Tichys Einblick
Wolfgang Schäuble hat's vorgesagt

Wie der EU-Pakt für Migration und Asyl in Szene gesetzt wird

UNO, EU und Berlin führen ein trickreiches Spiel über Bande auf - an Bürgern und nationalen Parlamenten vorbei. Die Befragung der Bürger wird versteckt. Denn: 749 Teilnehmern, die sich zu einem neuen Migrationspakt ablehnend äußerten, stehen ganze 42 zustimmende Antworten gegenüber.

Wolfgang Schäuble

imago images / photothek

Die EU-Kommission tut genau das, was Wolfgang Schäuble (CDU), eigentlich Deutschlands oberster Parlamentarier und Hüter des Volkssouveräns, empfahl: Schäuble sieht in der Corona-Krise eine große Chance für „Reformen“ in Europa, weil der Widerstand gegen Veränderungen in dieser Krise geringer werde. „Wir können die Wirtschafts- und Finanzunion, die wir politisch bisher nicht zustande gebracht haben, jetzt hinbekommen“, erklärte er.

Schäuble verschwieg dabei, dass Brüssel seit geraumer Zeit an einer Reform des Dublin-Systems arbeitet. Hier geht es der EU um schnellere Asylverfahren, verpflichtende Solidarität und flexible Beiträge. Unter anderem sollen die Mitgliedstaaten abhängig von ihrer Größe und Wirtschaftskraft eine Mindestzahl von Migranten übernehmen müssen. Zugleich schlägt die Kommission neue Wege der legalen Migration über sogenannte „Talent-Partnerschaften“ mit Drittstaaten vor.

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EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte dazu am 23. September 2020 einen „neuen Pakt für Migration und Asyl“ vorgestellt. Darin übernimmt die EU-Kommission vorbehaltlos den „Globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“ der UNO, der ja angeblich nur ein unverbindliches Dokument von symbolischem Wert ist, wie es bei seiner Annahme in Deutschland hieß. Und die EU übernimmt indirekt eine Entschließung des Europäischen Parlaments über „Die Grundrechte von Menschen afrikanischer Abstammung“; die Entschließung mit noch mehr Rechten zur Zuwanderung in die EU war klammheimlich gerade noch kurz vor der Wahl zum EU-Parlament vom Mai 2019 durchgezogen worden.

Also wieder mal ein Spiel über Bande zwischen UNO, EU-Parlament, EU-Kommission und Berlin! An der Bevölkerung und an den nationalen Parlamenten vorbei! Das Trickreiche war diesmal die Pseudo-Einbindung der Bevölkerung und ihrer zivilrechtlichen Organisationen. Damit sollte das Ganze einen pseudo-öffentlichen und pseudo-demokratischen Anstrich bekommen. Großzügig hatte man die entsprechende „Roadmap“ vom 30. Juli bis 27. August 2020 pseudo-öffentlich, also schön versteckt, zugänglich gemacht. Mitten in der Sommerpause! 

Nun, nachdem der „Pakt“ bereits in Fahrt gekommen war, ist auch offenkundig geworden, wie die quasi-öffentliche Beteiligung konkret aussah und welches Ergebnis sie hatte. Man kann es dem EU-„Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen SWD (2020) 207 final” entnehmen. Auf Seite 27 und 28 findet sich dort wunderbar versteckt die Auswertung der Bürgerbefragung. 

In Brüssel tut man so, als sei die Bürgerbeteiligung zum ganz überwiegenden Teil neutral ausgefallen, gefolgt von negativen, positiven und gemischten Antworten. Die entsprechende Fußnote liefert indes ein anderes Bild der Bürgerbefragung. Da das Dokument bezeichnenderweise nur in englischer Sprache vorliegt, hier die Originalpassage: „It generated in total 1829 replies from 1753 unique respondents. Out of these 1753 unique respondents, 1657 were citizens, fifty were organisations, six were public administrations and forty fell under the ‘other’ category. The vast majority of respondents came from Germany followed by Estonia, Austria, Hungary, Sweden, Belgium, the Netherlands, France, Italy and the United Kingdom.”

Wenn ganze 1.753 Bürger bzw. Organisationen aus einer EU-Gesamt-Bevölkerung von 441 Millionen überhaupt aktiv wahrnehmen, was sich in Brüssel abspielt, hat man in Brüssel natürlich leichtes Spiel. Hier die konkreten Zahlen der Beteiligung: „Germany (1205 EU citizens, 9 non-EU citizens, 3 NGOs, 2 academic research institutes, 2 companies, 27 other respondents), Estonia (165 EU citizens), Austria (101 EU citizens), Hungary (50 EU citizens), Sweden (35 EU citizens), Belgium (23 NGOs, 2 other respondents), the Netherlands (14 EU citizens, 4 NGOs), France (13 EU citizens, 1 academic research institute, 1 other respondent), Italy (13 EU citizens, 1 NGO) and the United Kingdom (5 EU citizens, 5 NGOs).” Hier nachzulesen.

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Man könnte auch herauslesen: Mehr als 70 Prozent der Antworten und Beteiligungen stammen aus Deutschland. Aus den großen EU-Ländern kam ganz wenig: Frankreich, Italien und Großbritannien steuerten 2,2 Prozent der Antworten bei, aus den anderen großen EU-Ländern Spanien und Polen kam gar nichts. Das könnte zweierlei heißen. Erstens: Der Bevölkerung dieser Länder ist die EU völlig schnurzegal. Zweitens: Die Bevölkerung dieser Länder nimmt an, dass die Deutschen schon für den Pakt geradestehen werden. 

Und weiter: 898 Antworten fielen „neutral“ aus, also nichtssagend, 749 waren negativ, 42 positiv und 41 antworteten gemischt. Den 749 Teilnehmern, die sich zu einem neuen Migrationspakt ablehnend äußerten, stehen ganze 42 zustimmende Antworten gegenüber! Und dennoch tut die EU-Kommission so, als wären die Bürger der EU mit einem neuen Migrationspakt einverstanden. Und weil alles wie schon beim DDR-Diktator Walter Ulbricht „nur nach Demokratie aussehen muss“, man aber sonst macht, was man will, hat die Bundesregierung im Bundeshaushalt schon mal aus Steuergeldern eine „Asylrücklage“ von 48,2 Milliarden Euro angelegt.

So also wird der EU-„Bürger“ und im besonderen der deutsche Steuerzahler hinter’s Licht geführt. Und Berlin, hier an vorderster Stelle der Bundestagspräsident, geben die Tipps dazu. Aber möglicherweise treibt Wolfgang Schäuble dabei nur die Sorge um, die Deutschen könnten ohne Zuwanderung „in Inzucht degenerieren“. Was hier tatsächlich degeneriert, ist wohl eher der freiheitliche, parlamentarische, demokratische Rechtsstaat.

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