Tichys Einblick
Kein Feiertag

Nationalfeiertag – und das in einem moralinsauren Land?

Der 3.Oktober willkürlich festgesetzt ohne historischen Hintergrund. Dabei wäre der 17. Juni über die Wiedervereinigung hinaus der passendere Termin gewesen. Denn mit ihm wären Ost- wie Westdeutsche gleichermaßen einbezogen gewesen.

So unbekümmert ging es mal.

© Matthias Kern/Getty Images

Als was dürfen die Deutschen sich am 3. Oktober eigentlich feiern? Als Land der Dichter und Denker? Als moralische Weltmacht? Als Tätervolk? Als Leitkultur? Als Volk? Als Nation? Nein, diesmal ist Feiern unter einem ganz schlichten Alles- und Nix-Motto angesagt: „Zusammen sind wir Deutschland“. Wer aber ist „wir“? Gehören dazu Parallelgesellschaften? Gehören dazu all die Nationalallergiker und Nationalhysteriker, die – hier typisch und krass deutsch – voller Sündenstolz gar keine Deutschen sein wollen? Die in ihremIinternationalistischem nur noch „one world“ und im Zwischenschritt nur noch „Europa“ oder „EU“ sein wollen? Gehören zum „wir“ – so eine große Staatsphilosophin – „alle, die hier leben“ oder gewaltig präziser „alle, die schon länger hier leben“ plus „alle, die neu hinzugekommen sind“?

Oben gegen unten
Mein Land, dein Land – Deutschland?
Im Land der endlosen Vergangenheitsbewältigung darf schon mal daran erinnert werden, was man am 3. Oktober denn feiert. Eigentlich doch das Ergebnis einer friedlichen Revolution in der DDR. Unter dem Ruf “Wir sind das Volk“ und später „Wir sind ein Volk“ hatte man östlich der Elbe das sozialistische Joch abgeschüttelt. Vielleicht etwas zu friedlich? Diese Menschen skandierten aber nicht „Wir sind die, die schon lange hier leben, ergänzt um eine paar Millionen, die hier gerne leben möchten.“

Nun also der 3.Oktober: willkürlich festgesetzt ohne historischen Hintergrund. Dabei wäre doch der 17. Juni auch über die Wiedervereinigung hinaus der passendere Termin gewesen. Denn mit diesem Tag wären Ost- wie Westdeutsche gleichermaßen einbezogen gewesen. Die Ostdeutschen mit dem Arbeiteraufstand von 1953; die Westdeutschen, weil sie sich an diesem Tag von 1954 bis 1990 an ein Gebot des damals geltenden Grundgesetzes erinnern lassen mussten: nämlich den Text des seit dem 23. Mai 1949 geltenden Grundgesetzes, das da in der Präambel lautete: „… vom Willen beseelt, seine nationale und staatliche Einheit zu wahren … hat das deutsche Volk … dieses Grundgesetz … beschlossen.“

3. Oktober
Wir müssen über den Westen reden
Von diesem Auftrag wollten viele Wessis schon vor der Wiedervereinigung nichts mehr wissen. Selbst ein Heiner Geißler (CDU) nicht, der meinte, die Präambel des Grundgesetzes sei überholt. Im Herbst 1989 hatte er sich noch dafür stark gemacht, die Forderung nach der Wiedervereinigung aus dem Programm der CDU zu streichen und stattdessen die Nachkriegsgrenzen und die DDR anzuerkennen. Getoppt wurde er freilich vor allem von roten und grünen Nationalallergikern. Man sollte daran erinnern, was sie vom Stapel gelassen haben. Willy Brandt am 14. September 1988: Die Wiedervereinigung sei eine „Lebenslüge der zweiten deutschen Republik.“ SPD-Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine wollte die DDR-Bürger noch im Herbst 1989 dazu zwingen, in der DDR zu bleiben. Gerhard Schröder ließ qua Hannoversche Allgemeine am 27. September 1989 wissen, dass er eine auf Wiedervereinigung gerichtete Politik für „reaktionär und hochgradig gefährlich“ halte. Ein zurecht in Vergessenheit geratener vormalige Berliner Regierender Bürgermeister Walter Momper meinte in der taz vom 6. Oktober 1989, dass es eine „Chance für Europa ist, wenn es zwei deutsche Staaten gibt.“ „Grüne“ wollten da nicht zurückstehen. Sie toppten die Diktion der SPDisten noch. Im Neuen Deutschland vom 12. Oktober 1991 (!) fand eine Jutta Ditfurth ganz „Deutschland zum Kotzen.“ Und dieselbe, gealtert zwar, aber nicht geläutert, sondern noch mehr verbiestert, jammert jetzt aktuell, dass man Dresden nicht mehr hätte aufbauen sollen. „Bomber Harris, do it again“ – das haben ja so manche Linksautonome regelmäßig auf Transparenten oder auf nackten Brüsten stehen.

Haben und Sagen
Ossis: Nicht integrierbar in die rot-grüne Republik
Selbst mehr als 25 Jahre nach der Wiedervereinigung sind es Leute dieses Strickmusters, die bei Anti-AfD-Demos hinter Transparenten mit Aufschriften wie folgenden hinterherlaufen: „Deutschland, du mieses Stück Scheiße“ und „Deutschland verrecke!“ So in Hannover Ende November 2015 ohne jede Distanzierung die Vizepräsidentin (!) des deutschen Bundestages Claudia Roth! Oder eine 24-jährige LINKE-Kandidatin aus Hamburg, die im Bundestagswahlkampf zum besten gab, dass sie am liebsten Filme möge, „wo Deutsche sterben“. Die Liste ließe sich schier endlos fortsetzen.

Ja, und dann kam der 3.Oktober 2010: Ein Bundespräsident Christian Wulff meinte sich verewigen zu müssen mit einer Festrede und dem Satz, der Islam gehöre zu Deutschland. Die Steilvorlage dazu hatten ihm – und einer Angela Merkel, die den Wulffschen Satz x-mal wiederholte – schon Jahre zuvor diverse Moscheevereine geliefert. Hatten sie doch im Jahr 1997 – also vor bereits zwanzig Jahren – den 3. Oktober (!) zum „Tag der offenen Moschee“ erklärt.

Funktionärsprodukt
Jamaika ist kein Projekt
Warum nur sind Teile dieses Landes so vom eigenen Verschwinden besessen und regelrecht autoaggressiv? Jetzt an diesem Dienstag wieder bei den Feierlichkeiten in Mainz: Da werden durchaus gut gelaunte 500.000 Bürger erwartet, aber ein Bündnis aus Attac, dem „Multikulturellen Zentrum Trier“ und anderen will eine Demo inszenieren unter dem Thema „Diesem Deutschland keine Feier!“ – „antifaschistisch, antinational, antikapitalistisch“, wie es heißt.

Franzosen mit ihrem 14. Juli und US-Amerikaner mit ihrem 4. Juli können da nur mitleidig lächeln. Dort wird mit großem Pomp, auch militärischem, gefeiert. Vielleicht mögen diese beiden Nationen die Deutschen auch deshalb nicht so richtig inniglich, weil sich die Deutschen selbst nicht mögen. Denn wer mag schon jemanden, der sich selbst nicht ausstehen kann? Für Franzosen und Amerikaner gilt nämlich – ob sie ihn kennen oder nicht – Max Webers wunderbarer Satz: „Allein die Nation kann die innere Bereitschaft der Menschen wecken, sich solidarisch und selbstlos für das Gemeinwesen einzusetzen.“ Warum kann man nicht auch bei uns wenigstens darüber reden. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat bei seiner Festrede am heutigen 3. Oktober in Mainz „Argumente statt Empörung“ gefordert. Empörung hat er schon geliefert, Argumente noch nicht.