investiert 95 Prozent in Öl und Gas. Es half dem Konzern auch nichts, dass er betont, sich zum Klimaschutz verpflichtet zu haben, und ein »Klimaversprechen« abgegeben hat, Milliarden in Elektromobilität und Wasserstoff zu stecken.

Appeasement hat noch nie funktioniert. Die Internationale Energieagentur hatte sogar vor kurzem einen Investitionsstopp gefordert, es sollten keine neuen Öl- und Gasprojekte mehr begonnen werden, um den Anstieg der »Erdtemperatur« auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.

Deutlich wird, dass eine neue Form der Klagen vor Gericht ein lukrativer Geschäftszweig ist: »Klimaklagen«. In den USA soll es bereits mehr als 1.600 dieser Klagen geben. Für die Stakeholder von Fridays for Future oder Extinction Rebellion können sich die Investments also durchaus lohnen. Die Begleitpropaganda verschaffte die notwendige öffentliche Aufmerksamkeit. »Klimajurist« sei ein Beruf mit Wachstumschancen stellt auch die Neue Zürcher Zeitung fest.

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Immer mehr Anwälte haben ebenso wie NGOs das Umweltrecht als äußerst lukratives Geschäftsfeld entdeckt. Die Klage gegen Shell hat Anwalt Roger Cox (im Titel-Bild rechts) geführt, hinter dem die niederländische Umwelt-NGO Milieudefensie und rund 17.000 Holländer stehen. Die spendeten eine halbe Million Euro für die Prozesskosten. Hinter Milieudefensie wiederum steht die internationale NGO Friends of the Earth. Cox hat sich gegen mögliche Regressforderungen abgesichert. Er betont in einem Gespräch mit der SZ: »Wenn die Wissenschaft richtig liegt, geht es um die größte Bedrohung der Menschheit.« Darunter tut er‘s nicht.

Viele Umwelt-NGOs sind finanzstark – oft auch dank großzügiger Unterstützung durch Firmenerben und Stiftungen. Die European Climate Foundation mit Sitz in Den Haag konnte zum Beispiel 2019 mehr als 36 Millionen Euro für Projekte in die Waagschale werfen. Zu den Geldgebern zählen unter anderem die Ikea-Stiftung, die Hewlett-Stiftung und die deutsche Mercator-Stiftung.

Die Tragweite dieser geballten Macht kommt erst jetzt langsam zum Vorschein. Der Boden wurde durch entsprechende Umweltgesetzgebung schon vor Jahren bereitet, seitdem ziehen professionelle Anwaltskollektive von Gerichtssaal zu Gerichtssaal und fahren fette Beute ein – auf Kosten der Verbraucher.

Germanwatch gegen RWE

Noch nicht beendet ist übrigens ein Prozess, den seit 2016 die NGO »Germanwatch« gegen RWE führt. Die hat sich einen peruanischen Bauern gesucht, um ihn im Sinne der »Klimagerechtigkeit« als Ankläger vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf zu vertreten. Dem Kleinbauern drohe, so die Argumentation, eine Katastrophe, für die RWE verantwortlich sein soll. Demnächst will das Gericht einen Südamerika-Trip unternehmen, um sich die Verhältnisse vor Ort anzuschauen und juristisch zu würdigen.

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