Tichys Einblick
Halbzeitwahlen

USA: Das laute Zittern der Demokraten vor der Wahl

Die Demokraten unter US-Präsident Joe Biden sind angeschlagen. Noch zelebrieren sie sich als einzige legitime politsiche Kraft. Die heute anstehenden Mid-terms könnten zum harten Aufschlag in der Realität werden.

IMAGO / TheNews2

Will man die Zukunft deutscher Medien und deutscher Politik sehen, muss man nach Amerika blicken. Der Wahlkampf vor den Mid-terms und insbesondere die Berichterstattung darüber besteht nur noch aus Narrativen, in denen nicht eine einzige Information ungeprüft und richtig eingeordnet fortgegeben wird. Die Radikalität, mit der das geschieht, ist selbst nach deutschen Maßstäben aggressiv: es geht nicht um weniger als den möglichen Untergang Amerikas.

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Die US-Demokraten spielen dabei die Rolle eines Zündlers im Regierungsamt. Präsident Joe Biden, der einst von den Medien als großer Versöhner und moderater Mittelsmann hochgeschrieben wurde, der die Spaltung unter Vorgänger Donald Trump heilen sollte, äußerte zuletzt: „Die Demokratie steht buchstäblich zur Wahl. Dies ist ein entscheidender Moment für die Nation. Und wir alle müssen unabhängig von unserer Partei mit einer Stimme sprechen.“

Gemünzt war das vor allem auf sogenannte „Wahl-Leugner“, wie sie im Zuge der Ereignisse vom 6. Januar auftraten. Dass der Präsident nebenbei für sich beansprucht, dass nur seine eigene Partei die Demokratie retten kann, gehört zwar bereits seit Jahren zum medialen Repertoire. Dass zudem die Episode um die Unruhen am Kapitol immer wieder auftauchen, um Amtsvorgänger Trump und die Republikanischen Partei zu diskreditieren, ist nur eine mediale Vernichtungsstrategie. Der woke Unfehlbarkeitsglaube hat den Geist der Demokraten und ihrer linken medialen Helfer zerfressen.

Denn am Dienstag geht es um mehr als nur ein Symbolergebnis. Zwar gehört es zur Normalität, dass US-Präsidenten bei den Halbzeitwahlen meistens eine der beiden Kammern des Kongresses verlieren; auch Trump ist das passiert. Doch es gibt einige frappierende Unterschiede zum letzten Mal. Nachdem der Oberste Gerichtshof die Causa „Roe v. Wade“ kassiert und damit ein vermeintliches nationales „Recht auf Abtreibung“ als Illusion enthüllte, möchten Biden und die Demokraten ein solches Recht per Gesetz durchbringen. Sollten die Mid-terms zuungunsten der Demokraten ausgehen, würde dieses Projekt um Jahre vertagt.

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Ähnlich sieht es mit anderen Projekten der Biden-Regierung aus, insbesondere den Klima-Wunschträumen, die unter dem Dach des „Build Back Better“-Planes laufen. Die hauchdünne Mehrheit ist bisher an einem einzelnen Senator aus den eigenen Reihen gescheitert. Nur eine Stärkung der Regierungspartei könnte Bidens Amtszeit noch retten. Sollten die Demokraten ihre Hoheit in einer der Kammern verlieren, dann bestätigt sich das, was sich schon im Sommer andeutete: Joe Biden ist nach der Hälfte seiner Amtszeit bereits eine „Lame duck“.

Damit liegt der Schatten der Wahl 2020 über der Wahl von 2022. Denn so, wie Biden sich als Reinfall entpuppt und seine Ambitionen auf dem Spiel stehen, eine zweite Kandidatur anzutreten, wittert Trump Morgenluft. Im letzten Jahrhundert hatte sich die Regel eingebürgert, dass ein ehemaliger US-Präsident aus dem politischen Leben ausscheidet. Trump ist dagegen wieder höchst präsent. Das ist weniger Skandalon, als es einige Medien inszenieren. Denn überall, wo Biden auftritt, steht auch Barack Obama. Dessen Geist bestimmt merklich das Weiße Haus; wenn es eine Handschrift von Joe Biden in der Regierungspolitik geben sollte, dann wurde sie mit Zaubertinte geschrieben.

Dass die Demokraten ihre Situation nach Dienstagabend verbessern könnten, erscheint angesichts aktueller Trends jedoch höchst unwahrscheinlich. Ein Indiz ist der leise Umgang der etablierten Medien mit Prognosen. Die Republikaner fühlen sich indes siegesgewiss. Ob es aber zu einer von ihnen erhofften „roten Welle“ kommt, das heißt, einem massiven Umschwung in beiden Kammern des Parlaments, bleibt ebenso offen. Aufgrund der regionalen Unterschiede auf Staatsebene und teils spezifischen Umständen vor Ort sind manche Trends – anders als bei der Präsidentenwahl – unsicherer.

Ronna McDaniel, die Vorsitzende des Republican National Committee, sprach gegenüber CNN deutliche Worte: Die Demokraten seien Inflationsleugner, Verbrechensleugner und Bildungsleugner. Hier liegt der wunde Punkt. Im Zuge galoppierender Inflation und Energiepreise schert sich ein Großteil der Amerikaner nicht um ideologische Grabenkämpfe. Dass es am Ende auf die Wirtschaft ankomme, hatte einst auch der US-Demokrat Bill Clinton verstanden. Deswegen droht Biden die sprichwörtliche Pleite. In wirtschaftlich angespannten Situationen haben in den letzten Jahrzehnten meistens die Republikaner gewonnen.

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Nicht zuletzt deswegen bedient man sich eines letzten Narrativs: die Wahlen seien unsicher. Schon gehen die Meldungen um, es könnten Hackerangriffe verübt werden. Auch die angestaubte Story, Russland würde Einfluss auf die Wahl ausüben, wird wieder ausgegraben. Die BBC warnt sogar davor, dass „Wahlleugner“ zur Wahl anträten oder diese kontrollierten. 41 Millionen Amerikaner hätten zudem bereits ihre Stimme per Briefwahl abgegeben – ein Prozess, der bei der letzten Präsidentenwahl wiederum von den Republikanern kritisiert wurde.

Bei so vielen Manipulationsvorwürfen ist spannend, dass ein Phänomen kaum zur Sprache kommt: nämlich die Kooperation von „Big Tech“ mit dem US-Heimatschutzministerium, um unliebsame Stimmen zu zensieren und damit die Stimmung in eine gezielte Richtung zu lenken. Warum dies für 2020, aber nicht 2022 gelten sollte, ist ein heißes Eisen, das aktuell beschwiegen wird.

In einer Situation, in der die eine Partei der anderen Wahlbetrug unterstellt, kristallisiert sich dabei vor allem ein Gedanke heraus: eine merkwürdige Parallele zum italienischen Wahlkampf, in der es die eine Seite bei wüsten Faschismusvorwürfen beließ, während die andere Partei konservative Rezepte vorstellte. Welche Seite am Ende gewann, ist bekanntlich Geschichte.

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