Tichys Einblick
Und wie der Minister die Zahl 86 verrechnete

Auch in Saarbrücken läuft eine Schule mit 86 Prozent „ndHs“ aus dem Ruder

Im Raumschiff namens Kanzleramt wird ein solcher Bericht nicht oder allenfalls als Fußnote von angeblich larmoyanten Lehrern zur Kenntnis genommen.

Die Saarbrücker Zeitung schreibt am 13.12.2017, "der Fall weckt Erinnerungen an die Berliner Rütli-Schule". Das Bild zeigt die Rütli-Schule in Berlin-Neukölln.

© Sean Gallup/Getty Images

Vor wenigen Wochen, am 6. November, haben wir hier bei TE von den Erfahrungen der Leiterin einer Grundschule in Frankfurt-Griesheim mit einem Anteil von 90 bis 100 Prozent Migrantenkindern (nicht-deutscher Herkunft = ndH) berichtet. Unter anderem hatte die mutige Frau in der F.A.Z. von „schlimmsten sozialen Verhältnissen“ in ihrer Schule gesprochen und davon, dass an regulären Unterricht nicht mehr zu denken sei.

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Besonders hatte die Schulleiterin beklagt, dass sich vor allem die muslimischen Familien der Kinder völlig abgeschottet und in großem Umfang durch den Islam radikalisiert hätten. Diese Eltern würden ihre Kinder nicht zum Lernen anhalten und auch nicht dazu verpflichten, Lehrer zu respektieren. Einzelfälle? Für die Politik ja! Nein, die Realitäten sind andere, denn dergleichen haben wir an einigen tausend der 42.000 Schulen in der „Bildungsrepublik Deutschland“, die 2008 von Kanzlerin Merkel mit diesem Namen ausgerufen worden war.

Nun ist ein Brief des Lehrerkollegiums der Gemeinschaftsschule Bruchwiese in Saarbrücken bekannt geworden. Die Saarbrücker Zeitung hat ihn am 13. Dezember zum Aufmacher gemacht und getitelt: „Dramatischer Hilferuf von Saarbrücker Lehrern“. In höchst anschaulicher Weise ist von folgenden Zuständen an einer Einrichtung die Rede, die offenbar nur noch dem Namen nach eine Schule ist: physische und verbale Gewalt gegen Mitschüler und Lehrer, Messerattacken, schweren Körperverletzungen, gravierende Sachbeschädigungen, Drogen, Alkohol seien Alltag. Wörtlich: „Viele Kolleginnen haben Angst, bestimmte Schüler zu unterrichten.“

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Es kommt hinzu, dass sich die saarländische Schulpolitik unter Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer (CDU) und Bildungsminister Commerçon (SPD) obendrein der Ideologie der Totalinklusion verschrieb und damit Schüler mit extremem sonderpädagogischem Förderbedarf auf Regelklassen losgelassen hat. Was wird die Folge dieses Berichts sein? Das Bildungsministerium hat den Brandbrief der Lehrerschaft der Gemeinschaftsschule Bruchwiese, der sehr an die Rütli-Schule in Berlin erinnert, „von Anfang an ernst genommen.“ Heldenhaft! Aber sonst wird der Bericht, der bereits im Juni 2017 im zuständigen Ministerium eingegangen ist, außer der Ankündigung, die Schule „in ihrer schwierigen Lage zu unterstützen“, keine Folgen haben. Auch ganz oben, in den Höhen der Berliner Republik nicht.

Welche Folgen sollten es denn auch sein? „Nun sind sie halt da“, würde Merkel erneut sagen, und die 86 Prozent meinen. Man wird weiter „no borders“, „Bereicherung“, „Vielfalt“ und „Kultursensibilität“ predigen. Wetten, dass…! Im Raumschiff namens Kanzleramt wird ein solcher Bericht jedenfalls nicht oder allenfalls als Fußnote von angeblich larmoyanten Lehrern zur Kenntnis genommen werden.

Epilog: Schulminister Commerçon outet sich als Mathastheniker

Kaum waren die 86 Prozent in der Öffentlichkeit, bemühte Schulminister Ulrich Commerçon seine Rechenkompetenz. Er bestritt die 86 Prozent und sagte im Saarländischen Rundfunk: „Wir haben uns das ganz genau angeschaut. Es sind 20,5 Prozent mit Migrationshintergrund. Es sind 76 Kinder, womöglich 86 im letzten Jahr. Da sind die Prozente offenbar mit den absoluten Zahlen verwechselt worden.“ Richtig, Herr Minister, „genau“ von Ihnen! Wie das Ministerium auf „seine“ Zahlen kommt, ist der Schule ein Rätsel: „Ich habe keine Erklärung dafür und war auch überrascht“, sagt Schulleiterin Pia Götten auf Anfrage der Saarbrücker Zeitung. Und die Rektorin weiter: Die Schule habe erneut die komplette Schülerdatei durchgeschaut. Sie komme bei derzeit 340 Schülern auf einen Migrationsanteil von zirka 75 Prozent. Die genannten 86 Prozent bezögen sich auf das letzte Schuljahr. Commerçon musste ob solcher Nachhilfe öffentlich zurückrudern. Er selbst hatte Prozentzahlen und absolute Zahlen durcheinandergebracht. Bei Schülern nennt man so etwas Rechenschwäche oder Dyskalkulie oder Mathasthenie.


Josef Kraus war Oberstudiendirektor, Präsident des deutschen Lehrerverbands, wurde mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet und als „Titan der Bildungspolitik“ bezeichnet. Er hat Bestseller zu Bildungsthemen verfasst und sein jüngstes Werk Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt erhalten Sie in unserem Shop: www.tichyseinblick.shop