Tichys Einblick
Blick zurück - nach vorn

Blackbox KW 7 – High Society der Selbstgerechten

Die wichtigsten Termine für die vornehme Gesellschaft der Selbstgerechten und Wahrhaftigen: Frank-Walter Steinmeiers Recall in Berlin und Wolfgang Ischingers Münchner Sause.

Wieder mal Party bei Wolfgang Ischinger, Dresscode Military. Bei seiner „Münchner Sicherheitskonferenz“ fehlten zwar ausgerechnet China und Russland, dafür hatten Ursula von der Leyen, sowie Karl Lauterbach und Bill Gates (maskenfrei!) viel Spaß. Und wen sehen wir da? Kamala Harris! Von der hatte uns unsere Sach- und Fachpresse so viel versprochen für den Fall, dass der alte Joe Biden schwächeln würde. Aber obwohl der Präsident inzwischen zum Jagen getragen werden muss, war Kamala weitgehend abgetaucht. Nun jedoch haute sie ordentlich auf die Trommel, kündigte „nie dagewesene Sanktionen“ gegen Russland an und machte noch einmal allen Anwesenden klar: „Russland verbreitet Desinformation, Lügen und Propaganda.“

♦ Ein Dokument, das der US-Politikwissenschaftler Joshua Shifrinson gerade gefunden hat, passt jetzt nicht so ganz zur Stimmung der Selbstgerechten und Wahrhaftigen in München, aber von der Zeit her, da passt‘s. Weil doch den Russen angeblich nie zugesagt wurde, die Nato nicht nach Osten auszuweiten. Nun belegen die Notizen des deutschen Diplomaten Jürgen Chrobog von 1991: „Wir haben in den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen deutlich gemacht, dass wir die Nato nicht über die Elbe hinaus ausdehnen.“

♦ Und fast wie in der guten, alten Zeit verhagelt der Spiegel mit einer weiteren Story die Münchner Sause: „Vertrauliche Dokumente zeigen, wie Wolfgang Ischingers Beratungsfirma an der Münchner Sicherheitskonferenz verdiente und bei Waffendeals vermitteln wollte.“ Journalismus kann so schön sein …

♦ Nicht nur beim Spiegel durchbricht gelegentlich ein Lichtstrahl die dunklen Haltungswolken. Auch anderswo geht immer wieder mal die Sonne auf. So fragt eine Journalistin in der Welt, warum es 14 Monate nach der Notzulassung immer noch keine ordentliche Zulassung für Biontech und Moderna gibt, beziehungsweise warum dafür wichtige Studien der Unternehmen fehlen. Der Vorgang sei ungewöhnlich, so die Autorin hinter pay, und Mediziner und Pharmazie-Experten hätten Fragen.

Nun, die Frage nach dem Warum lässt sich leicht beantworten. Wer braucht schon Studien, wenn angeblich 63 Millionen Deutsche an die Wirkung glauben? Der Glaube macht Umsatz, nicht Studien. Dazu kommt: Die Vertriebsabteilungen in Deutschland (Landtage und Bundestag) machen auch so erstklassige Arbeit. Die bringen so viel Geld in die Kasse, dass Pfizer offenbar sogar auf den indischen Markt verzichten kann, wo die Regierung frecherweise auf solchen Studien besteht.

♦ Habemus Tamtam. Muss der Vollständigkeit halber erwähnt werden, dass unser Genosse Präsident von den versammelten 1.223 Abgeordneten mit CDU/CSU-, SPD-, FDP- sowie Grünen-Hintergrund nur 1.045 Stimmen bekam? Nein, oder? Steht ja auch sonst nicht groß in der Qualitätspresse.
 Die Wahlleute, so fand die FAZ, spiegelten unsere Zeit wider, also müssen wir sie kurz betrachten.

Die meisten waren Parlamentarier, wovon wiederum gefühlt die meisten (jedenfalls ziemlich viele) keine oder eine obskure Berufsausbildung haben. Insofern stimmt’s schon mal. Und wer spiegelt unsere Zeit besser wieder als Dr. Drosten? Ebend. Dann noch ein Pornostar, ein paar TV-Gaukler, Roland Kaiser, ein Klavierspieler, eine Rapperin und ein paar Männer in Frauenkleidern. Und weil schließlich die ganze Zeit widergespiegelt werden muss, eine Krankenschwester, eine Friseurin und ein Feuerwehrmann. So beginnt also die zweite Amtszeit von Frank-Walter, und Christian Lindner jubelte: „Das Beste, was unsere Demokratie ausmacht.“ Wir gratulieren.

♦ Darf ein ehemaliger Fußball-Nationalspieler zur FDP-internen Einstimmungs-Versammlung auf die Bundespräsidentenwahl „What a shit show“ posten, nur weil die Liberallalas so anstands- wie abstandsfrei keine Maske trugen? Natürlich nicht. Jedes zwangsmaskierte Schulkind weiß inzwischen: Für unsere Parlamentarier (außer AfD) gelten andere Regeln.

♦ Bestimmt haben Sie gelesen, dass Ende März (alle) Corona-Maßnahmen auch für das gemeine Volk fallen sollen. Aber glauben Sie bloß nicht, dass Corona harmlos wird wie eine Erkältungskrankheit! Nein, nein, sagt Karl Lauterbach, das tritt frühestens „in 30, 40 Jahren ein“ (und so lange will er im Amt bleiben). Und weil doch immer wieder von Impfnebenwirkungen die Rede ist, bloß weil vermehrt Sportler umfallen und so langsam ein zeitlicher Zusammenhang von Impfbeginn und Übersterblichkeit auffällt, macht der Karl noch mal ganz deutlich: Impfen ist „mehr oder weniger nebenwirkungsfrei“. Beim einen weniger, beim anderen halt mehr.

♦ Noch nicht bei Karl Lauterbach und dem RKI angekommen: „Eine aktuelle Studie, die am 25. Januar 2022 im JAMA Network veröffentlicht wurde, hat gezeigt, dass das Risiko einer Myokarditis nach einer mRNA-COVID-Impfung etwa 133-mal höher ist als das Hintergrundrisiko in der Bevölkerung.“

♦ Olaf Scholz ist trotz alledem weiter für die Impfpflicht, sonst fühlen sich seine geboosterten Anhänger doch zu sehr verschaukelt. Obwohl – Hauptargument fürs Boostern – die Intensivstationen nie überlastet waren. Ausgerechnet die längst verloren geglaubte alte Tante Zeit, heiliger Hort des Haltungsjournalismus, hatte mal wieder das gemacht, was früher als normale journalistische Tugend galt: Frag nach bei … in diesem Fall leitenden Ärzten von mehr als 20 Kliniken. Heraus kam, was kluge Leser längst in den jüngeren Medien fanden: Mehr als die Hälfte der Corona-Patienten wird nicht wegen Corona behandelt, sondern aus anderen Gründen.

♦ Jonas Schmidt-Chanasit, immerhin ein Virologe mit Staatsfunk-Talkshow-Zulassung, sagte relativ deutlich: „Die Maske macht in großer Breite sicherlich keinen Sinn, gerade im Sommer.“ Deshalb bleibt sie ja auch. Gerade im Sommer. Stimmt’s, Maggus?

♦ Inzwischen gehört ein Blackout „zu den größten Risiken für unser Land“, so das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Und der Versicherungsverband GDV fürchtet, „wir sind auf die Folgen eines flächendeckenden Stromausfalls nicht ausreichend vorbereitet“. Tja, wer grün sagt, muss auch gleich Blackout sagen. Denn die 14-Prozent-Minipartei kann durch ihren SPD-Hebel all ihre Träume verwirklichen (in Baden-Württemberg assistiert Schäubles Schwiegersohn von der CDU). Hinzu kommt, dass Krisenmanagement (Flutkatastrophe) nicht zu den Kernkompetenzen unserer politischen Verantwortungsgemeinschaft gehört, wie auch die Sturmopfer bald feststellen werden …

♦ Apropos Kernkompetenz des Deutschen Bundestages. Zwar wurde der Internationale Frauentag von der Zweiten Internationalen Konferenz kommunistischer Frauen auf den 8. März gelegt, aber der Bundestag meinte, schon jetzt eine Debatte zum Thema führen zu müssen. Im Mittelpunkt der medialen Aufmerksamkeit steht ein gewisser Markus Ganserer aus dem beschaulichen Zwiesel, verheiratet mit Ines, zwei Söhne, der über die grüne Frauenquote als Tessa Ganserer in den Bundestag einzog, auch wenn er auf dem Wahlzettel als Markus aufgeführt war. Als die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch den Missbrauch der Quote „schlicht rechtswidrig“ nannte und Ganserer als Mann bezeichnete, stand das rotgrüne Volk auf, und ein Sturm brach los, gegen den „Zeynep“ ein laues Lüftchen ist. Demnächst im Bundestagstheater: Wenn sich einer als Auto fühlt – hat er dann Anspruch auf eine Garage?

♦ Der Staatsfunk braucht bis 2024 600 Millionen Euro zusätzlich. Nein nicht wegen des Programms – damit sind die Herrschaften sehr zufrieden –, sondern „wegen Hygienekosten“. Geht anscheinend doch recht unsauber zu in den Anstalten.

♦ Das dicke Ende. Die wirtschaftlichen Ausfälle durch die Corona-Pandemie – gemeint sind wohl die unfehlbaren Gegenmaßnahmen – belaufen sich hierzulande auf bislang 330 Milliarden Euro, hat das Ifo-Institut ausgerechnet, Folgekosten nicht inkludiert. „Die schwerste Wirtschaftskrise seit der Großen Depression in den 30er Jahren“, sieht Institutschef Fuest. Aber kein Grund zur Sorge: Die Krise damals haben die Sozialdemokraten doch auch ganz prima gewuppt. Und Fuest findet auch jetzt, dass die Regierung (immer dabei die SPD) dieses Mal „die Wirtschaft entschlossen stabilisiert hat“.

♦ Was fragen Sie? Warum nichts zu Bill Gates und seinem Satz „Leider hat Omikron eine bessere Arbeit geleistet als die Impfung“? Wir verstehen das als nachträgliche Erklärung für den Absturz von Biontech (minus 40 Prozent). Offensichtlich hat „Blaues Hufeisen“ seine Aktien wohl verkauft …

Schönen Sonntag!

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