Tichys Einblick
Umfragen als Propaganda-Wirkungskontrolle

Wählen die Polen richtig?

Der bürgerliche Kandidat der Präsidentenwahl in Polen beschwert sich über Einmischung deutscher Medien. Berichten deutsche Medien fair über Wahlen in anderen Ländern?

imago images / newspix

Über „manipulative“ Berichterstattung deutscher Zeitungen anlässlich der Präsidentenwahl in Polen beschwert sich der stellvertretende Außenminister Szymon Szynkowski vel Sęk; der Gesandte der deutschen Botschaft in Warschau wurde am Mittwoch ins polnische Außenministerium einbestellt. Die Berichterstattung in bestimmten deutschen Medien erwecke den Eindruck der „Befangenheit zugunsten eines Kandidaten“, kritisierte er.

Am Sonntag findet in Polen die Stichwahl zwischen dem bürgerlichen Amtsinhaber Andrzej Duda und seinem linken Herausforderer Rafal Trzaskowski statt. Duda hatte bereits am Freitag die Berichterstattung in der Boulevardzeitung Fakt kritisiert. An dem Unternehmen halten das Schweizer Medienhaus und Axel Springer jeweils Anteile von 50 Prozent.

Fakt hatte darüber berichtet, dass Duda einen Pädophilen begnadigt hatte. Nach Ansicht von Kommentatoren in Warschau erweckte die Aufmachung in Fakt den Eindruck, als sei Duda selbst ein pädophiler Täter. „Heute sehen wir einen weiteren Fall eines deutschen Angriffs bei dieser Wahl“, sagte Duda. Zudem kritisierte der Präsident den Warschau-Korrespondenten der Welt, Philipp Fritz. Dieser schrieb, dass Dudas Herausforderer Rafal Trzaskowski der bessere Präsident wäre, weil er anders als Duda nicht auf Reparationszahlungen von Deutschland für die Schäden des Zweiten Weltkriegs beharre.

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Das Vorgehen der polnischen Regierung hat einen unangenehmen Geschmack. Schließlich sollen Korrespondenten kritisch über Wahlkämpfe berichten und sich nicht von der Regierenden einschüchtern lassen. Allerdings wächst in Polen die Kritik an Medien, die im ausländischen Besitz sind, so wie eben die einflußreiche Boulevard-Zeitung Fakt der Partner Springer/Ringier massiv in den Wahlkampf eingreifen.

Aber berichten deutsche Medien fair über Wahlen in Osteuropa? Seit langem steht auch Ungarns Viktor Orbán unter Beschuss, ebenso wie die polnische Regierung. Beide Länder gehören wie auch Schweden und die Niederlande zu den „sparsamen Vier“. Sie wollen die Hilfen für die Corona-Folgen nicht als Beihilfe ausgestalten, sondern als Kredite, um eine sparsame und zielgerichtet Mittelverwendung zu erzwingen. Osteuropäische Länder stehen zudem in der Kritik der EU und EU-freundlicher Medien, weil die dortigen öffentlich-rechtlichen Sender etwa in Polen meist brav auf Regierungskurs fahren, was man bekanntlich in Deutschland von den bekanntlicherweise total unabhängigen und regierungskritischen Sendern ARD und ZDF so überhaupt nicht kennt.

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Aber die Osteuropäer sind eben Kritiker der ständigen Vertiefung der EU, wollen ihre Souveränitätsrechte nicht an der Brüsseler Garderobe abgeben und weigern sich, Angela Merkels Politik der massiven Zuwanderung aus Afrika mitzumachen; Polen hat stattdessen eine große Anzahl ukrainischer Flüchtlinge aufgenommen. Ungarns Konflikte mit deutschen Medien sind legendär. So wurde zuletzt Orbán in einem Art europäischen Schauprozess vorgeworfen, er habe sich diktatorische Befugnisse angeeignet – die er allerdings längst zurückgegeben hat.

Laut Umfragen in Polen ist bei der Stichwahl am Sonntag mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Duda und Trzaskowski zu rechnen. Für die nationalkonservative PiS und Duda ist die Präsidentenwahl von großer Bedeutung. Ein Sieg des ihr nahestehenden Amtsinhabers Duda dürfte ihre Vormachtstellung mindestens bis zur Parlamentswahl 2023 festigen. Sollte sich hingegen der Warschauer Bürgermeister Trzaskowski durchsetzen, wäre dies aus Sicht der PiS ein schlechtes Vorzeichen für die nächste Parlamentswahl.

Verfolgt man deutsche Medien dann liegen die Sympathien eindeutig beim linken Herausforderer. Das spiegelt sich in Umfragen in Deutschland wieder. Das Meinungsforschungsinstitut INSA beispielsweise hat Deutsche befragt, ob sie es gut fänden, wenn der amtierende bürgerliche Präsident Andrzej Duda am 12. Juli die Stichwahl zum polnischen Präsidenten gegen den linken Herausforderer Rafal Trzaskowski gewinnen würde.

51 Prozent haben dazu keine Meinung – sie interessieren sich schlicht nicht für die Wahlen in Polen, interpretiert INSA-Chef Hermann Binkert das Ergebnis. Aber 28 Prozent der Deutschen wünschen sich Rafal Trzaskowski als polnischen Präsidenten und nur 7 Prozente einen Präsidenten Andrzej Duda. Woher wissen die Deutschen, wer Präsident werden soll, wenn nicht aus den Medien? Damit dürften sie das Medienbild widerspiegeln, das in Deutschland vorherrscht: Die osteuropäischen Störenfriede sollen sich endlich dem westeuropäischen Mainstream mit seiner Vertiefungsstrategie und Flüchtlingspolitik anschließen.

Eine ähnliches Ergebnis ergibt sich auch mit Blick auf die USA. Dort zeigt eine Umfrage von INSA, dass 47,7 Prozent der Deutschen erwarten, Präsident Donald Trump werde die US-Präsidentschaftswahlen im Herbst verlieren; nur 24,7 % gehen von einem Trump-Sieg aus.

Auch hier spiegeln die Erwartungen der Befragten wieder, was Medien vermitteln. Deutsche Medien gelten als extrem Trump-kritisch oder sogar ausgesprochen feindlich. So sicher allerdings, wie sich deutsche Medien sind, was Trumps Niederlage betrifft, sind die Meinungsumfragen nicht, die in den USA generell zwar einen Vorsprung, aber nur einen einholbaren von rund 10 Punkten des demokratischen Kandidaten Joe Biden sehen.

Wählen also die Polen wirklich so, wie sie nach Ansicht der deutschen Medien sollen? Wenn nicht wären deutsche Medienmacher sicher sehr enttäuscht und Kanzlerin Merkel sowieso.

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