Tichys Einblick
Rechtsstreit nicht scheuen

Gegen den Rückzieher beim Kopftuchverbot für Mädchen in NRW

Ismail Tipi will auch weiterhin für ein Schleier- und Kopftuchverbot für Mädchen in Kindergärten und Grundschulen kämpfen, dass nicht nur die Mädchen, sondern auch die Wehrhaftigkeit unseres Rechtsstaats schützt.

Der Plan des Integrationsministeriums in Nordrhein-Westfalen sah vielversprechend aus: Nach endlosen Debatten rang man sich zur Einführung eines Kopftuchverbots in Kindergärten und Grundschulen durch – und macht jetzt einen Rückzieher. Es ist wie eine „never-ending-story“.

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Die Diskussionen und Debatten über ein Kopftuch- und Schleierverbot für junge Mädchen unter 14 Jahren werden wohl in keinem anderen europäischen Land so endlos und ergebnislos geführt wie hier bei uns in Deutschland. Natürlich ist mir klar: Deutschland hat eine historische Verantwortung, die uns praktisch verpflichtet, Verbote, die einzelne Religionsgruppen im Besonderen betreffen, ausführlich zu debattieren und deren Für und Wider abzuwägen. Das ist richtig und gut so, denn eine Demokratie braucht Streit und Diskussion, braucht eben Pluralität von Meinungen und engagiertes Werben und Kämpfen für die eigenen Überzeugungen.

Genau dieser engagierte Kampf wird in der Frage eines Kopftuchverbots in Kindergärten und Grundschulen aber eben nur von den allerwenigsten geführt. Die breite Mehrheit übt sich lieber in „vornehmer“ Zurückhaltung oder fährt einen wahren Schlingerkurs ohne klare Linie, der in etwa so sicher und zuverlässig ist, wie ein Auto, das im dichten Nebel versucht ohne Licht die Spur zu halten.

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Eben diesen Schlingerkurs hat man meiner Meinung nach nun auch in Nordrhein-Westfalen eingeschlagen. Erst schien es so, als habe man sich dort nach ausführlichen Beratungen auf die Einführung eines Kopftuchverbots in Kindergärten und Grundschulen verständigt – ganz so wie es Verfassungs- und Salafismusexperten schon seit langem fordern. Jetzt, anderthalb Jahre nach der Ankündigung, ein entsprechendes Verbot einführen zu wollen, distanziert man sich plötzlich von diesem Vorhaben. Als Grund dafür wird ein Gutachten genannt, das rechtliche Bedenken in Bezug auf das geplante Verbot habe.

In Nordrhein-Westfalen werde man daher vom Kopftuchverbot in Kindergärten und Grundschulen absehen und wolle dafür die Elterninformations- und Aufklärungsarbeit in den Kindergärten und Grundschulen systematisch weiter ausbauen. Genauere Maßnahmen seien laut dem Integrationsministerium Gegenstand laufender Gespräche, die man jedoch schnell zum Abschluss bringen wolle, um dann schleunigst geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die das Wohl der Mädchen besonders im Blick haben sollen.

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Wenn aber das Wohl der jungen Mädchen die Maxime des Handelns sein soll, dann ist es für mich absolut unverständlich, wieso man in Nordrhein-Westfalen nun einen solchen Rückzieher vollzieht. Es ist gemeinhin bekannt, dass das Rhein-Ruhr-Gebiet als wahres Mekka der salafistischen Szene gilt und sich in Köln, Düsseldorf und den umliegenden Regionen Salafisten, Dschihadisten, Fundamentalisten und Extremisten nur so tummeln. Besonders in diesem Umfeld wäre es in meinen Augen von höchster Dringlichkeit, die jungen Mädchen vor einem Kopftuchzwang zu schützen.

Wenn wir den Kindern eine Perspektive bieten wollen, sie aus dem fundamentalistischen ja sogar aus dem salafistischen Umfeld ihrer Eltern herauszuholen, wenn wir ihnen eine echte und glaubwürdige Alternative zu den zumeist hasserfüllten Predigten der Hinterhof-Imame und der antidemokratischen Erziehung ihrer Eltern bieten wollen, dann müssen wir sie zuerst einmal davor schützen, dass sie durch das Kopftuch oder Schleier gezwungen werden, das Gedankengut ihrer Eltern nach außen hin zu repräsentieren. Das Tragen von Kopftüchern oder Gesichtsschleiern wird gerade in salafistisch gesinnten Familien häufig vom Vater als Familienoberhaupt verlangt und erzwungen.

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Es ist aber eben nicht nur ein Symbol der Unterdrückung durch die patriarchalischen Familienstrukturen, sondern zugleich dient es auch der Sexualisierung der Kinder. Wenn bereits junge Mädchen im Kindergarten- oder Grundschulalter dazu gezwungen werden, ein Kopftuch zu tragen, kann das nicht im Sinne einer emanzipierten Gesellschaftsordnung sein. Die Kopftuchbefürworter argumentieren, dass durch die Bedeckung der Haare sexuelle Reize verhüllt würden. Vielmehr wird dadurch aber das Mädchen herabgewürdigt und auf seine bloße Sexualität reduziert – was im Kindergarten- und Grundschulalter eigentlich fernab eines jeden rationalen menschlichen Handelns sein sollte.

Dennoch halten weite Teile der Politik an der Überzeugung fest, dass man hier mit rationalen Argumenten und Beratung der (Salafisten-)Eltern weiterkomme, als durch die Einführung eines Verbots, dass möglicherweise eine rechtliche Klärung des Sachverhalts heraufbeschwören würde.

Diese Einstellung halte ich für gefährlich naiv: Salafistisch gesinnte Eltern werden sich kaum durch nettes Zureden oder Appelle an das Bewusstsein der Verantwortung für die freie Entfaltung des Kindes überzeugen lassen, vom Kopftuchzwang für Mädchen in Kindergärten und Grundschulen abzukehren. Nein, hier braucht es klare gesetzliche Regelungen. Gemäß meiner Auffassung und auch der Auffassung zahlreicher Rechtsexperten stünde ein Verbot von Kopftüchern für Mädchen unter 14 Jahren keinesfalls im Widerspruch zur Verfassung oder der Religionsfreiheit – ganz im Gegenteil: Hierdurch wird die Religionsmündigkeit gestärkt. Entscheidet sich ein Mädchen aus freien Stücken nach seinem 14. Geburtstag für das Kopftuch – obgleich auch im Islam unterschiedliche Ansichten über dessen Notwenigkeit bestehen – wäre das ein starkes Signal, für die freie Entfaltung der Persönlichkeit und für die freie Wahl der eigenen Auslebung echter Religiosität. Bis zu diesem Zeitpunkt aber, zudem in Deutschland die Religionsmündigkeit eintritt, müssen wir die Mädchen durch rechtliche Vorgaben schützen – auch und gerade gegen den ausdrücklichen Willen der Eltern.

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Die Politik übt sich aber lieber weiterhin im Duck-Dich-Weg-Spielchen. Auch auf dem Bundesparteitag der CDU wurde der Weg des geringstmöglichen Widerstandes eingeschlagen: Statt auf ein Kopftuchverbot setzt man hier lieber auf Präventionsmaßnahmen und die Überzeugung der Eltern, womit der schwarze Peter geschickt an diese weitergeschoben wurde. Einen Lichtblick gibt es allerding im Beschluss, den die CDU in Leipzig gefasst hat: Ein Kopftuchverbot wird nicht grundsätzlich ausgeschlossen, soll aber nur „ultimo Ratio“ sein, wenn alles gute Zureden nicht hilft.

Ich werde daher auch weiterhin für ein Schleier- und Kopftuchverbot für Mädchen in Kindergärten und Grundschulen kämpfen, dass nicht nur die Mädchen, sondern auch die Wehrhaftigkeit unseres Rechtsstaats schützt. Mir geht es hierbei um nichts Geringeres, als um die Frage, ob der Staat bereit ist, alle Kinder, die gemäß Grundgesetz unter dessen besonderer Fürsorge stehen, mit allen notwendigen Mitteln zu schützen.

Nur wenn es uns gelingt, die jungen Mädchen aus dem Teufelskreis herauszuholen, in den sie von fundamentalistisch gesinnten Eltern getrieben wurden, dann können wir mit Fug und Recht von uns sagen: Unsere Demokratie ist und bleibt wehrhaft. Und das sollte doch unser Ziel sein. Hierfür dürfen wir dann auch keinen Rechtsstreit scheuen, sondern müssen diesen eher freudig erwarten – wäre dieser doch ein Hochfest für Demokratie und Freiheit. Demokratie wird aber mit Mut gemacht und den gilt es aufzubringen, sich nicht unterkriegen zu lassen und endliche in Kopftuchverbot zu verabschieden.

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