Tichys Einblick
Corona-Impfungen

Trotz Impfquote von 90 Prozent: Infektionszahlen steigen in Island auf Rekordhoch

Island meldet derzeit so viele positiv Getestete wie nie seit Beginn der Corona-Krise. Kritische Forscher sehen das als Indiz, dass die Corona-Impfstoffe gar nicht oder nur minimal gegen die Delta-Variante wirken.

IMAGO/Seeliger

Die Zahl der positiv Getesteten liegt in Island auf einem Rekordhoch. Seit knapp zwei Wochen beträgt die Inzidenz mehr als 100. Das ist deutlich höher als im Frühjahr und Herbst 2020. Dabei weist das Land die höchste Impfquote der EU auf. Laut der EU-Gesundheitsbehörde ECDC sind 87 Prozent der Erwachsenen vollständig geimpft und 91 Prozent haben mindestens eine Impfdosis erhalten.

Kritische Wissenschaftler sehen Island als Indiz dafür, dass die Corona-Impfstoffe wenig gegen die Delta-Variante ausrichteten. Die bedingt zugelassenen Impfungen scheinten gegen die Delta-Mutante „nur mehr mangelhaft wirksam” zu sein, sagt der Innsbrucker Psychologe und Mediziner Christian Schubert und erklärt: „RNA-Viren wie SARS-CoV-2 mutieren ständig und Massen-Injektionen begünstigen sogenannte Escape-Mutationen. Die verwendeten Injektionen werden dann wirkungslos.”

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Ein dritter Schuss habe überdies das Risiko, mehr zu schaden als zu nützen, weil sich Nebenwirkungen verstärken können und die erneute Injektion Stress für den Organismus bedeute. Letzterer könne bei Älteren aufgrund von Vorerkrankungen tödlich sein. Ohnehin komme eine Injektion gegen Erkältungsviren in der Regel zu spät, weil fortlaufend neue Mutanten aufkämen – insbesondere, wenn man in eine Pandemie hineinimpfe, sagt der Professor an der Innsbrucker Universitätsklinik für Medizinische Psychologie.

Zu ähnlichen Schlüssen gelangt Wolfgang Pree. Der Salzburger Informatiker hat Daten der US-Gesundheitsbehörde CDC und des israelischen Gesundheitsministeriums statistisch ausgewertet. Demnach sei die Zahl der schweren Verläufe unter geimpften Israelis im Juli kräftiger gestiegen als unter ungeimpften. „Ab circa Mitte Juli entfernt sich die Kurve der voll Immunisierten immer stärker von jener der nicht Geimpften“, berichtet der Professor. Pree verdeutlicht die Coronalage am Beispiel des vergangenen Freitags.

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An dem Tag registrierte das israelische Gesundheitsministerium 257 Personen mit einem schweren Verlauf. 66,9 Prozent davon waren mindestens einmal geimpft. Damit liege der Anteil im Bereich der israelischen Impfquote von 62,4 Prozent, schreibt Pree und schließt: “Im Vergleich zu nicht geimpften Personen bietet die Impfung keinen zusätzlichen Schutz vor einem schweren Verlauf bei einer Ansteckung mit der Delta-Variante.” Immerhin legten die Daten aus Israel nahe, dass die Impfstoffe noch „einen gewissen Schutz“ bei Menschen über 60 Jahren entfalten dürften.

Laut Pree ist auch bei der Infektiösität kein Unterschied zwischen Geimpften und Ungeimpften feststellbar. In der CDC-Studie, die eine relativ kleine Gruppe von etwa 450 Corona-Fällen untersuchte, waren 74 Prozent der Infizierten vollständig geimpft. Die Impfquote lag aber bloß bei 69 Prozent. Der Unterschied von 5 Prozent sei wegen der geringen absoluten Zahlen statistisch nicht bedeutsam, erklärt Pree. Bestätigt würden die Zahlen durch Israel, wo sich Ungeimpfte ebenfalls nicht bedeutend häufiger ansteckten als Geimpfte.

Pree fordert deshalb, den Umgang mit dem Coronavirus grundlegend zu umdenken – etwa den Fokus auf effektive Behandlungsmethoden zu legen. „Die Diskriminierung von Ungeimpften (euphemistisch als „Privilegien für Geimpfte“ bezeichnet) muss umgehend beendet werden“, schreibt er. Etwaige Testpflichten müssten für Geimpfte wie Ungeimpfte gleichermaßen gelten. Auch Reisebeschränkungen und diverse andere Maßnahmen, wie sie Island wieder verhängt habe, schafften kaum Abhilfe. Das habe der Stanford-Epidemiologe John Ioannidis Ende Juni in einem Vortrag in Österreich erklärt, sagt Pree.

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Auch Christian Schubert spricht sich gegen Reisebeschränkungen und Kontaktverbote wie in Island aus. „Ein harter Lockdown kann möglicherweise die Ausbreitung eines Infektionsgeschehens verzögern und ist in diesem Sinn nicht wirkungslos, aber die Kollateralschäden sind bedeutend größer. Angst, Panik, Isolation und Arbeitsplatzverlust machen die Menschen krank und schwächen ihr Immunsystem, wie wir aus der Forschung wissen“, sagt der Psychoneuroimmunologe, der als solcher über die Wechselwirkung zwischen Nervensystem, der Psyche und dem Immunsystem forscht.

Erste Studien aus Großbritannien bescheinigten den Impfstoffen hingegen eine relativ hohe Wirksamkeit gegen die Delta-Variante. Etwa sprach eine Studie vom Juli von “moderaten Unterschieden” bei der Effektivität der Impfstoffe gegen den Wildtyp und die Delta-Mutante. Eine Untersuchung aus der Fachzeitschrift The Lancet merkte aber an, dass die Datengrundlage lückenhaft sei und die Ergebnisse “mit Vorsicht” interpretiert werden sollten.

Bislang ist in diesem Jahr bloß ein Isländer an oder mit dem Coronavirus verstorben, meldet die Internetseite Our World in Data. Seit über 75 Tagen verzeichnete der Inselstaat keinen Corona-Todesfall mehr. Von den 360.000 Einwohnern sind genau 30 an oder mit dem Coronavirus verstorben.

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