Tichys Einblick
Die Interessen Saudi-Arabiens in Myanmar

Terroristen, Opfer, Halbnomaden – woher kommen die Rohingya?

Da gibt es eine muslimische Gruppe von Nomaden aus dem östlichen Indien, deren Vorfahren am Ostufer des Golf von Bengalen wanderten, bis nach Birma hinein. Plötzlich sollen diese Leute eine eigene Ethnie sein. Und vor allem: eine verfolgte Minderheit. Um das zu verstehen, bedarf es differenzierter Betrachtung.

© FRED DUFOUR/AFP/Getty Images

Im Nordwesten Birmas, das seit kurzem auch den Namen Myanmar führt, führt der militärische Arm einer Gruppe von Halbnomaden Krieg gegen die einheimischen Bewohner dieses Landes ebenso wie gegen die Zentralregierung des aus über 130 verschiedenen Volksgruppen bestehenden, buddhistisch geprägten Landes. Die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi tut, was im Falle einer feindlichen Aggression zu tun ist: sie sendet Militär. Denn die Rebellen, aus dem Ausland mit militärischem Gerät und vor allem einem zu Mord entschlossenen Anführer ihres militärischen Arms versehenen, greifen 30 Polizeistationen und Militärstandorte gleichtzeitig an. Klares Ziel: die Region Arakan, um die es hier geht, militärisch dauerhaft zu erobern. Falls Ihnen, liebe Leser, diese Geschichte nicht so recht vertraut vorkommt, sei es gesagt: es geht um die ostbengalische Volksgruppe, sie sich seit einem knappen Jahrzehnt Rohingya nennt.

Ein friedliches Miteinander der Religionen

Rohingya also – in keinem historischen Lexikon taucht dieser Name auf. Lediglich gegen Ende des 18. Jahrhunderts wird er in anderem Zusammenhang ein einziges Mal schriftlich fassbar. Wer verbirgt sich also hinter dieser Gruppe, die ziemlich überraschend behauptet, sie sei ein „Volk“? Nun, diese Leute haben uralte Wurzeln, gewiß. Aber eben in Indien, dorthin gehören sie von der ethnischen Einordnung her. Fremd sind sie den vielen, über zwei Jahrtausende hinweg im Staatsgebiet von Birma heimischen Gruppen, die in ihrer großen Mehrheit Buddhisten sind und unter denen sich auch christliche und muslimische Ethnien befinden. Wohlgemerkt: Muslime, die friedlich im Staat leben, denen es überhaupt nicht in den Sinn käme, auch nur eine Hand gegen die budhistische Mehrheit zu erheben.

Es kann nicht oft genug betont werden: Die große religiöse Diversität in Birma war in den rund 500 Jahren, in denen der Islam auf blutigem Eroberungszug durch Südostasien ist, nie ein Problem – selbst größere Auseinandersetzungen zwischen wandernden Ostbengalen und der heimischen Bevölkerung, die es immer wieder gab, konnten das Gleichgewicht in der Region nicht ernsthaft erschüttern. Erst die enormen Disruptionen des 20. Jahrhunderts überdehnten alte Strukturen, ließen sie reißen. Viele Leute waren entwurzelt, und im Nordwesten Myanmars, wo die nach Indien blickenden Bengalen waren, entstanden blutige Konflikte.

Ein höchst aufschlussreiches Buch

Hans-Bernd Zöllner ist als Lehrbeauftragter an verschiedenen deutschen Universitäten mit den Schwerpunkten Myanmar und Theravada-Buddhismus tätig. Er reist seit Jahren regelmäßig in das Land mit der großen buddhistischen Tradition und erforscht den Konflikt zwischen Aung San Suu Kyi und dem Militär sowie die Situation verschiedener Moslemgruppen im Land. Nun hat er ein Buch vorgelegt: „Das Totenschiff“ – unter diesem Titel publizierte ein deutscher Autor, der das Pseudonym B. Traven verwendete, im Jahre 1926 einen Roman, in dessen Handlung das Problem der Staatenlosigkeit eine Rolle spielt. Dieser Roman beschreibt eine Tragödie, und hier setzt Zöllner an. Er nennt sein Buch im Untertitel „die Tragödie der Rohingya“.

Mit einer über 70 Seiten starken, sorgfältigen und sehr einfühlsamen Herleitung beginnt Zöllner sein Buch über den Konflikt, der mit dem Kunstbegriff „Rohingya“ verknüpft wird. Vorschnelle Wertungen vermeidet er gänzlich. Thematisch beginnt es mit Unruhen des Jahres 1938, die zulasten der in Arakan, also im Nordwesten des alten Birma, nur teilweise sesshaften, muslimischen Ostbengalen gingen. Sehr korrekt legt er dabei aber die diametralen Unterschiede zum Dritten Reich deutlich frei. Unaufgeregt, aber unmissverständlich – fast ist es ein Nebenprodukt der nüchternen Schilderungen – macht er seinen Lesern klar: ein Volk der Rohingya gab es nicht. Und gibt es nicht.

Höchst unaufgeregt kommt die Wahrheit ans Licht

Zöllner schildert weiter, alle Fakten vorbildlich herleitend, die Grundlage des heutigen Konflikts. 1941 löste die japanische Bombardierung Ranguns ein enormes Chaos aus, das auch Arakan erfasste, weil die Inder zu Tausenden aus dem Lande flohen. Islamistische und buddhistische Gruppen liefern sich derweil im Schatten des großen Weltkonflikts einen unerklärten Bürgerkrieg. In der Bilanz konnten sich islamistische Kämpfer in einem buddhistischen Land stärker als bisher festsetzen – Zöllner öffnet dem Leser die Augen für eine weitere fatale Folge des zweiten Weltkriegs

Nur wenig ist so, wie es erscheinen soll
Myanmar, Medien und die Propagandalüge
Die Versuche unterschiedlicher muslimischer Gruppen im Nordwesten Birmas, des heutigen Myanmar, bei Briten und Japanern ein Autonomiegebiet für sich durchzusetzen, scheitern an ihrer mangelnden Rechtsgrundlage. 1978 gab es dann eine Fluchtbewegung, vergleichbar der aktuellen Flucht von 2017. Militärherrschaft und ein neues Staatsbürgerschaftsrecht machte abermals alle Hoffnung auf einen muslimischen Staat im Staate zunichte. Immer aber zieht es sich wie ein roter Faden durch Zöllners Ausführungen: ein Volk der Rohingya gab und gibt es nicht. Nach der Lektüre des neutral und vorurteilsfrei geschriebene Buches ist klar: Wer das Gegenteil behauptet und Rechte für ein „Volk der Rohingya“ einfordert, macht sich zum Werkzeug einer Propaganda-Maschinerie, die erkennbar von der größten Staatengruppe in den Vereinten Nationen vorangetrieben wird: vom Block der islamischen Länder. Erkennbar wird nun, wie gut zum Beispiel der Vatikan informiert ist. Papst Fanziskus vermied es bei seiner Reise nach Myanmar, den Begriff „Rohingya“ in den Mund zu nehmen. Weise und weitsichtig war das. Von der politischen Linken ist er dafür beschimpft worden – bei Zöllner ist nachzulesen, warum Franziskus recht hat.
Der Regierung in Yangon zuhören

Es gibt damit sehr gute Argumente, warum die muslimischen Gruppen, die seit Jahrhunderten halbnomadisch am Golf von Bengalen leben, keine Staatsbürgerschaft in Myanmar bekommen können. Ihr Lebensstil, ihre Kultur ist indisch-bengalisch. Ihre Mentalität ist von der des alten Birma grundverschieden. Die bürgerkriegsähnlichen Angriffe, die muslimische Terroristen aus den Reihen der sich Rohingya nennenden Ost-Bengalen verüben konnten, legen die Richtigkeit dieser Maxime nahe. Und Zöllner, der nicht parteiisch ist, sondern nur Fakten schildert, liefert genau damit die Begründung dafür, warum der Regierung der Friedensnobelpreisträgerin Aung Sang Suu Kyi auch heute noch unser aller Vertrauen gehören sollte.

Natürlich ist die Verkettung fatal, natürlich hat das Militär robust auf die Terror-Attacken reagiert. Aber die Verantwortung für die Eskalationen trägt nicht der Staat Myanmar. Vor allem bei Aung Sang Suu Syi kann Hans-Bernd Zöllner keine Schuld finden. Wie denn auch – aus einer Friedensnobelpreisträgerin wird so schnell keine Kriegstreiberin. Wer derartiges insinuiert, muss sich nach seinem politischen Verstand fragen lassen. Zöllner hingegen hat seinen Verstand beieinander, und es wird bei der Lektüre des „Totenschiffes“ klar: Auslöser der aktuellen Kämpfe ist letztlich das explosive Erstarken des politischen Islam weltweit. Zöllner ist aber viel zu faktensicher und zu analytisch, hier Schuldzuweisungen auszusprechen. Die klare Erkenntnis, unaufgeregt geschrieben, stellt sich beim Lesen von selbst ein.

KEIN ENDE DER KONFLIKTE IN BURMA
Die Rohingya und das Spiel der Mächte
Je klarer Zöllner darlegt und argumentiert, desto größer erscheint die Ungerechtigkeit des internationalen, von den Vereinten Nationen angeführten Urteils gegenüber dem Buddhismus, dem Mönchtum in Myanmar und der Friedensnobelpreisträgerin Aung Sang Suu Syi. Ein Rebellenführer namens Attullah Abu Amar Jununi, geboren in Pakistan, radikalisiert in Saudi-Arabien, versucht mittels eines blutigen Bürgerkriegs, einen islamistischen Gottesstaat mitten in ein buddhistisches Land hinein zu errichten – und die westlichen Medien unterstützen ihn, die Mehrheit der Politiker in Deutschland klatscht Beifall. Klaus-Jürgen Gadamer formulierte auf Tichyseinblick: „Wie groß die Manipulation der Medien ist, kommt nun Stück für Stück ans Licht. Was von den westlichen und den muslimischen Medien in ihren Berichten kaum genannt wird, ist, dass die islamistische Untergrundarmee Arakan Salvation Army (ARSA) mit hunderten Terroristen zeitgleich 30 Polizeistationen und Kasernen angriff. Man stelle sich einmal vor, in Deutschland würden 30 Polizei- und Bundeswehrkasernen mit der Folge von mehr als 100 Toten angegriffen.“

Die Vorstellung, was sich in jenen Tagen im Nordwesten Birmas abspielte, fällt uns hierzulande schwer, denn noch herrscht in Deutschland ein mehrheitlicher Konsens darüber, wie unsere Gesellschaft aussehen soll. Noch. Ganz anders ist es inzwischen im Nordwesten dieses Landes, in der Küstenregion des Golf von Bengalen. Noch einmal Gadamer, und zwar zu den massiven Angriffen durch die saudisch finanzierte Terrorarmee: „In den darauffolgenden bürgerkriegsartigen Auseinandersetzungen flüchteten nicht nur über 600.000 Rohingya nach Bangladesh, sondern auch viele buddhistische Burmesen vor der Gewalt der ARSA in angrenzende burmesische Bundesstaaten. Davon ist in den westlichen Medien nichts zu lesen.“

Die islamistische Gewalt beim Namen genannt

Aber bei Zöllner ist davon zu lesen. Doch der Autor blickt auch auf die aktuellen politischen Debatten, die das Verwirrspiel um eine angebliche muslimische Volksgruppe, die sich seit ein paar Jahren Rohingya nennt, ausgelöst hat. Kritisch begleitet er insbesondere die parlamentarische Debatte im Bundestag Mitte 2018. Befremdet stellt er fest, dass ausgerechnet die AfD seine abgewogene Sicht der unerfreulichen Ereignisse aufgenommen und zitiert habe. Auch wenn das in keinen sachlichen Zusammenhang gebracht wird – wenn wenig später bei ihm die Rede davon ist, dass keine Partei Vorschläge gebracht habe, die zielführend seien, so ist das gewiss wenig schmeichelhaft für die Opposition im Bundestag. In erster Linie ist es aber ein Armutszeugnis für die Parteien, die zuvörderst berufen wären, solche Vorschläge zu machen. Also die Regierungsparteien. Zöllners Buch ist damit aktuell. Und es ist bei weitem nicht nur für Südostasien-Experten von Interesse.

Hans-Bernd Zöllner schreibt flüssig und baut seine Texte sehr logisch auf, ohne dabei die Vielfalt der Fakten und die Unvereinbarkeit mancher Konflikte zu verkleistern. So ist sein Buch, das im übrigen im Stil eines wissenschaftlichen Skripts gestaltet wurde, gut und schnell verwendbar. Dies ist das mit Abstand überzeugendste Werk zum aktuellen Rohingya-Konflikt. Wer zum Thema Myanmar, saudi-arabische Provokation, einem aus Riad finanzierten Bürgerkrieg gegen ein buddhistisches Land und dem Griff des politischen Islam nach der Weltherrschaft mitreden will, kommt ohne Hans-Bernd Zöllners „Totenschiff“ nicht aus. Was die Rohingya, was einige wandernde Gruppen Ost-Bengalens, die sich seit neuestem so nennen, bewegt – in diesem Buch steht es.

Die Flüchtlingsproblematik verstehen

Die Lektüre des „Totenschiffs“ hilft sehr bei der Einordnung der Migrationsproblematik, von der die Rohingya betroffen sind und die von den Vereinten Nationen gar als „Völkermord“ gebrandmarkt wurde, was grober Unfug ist. Natürlich gibt es Menschen, die ostbengalischer-indischer Herkunft sind, die aus dem Nordwesten Birmas geflohen sind und die in Lagern in Bangla Desh unter erbärmlichen Bedingungen hausen müssen. Es sind Hunderttausende, und die Mehrzahl sind Frauen und Kinder. Mit den Kenntnissen, die Hans-Bernd Zöllner und übrigens auch der in Bangkok lehrende Südostasien-Spezialist Jacques Leider vermitteln, wird aber klar, dass hier eine Wanderungsbewegung, die seit Jahrhunderten immer wieder stattfindet, aus den Fugen geriet. Die Migranten in Bangla Desh, die seit einigen wenigen Jahren die Bezeichnung Rohinya für sich reklamieren, sind Opfer, natürlich. Aber sie sind Opfer eines mit saudischem Geld finanzierten, blutigen Eroberungszuges radikaler Muslime auf dem Gebiet eines zutiefst buddhistischen und prinzipiellen friedliebenden Landes. In Bangla Desh sind überdurchschnittlich viele Frauen und Kinder, die sich zu dieser Gruppe zählen. Möglicherweise sind die Männer im blutigen Kampf unterwegs: um die Eroberung der Provinz Arakan, also den Nordwesten Birmas oder auch Myanmars, in dem sie einen eigenen Staat angestreben.

Neue Art der Stadtflucht
Weiße Mehrheit im Westen im Niedergang?
Wo wurzelt der Rohingya-Konflikt? Nun werden die Ursachen klar, doch in Zöllners Buch ist keine einzige Schuldzuweisung zu finden. Er gibt dem Leser lediglich die Fakten an die Handsteht, also die Mittel, um zu erkennen. So sei abschließend ein Blick über den Nordwesten Birmas oder Myanmars hinaus gestattet: Dieser Konflikt wurzelt letztlich in den medinischen Suren des Koran. Er wurzelt in dem Befehl an alle Muslime, die Ungläubigen zu besiegen und im Ernstfall zu töten, um einer angestrebten Weltherrschaft des Koran und der Scharia willen. Was heute in den Dörfern im Nordwesten Myanmars passiert, ist Teil einer über Jahrunderte dauernden muslimischen Eroberungswelle, die ganz Südostasien betrifft.

Ein objektiver Blick in die Großstädte des westlichen Europa bringt überdies besorgniserregende Vorzeichen. Es geht hier nicht unbedingt um Bataclan, Zaventem und Breitscheidplatz. Könnte ein Bürgerkrieg auch hierzulande Realität werden? Diese Frage kann derzeit nicht klar beantwortet werden. Festzuhalten bleibt aber: der Koran, der gelehrt wird, ist derselbe – in Saudi-Arabien, in Myanmar und in den Moscheen in Deutschland und Europa. Und eine Million Entwurzelter haben wir hierzulande seit dem Herbst 2015 ja nun auch.


Hans-Bernd Zöllner, Das Totenschiff – die Tragödie der Rohingya, Regiospectra-Verlag Berlin 2018, 200 Seiten, broschiert, 21,90 Euro.