Tichys Einblick
Frontbericht aus Charlottengrad

BER: Bauruine? Egal, Hauptsache „klimaneutral”!

Was für ein Symbol für den grassierenden Irrsinn hierzulande: Niemand weiß, ob und wann der Berliner Flughafen jemals fertig gebaut wird – dafür arbeitet das Management jetzt daran, ihn klimaneutral zu machen. Eine klimaneutrale Bauruine – ist das Deutschlands Zukunft?

Emmanuele Contini/NurPhoto via Getty Images

Eigentlich ist alles prima – nur das „Framing“ ist falsch, wie man Mogelpackungen neudeutsch nennt. „Berlin hat den klimafreundlichsten Flughafen der Welt“, schreibt Christoph Falkenstein auf facebook. Für ihn schwarzer Humor – aber wer weiß, vielleicht liest der eine oder andere Flughafenmanager seinen Kommentar, und nimmt ihn ernst – und demnächst lesen wir den Spruch in der Presse oder auf Werbeplakaten.

Vielleicht ist das ja auch die wirkliche Absicht hinter den Dauer-Pannen? Alle denken, Berlin ist unfähig, einen Flughafen zu bauen, dabei ist es nur Vorreiter im (heimlichen) „Klimaschutz”?

Die Grenzen zwischen Satire und Realität sind derart verschwommen in der deutschen Hauptstadt, dass alles möglich ist. Und man sich über nichts mehr wundert. Eigentlich. Aber wenn man dann Nachrichten liest wie diese, ist man doch immer wieder aufs Neue baff: „Flughafen BER soll bis 2050 klimaneutral werden“, titelte die Berliner Morgenpost.


Screenshot: Berliner Morgenpost

„Wir werden dazu eine konkrete Strategie entwerfen“, kündigte demnach Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup an – der Mann, der ungeschminkt einen Dauer-Jugendlichen in einem Pipi-Langstrumpf-Film spielen. deren Motto auch für Dadrups Arbeit gelten könnte: „Widdewiddewitt und Drei macht Neune !! Ich mach‘ mir die Welt Widdewidde wie sie mir gefällt“. Man muss nur „Welt“ mit Flughafen ersetzen. „Unser Ziel ist, dass der BER im Jahr 2050 klimaneutral operiert“, sagt Daldrup, der bis auf ein kurzes Intermezzo immer nur im Staatsdienst bzw. der Verwaltung und an der Universität tätig war, aber nur ganz kurz in der real existierenden Wirtschaft: Mehr Elektrofahrzeuge, Solarenergie und Biogas könnten nach Unternehmensangaben dazu beitragen.

Lebt er in einer Parallelwelt? Sollte er nicht erst einmal alle Kraft dafür aufwenden, dass der Flughafen vielleicht doch noch irgendwann fertig wird? Stattdessen arbeiten Daldrup und Kameraden an den „Klimazielen”. Das ist so, wie wenn man erst einmal anfängt, den Mull rauszutragen, wenn das Haus brennt.

Das Vorgehen der Berliner Flughafenmanager ist leider typisch für das selbst ernannte „beste Deutschland aller Zeiten“: Zu blöd, um einen Flughafen zu bauen, nicht in der Lage, einen pünktlichen, zuverlässigen Bahnverkehr aufrecht zu erhalten, zerbröselnde Infrastruktur, fehlende Digitalisierung und Wegbrechen des Rechtsstaats – aber dafür „klimaneutral” der ganze Irrsinn.

Der Wahnsinn erinnert an einen alten sowjetischen Witz aus der Zeit der Mangelwirtschaft: Das Buchgeschäft ist der Laden, in dem es keine Bücher gibt, im Gegensatz zum Fleischladen – das ist der, in dem es kein Fleisch gibt. Usw.

Vom Berliner Flughafen kann kein Flugzeug starten, unsere Justiz kann Haftbefehle zehntausend mal nicht vollstrecken, unsere Bahn kann nicht pünktlich und unsere Schulen können kaum noch Bildung – dafür setzen wir alle unsere Energie daran, dass sie all das „klimaneutral” tun – bzw. nicht tun.

Nach dem Motto: Man muss eben Prioritäten setzen. Und sei es nur, um die Leute abzulenken. Denn wenn man sich „Klima-Ziele” für 2050 setzt, braucht man keine Angst haben, für deren Erreichen verantwortlich gemacht zu werden – wie bei den anderen, handgreiflichen Problemen.

Wie bequem.

Früher war Deutschland Exporteur von Hightech und Qualitätsprodukten – jetzt sind wir auf dem Weg dazu, die Welt mit Lachnummern (und Moral) statt mit Autos etc. zu beglücken bzw. zu erheitern.

Deutschland – das Land der „klimaneutralen” Ruinen. Das dem Rest der Welt den richtigen Weg weist.

P.S.: Je schlechter die Regierung, umso besser der Humor, sagte man zu Sowjetzeiten.

Der deutsche Humor wird erschreckend gut – hier ein paar Kommentare aus den sozialen Netwerken zur „Luftnummer“ des Berliner Flughafens:


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Lesen Sie auch Reitschusters Kolumne «Berlin extrem – Frontberichte aus Charlottengrad»: Darin lüftet der Autor ironisch den Blick hinter die Kulissen der russisch-ukrainisch-jüdischen Diaspora an der Spree, deren Außeneinsichten oft ungewöhnliche Perspektiven eröffnen. Darüber hinaus spießt der Autor den Alltags-Wahnsinn in der Hauptstadt auf – ebenso wie die Absurditäten in der Parallelwelt des Berliner Politikbetriebs und deren Auswirkungen auf den bodenhaftenden Rest der Republik.

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