Tichys Einblick
Bild am Sonntag Nr. 44

Bild am Sonntag: Aeysha, Weidel und Torriani

Bei der BamS alles vom lieben Gott über die Jamaikaner-Figuren bis „Kluge Antworten auf Alltagsfragen“. Na dann.

Bild am Sonntag (BamS), 29. Oktober 2017, 52 Seiten, zwei Tage vor dem 500sten Tag des Beginns der Reformation. Entsprechend der Titel: „Lieber Gott“. Ein betendes Mädchen mit großen braunen Kulleraugen und gestreckten Fingern. Möglicherweise ein Flüchtigkeitsfehler, denn der evangelische Autor hier hat als Kleinkind gelernt, dass Lutheraner die Finger ineinander verschränken, um sich von den Flachhandbetern der katholischen Kirche zu unterscheiden, kann aber ein Kinderglaube sein. Vielleicht weiß ein Leser mehr über das Regelwerk.

„Lieber Gott“ fragt, wie weit es 500 Jahre nach Luther ist mit der Wiedervereinigung der Kirchen. Diskutiert haben das für die BamS Peter Hahne, die unvermeidliche Margot Käßmann und Reinhard Kardinal Marx. Weitere Titelgeschichten sind der 4:2 Sieg der Hannoveraner über Dortmund und ein Interview mit Alice Weidel „über ihre Söhne, ihre Frau und Frauke Petry“.

Auf Seite zwei ein interessanter Kommentar der norddeutschen Chefredakteurin Marion Horn. Die nämlich trauert ein bisschen um Air Berlin, zollt dem Gründer Hunold aber ihren Respekt, der nun „vor den Trümmern seines Lebenswerkes stände. Mehr noch, sie wünscht sich solche Hunold-Aufbaujahre im „Taktier-Club“ der Jamaika- Koalitionsverhandlungen. Frei nach dem Motto, wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Scheitern wäre erlaubt, wenn man denn abheben will. „Immer noch besser, als gar nicht erst loszufliegen.“

Als Beilage gibt es den „Atlas for Men“, eine Werbung für Bekleidung für echte Kerle. Zwei, die das auch sein wollen, umarmen sich herzlich auf einem Balkon, während Katrin Göring Eckardt (KGE) darüber wegschaut ob so viel spontaner Zuneigung.

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Die Rede ist von Christian Lindner und Alexander Dobrindt. Die Grünen haben sich mit Rest-Jamaika verhakt, weiß BamS. Jetzt soll ein Geheimtreffen der Spitzen die festsitzende Mutter lösen. Es geht darum, das beste Drehmoment zu finden bei Klimaschutz und „Zuwanderung“. Von Flucht, Flüchtlingen oder Flüchtlingskrise ist nicht mehr die Rede. Sprache im Wandel. Sprache passt sich den Realitäten an, weg von den Wunschvorstellungen. Werden die Grünen diesen Weg ebenfalls gehen, wenn sie beim Klima punkten können?

Lindner fasst die Forderungen der Grünen so zusammen: „Mit den grünen Plänen droht eine Überforderung bei der Integration, unsichere Energie, neue Schulden und die finanzielle Überlastung der Mittelschicht.“

Bei Elite Partner hätten die Zusammenführungs-Algorithmen längst auf Rot gestellt. Auch Lindner gibt vor, immer weniger Interesse zu haben. Also an den Grünen, denn mitregieren möchte er schon noch gerne. Allerdings bliebe Jamaika ein Luftschloss „mit der unbegrenzten Ausweitung des Familiennachzuges“. Dobrindt kann noch schärfer: „Die Grünen müssen endlich verstehen, dass es hier um unser ganzes Land geht und nicht um die Prenzlauer-Berg-Mentalität der Wohlstandsgrünen.“ Wetten er wird es trotzdem mit ihnen machen?

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Für KGE allerdings sei die Familienzusammenführung „zentral“ für die Grünen. Wenn man jetzt so genau wüsste, wo die Kanzlerin steht. Näher bei Dobrindt und Lindner? Oder doch bei KGE? Unter dem Artikel ein kurzer Melder über den saudischen Kronprinzen Salman, der sich einen moderateren Islam wünscht: Der Grüne Außenpolitiker Omid Nouripour kommentiert für die BamS: Das „wäre super!“ Gut, die Hoffnungs stirbt zuletzt, aber was soll man sich als Grüner anderes wünschen, wenn der Islam „zentral“ sein soll, also in Gestalt unbegrenzter Zuwanderung?

Was die AfD dazu sagt, könnte im darauf folgenden großen Interview mit Alice Weidel stehen. Steht es? Mal schauen. Auf dem Foto sieht man Frau Weidel im Bundestag vor den freigelegten und konservierten Graffitis der russischen Soldaten, die 1945 dort ihre Grüße hinterlassen haben. Dunkelblauer Blazer, helles Hemd, verschränkte Arme, weiße Perlenkette und schwarze Sneakers von Nike. Titel: „Mein politisches Vorbild ist Margot Thatcher.“

Ach herrje. Ausgerechnet. Dann also doch eine Verschlankung des Sozialstaates bei der AfD, der einer Frauke Petry an der Spitze nicht so leicht über die Lippen gekommen wäre. Die hatte wohl verstanden, dass der Sozialstaat für die Schwächsten der Gesellschaft geschaffen wurde und eben nicht nur für die Asylbewerber.

Aber gut, die Liste konservativer weiblicher Vorbilder ist nicht so lang und die norwegische Erna Solberg beispielsweise kennt kaum jemand. Der Blick von Weidel spricht übrigens Bände: ich trau Euch zwar nicht, aber ihr könnt mir nichts. Wir kennen diese ihre Haltung aus vielen Talkshows.

Die AfD-Chefin ist „sichtlich beschwingt“ und als eine der ersten frühmorgens im Reichstag, berichtet BamS. Interessant sind erste Interna aus dem Bundestag: Lindner hätte den zweiten parlamentarischen Geschäftsführer der AfD gleich mal einen „arroganten Schnösel“ genannt, wohingegen Kubicki Weidel freundlich begrüßte und ihr gratulierte zum Einzug. Mit oder ohne Handkuss bleibt offen.

Blick zurück - nach vorn
Blackbox KW 43 – Was Sie schon immer über Sex(ismus) wissen wollten ...
Weidel verteidigt den als Vize-Bundestagspräsidenten gescheiterten Albrecht Glaser, der in Bezug auf den Islam eine richtige Debatte angestoßen hätte. Die Frage sei doch, „ob der Islam nur eine Religion sei oder auch eine politische Ordnung. (…) Der Islam kennt die Trennung zwischen Staat und Religion nicht.“ Leider verschleudert die BamS dann etliche Zeilen, um noch mal Björn-Höcke-Zitate abzugleichen und Weidels Emailverkehr nachzuhaken. Natürlich ohne neue Erkenntnisse zu gewinnen. Es ist einfach ein mediales Ritual geworden, dem sich die BamS nicht entziehen mag. Ab 2021 wolle die AfD mitregieren, prognostiziert Weidel.

Was den Frauenanteil in der AfD und unter den AfD-Wählern angeht, da müsse mehr geschehen. Sie möchte es über freie Kitas und Kindergärten erreichen. Sexismusthemen sehe sie da nicht, dass seien „an den Haaren herbeigezogene minore Sexismus-Debatten.“ Dann folgt noch Privates über Umzugspläne der Familie; sie lebt mit Frau und zwei Söhnen zusammen, aber das soll uns hier weniger interessieren als die BamS. Fazit: Schade, leider ein langweiliges, ein wenig erhellendes Interview mit unnötigem Fokus auf dem Privatkram der Politikerin.

OK, dann also zu Luther. Der hatte ja auch so ein spezielles Frauenbild, das kommt aber nicht zur Sprache. Dafür Käßmann, Marx, Hahne, Bökling (stellv. Bild Chefredakteur) und – tatsächlich – Alexander Görlach. Beantworten sollen alle die Frage nach der Wiedervereinigung der Kirchen. Görlach ist großzügig, schenkt der Kirche gleich mal ein paar Hundert Jahre Existenz: aber Jesus war kein Kirchengründer. Hätte er wissen können, nun gut. Die Abstimmung endet mit zweimal „Ja“ und drei Mal „Nein“ von Käßmann, Görlach und Hahne.

Auf Seite 8 ein weiteres, ein wirklich düsteres Kapitel in der Serie „Was unser Land jetzt braucht“. Erzählt wird der Mord an der kleinen Aeysha. Ihr Vater, der Pakistani Sohail A. hatte ihr in Hamburg-Harburg die Kehle durchgeschnitten. Er sollte abgeschoben werden, verlor aber seinen Pass, klagte und durfte zunächst bleiben. Schon bei den Recherchen wird die BamS quer durch die Behörden geschickt. Keiner fühlt sich zuständig. Asylantrag gestellt in Hessen, zuletzt gelebt in Hamburg.

Fazit: Egal wer kommt und egal, ob er bleiben darf, es wird geklagt, es wird gewohnt, wo es gefällt. Es ist ein heilloses Durcheinander. Der Staat versagt auf ganzer Linie, die einzelnen Behörden verschanzen sich voreinander. Die Mutter der Ermordeten wurde zuvor schwer misshandelt, ging wohl ins Frauenhaus und das kleine Mädchen wurde nun mit aufgeschlitzter Kehle beerdigt. Bizarrer Schluss: Einen Tag nach dem Kindermord lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag des Mörders gegen die Abschiebung ab, es gäbe nun keine familiäre Bindung mehr. Ohne Worte.

Zugvögel kennen keine Grenzen. In „Deutschland und die Welt“ werden Kraniche vorgestellt, alleine 50.000 würden in Linum bei Berlin rasten. Aber sie bleiben nicht, fliegen bald weiter. Nach den Kranichen der „Einbruch-Atlas Deutschland“.

Fazit: Im Süden lebt es sich für Deutsche am sichersten. Alle dreieinhalb Minuten ein Einbruch. Angeblich sogar rückläufig, aber dennoch eine unvorstellbare Zahl. Erschreckend die Aufklärungsquote mit 16,9 Prozent. In Bremen und Hamburg soll es am schlimmsten sein.

Liebe und Lust der Bundeswehr
Wie die Bundeswehr gegendert wird
Den Sportteil zum herausnehmen nehmen wir heraus und entdecken nach der Aldi- und Rewe-Werbung für „Schnitzel paniert“ und „frisches Maishähnchen“ einen Bericht über essgestörte Mädchen und wenige Jungs. Eine Wohlstanderkrankung, die deshalb nicht weniger tragisch ist. Eine knappe halbe Millionen Menschen soll darunter leiden. Und sie werden immer jünger. Bis zu zwanzig Prozent sterben. Verzeihen Sie den Zynismus, aber der einen wird die Kehle durchgeschnitten, die anderen erledigt Heidi Glump und Co. Was für eine Welt. Und bei „Kluge Antworten auf Alltagsfragen“ geht es um die Frage: „Darf mein Hund mit ins Schlafzimmer?“ Ja, darf er, hat eine US-Studie ergeben. Nächste Frage: „Was ist die beste Stellung bei einem langen Penis?“ Legen wir beides zum abgelegten Sportteil. Sollen die lesen, die solche Probleme haben. Die Hunde des Autors hier schlafen jedenfalls im Flur, er teilt sein Bett nur mit der Gattin und hat dazu keine weiteren Fragen.

Dann hat Hardy Krüger (SS-Gruppenführer in „Brücke von Arnheim“) der Jugend noch was zu sagen über die AfD: „Hitler hat sich erst demokratisch gegeben und dann die Demokratie abgeschafft.“ Sollte die AfD ähnliches vorhaben, werde er in den Widerstand gehen oder so ähnlich. Ach herrlich, da sehen wir schon den 89 Jährigen mit der Mistgabel ein paar Abgeordnete aus dem Reichstag jagen. Das Finale gehört dem 1998 verstorbenen Schlagersänger Vico Torriani („Kalkutta liegt am Ganges“) in der Rubrik „Legenden“. Fazit der BamS: Wir lassen uns die gute Laune nicht verderben. Na die haben wirklich einen gesegneten Humor.